Irgendwann ist es mal gut mit dem Ausweichen, Vertagen, Prüfen, Verschieben. Deshalb hielt der Linke-Stadtrat Michael Neuhaus in der Ratsversammlung am 14. Dezember seine Rede auch kurz und knackig. Denn in Zeiten eines weltweiten Massentiersterbens gibt es keine Zeit mehr zum Prüfen, ob man in Leipzig vielleicht mal tiergerechtes Design beim Bauen anwenden sollte, wie das Stadtplanungsamt tatsächlich als Alternativvorschlag formulierte.
Da wundert man sich zwar, wenn eine durchaus von interessierter Seite – der Antidiskriminierungsstelle des Bundes – in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis kommt, dass „ältere Menschen als Blockierer wahrgenommen“ werden.
Aber woher kommen diese Vorurteile, wenn es nicht tatsächlich ältere Menschen sind, die immerfort Lösungen blockieren, „weil wir das schon immer so gemacht haben“?
Natürlich gibt des auch jede Menge ältere Menschen, die nur zu gern an Lösungen arbeiten, den jungen Menschen zuhören und sie auch unterstützen. Man denke nur an die Omas for Future.
Altgewordene Hierarchien
Aber Hierarchien sind in Deutschland nun einmal so eingerichtet, dass die höheren Entscheidungsebenen von Leuten besetzt sind, die schon älter sind. Und oft nicht mehr wirklich bereit, Änderungen mitzugestalten oder Denkgewohnheiten zu ändern. Und auch Stadtverwaltungen sind Hierarchien.
Und genau so las sich auch der „Alternativvorschlag“ aus dem Stadtplanungsamt, der in Wirklichkeit eine Ablehnung des Linke-Antrags „Ein Zuhause für Biene Maja und Karl den Käfer – Animal Aided Design zum Standard machen“ war.
„Es wurde beantragt, die Anwendung des Planungsansatzes ‚Animal-Aided-Design‘ (AAD) als Standard bei allen Bauvorhaben der Stadt Leipzig und ihrer Unternehmen einzuführen, das AAD bei der Erarbeitung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen und entsprechende Maßnahmen im städtebaulichen Vertrag zu verankern sowie das Ziel ‚Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt‘ in die Eigentümerziele der kommunalen Unternehmen einzufügen“, hatte das Stadtplanungsamt geschrieben und dann tatsächlich fertiggebracht zu erklären:
„Dem Antrag kann aufgrund rechtlicher Grenzen nicht vollumfänglich entsprochen werden. Die Berücksichtigung des Planungsansatzes wird jedoch grundsätzlich begrüßt und entspricht teilweise bereits dem Verwaltungshandeln. Auf dieser Einschätzung basiert der Alternativvorschlag mit entsprechender Begründung zu den einzelnen Beschlusspunkten.“
Was einfach ein Ausweichen vor der tatsächlichen Herausforderung ist, wie Michael Neuhaus am 14. Dezember sehr anschaulich erklärte. Denn auch die Art, wie wir heute Städte bauen, trägt zum weltweiten Massenaussterben bei. In der Stadt lebende Tiere haben in den Bauplänen von Investoren keinen Platz. Jeder Quadratmeter wird verplant und zubetoniert. Und die Stadt selbst war bisher mit ihren Bauplanungen nicht viel besser.
Der neu gefasste Antrtag der Linksfraktion.
„Die Stadt schlägt vor, Animal Aided Design bei Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit Bauvorhaben der Stadt Leipzig zu prüfen. Wir hingegen wollen AAD nicht nur prüfen, sondern auch als Standardverfahren anwenden“, kritisierte dann auch die Neufassung des Linke-Antrags die Stellungnahme des Stadtplanungsamtes.
„Die Verwaltung schreibt in ihrem VSP sogar selbst: ‚Davon ausgehend wird es seitens der Verwaltung als sinnvoll angesehen, das Hinwirken auf diese Zielsetzung – im Sinne des Planungsansatzes AAD – als Standard für das Handeln der Stadt beschließen zu lassen‘.“
Eine nie mit Inhalt gefüllte Zielstellung
Aber es geht nicht nur um die Zielstellung – die übrigens im Prüfschema für jede Stadtratsvorlage seit Jahren schwarz auf weiß verankert ist. Die Stadtplaner müssten sich also schon längst danach richten. Es geht ums Machen, so die Linke:
„Darüber hinaus wollen wir AAD nicht nur anwenden, wenn es den Verlust von Habitaten auszugleichen gilt, sondern AAD von vornherein berücksichtigen, um Habitatstrukturen zu etablieren und Biodiversität zu fördern. Dennoch haben wir die ‚Ausgleichsmaßnahmen‘ in die NF aufgenommen.“
Ausgleichsmaßnahmen in Gänsefüßchen. Denn wenn irgendwo außerhalb der Stadt eine Ausgleichsfläche für verdrängte Tierarten gesucht wird, hat das mit Ausgleich nichts zu tun. Dann ist es trotzdem die Verödung der Stadt und echter Lebensraumverlust.
Und auch der dritte Alternativvorschlag der Verwaltung war nichts als ein Ausweichen: „Bei städtebaulichen Planungen, soweit diese unmittelbare Auswirkungen auf dort vorhandene Tierarten haben können, werden die Habitatansprüche der möglicherweise betroffenen Tierarten auf geeignete Art und Weise berücksichtigt. Entsprechende Maßnahmen werden, soweit geeignet, in Städtebaulichen Verträgen verankert.“
Das waren nichts als lauter Hintertürchen, damit die Fachämter der Stadt erst gar nicht ihren Winterschlaf verlassen mussten.
Logisch, dass die Linke auch damit nicht zufrieden war: „Die Verwaltung schlägt den Begriff ‚städtebauliche Planung‘ anstelle ‚Bebauungspläne‘ vor. Diesen Vorschlag haben wir übernommen. Ähnlich wie bei Beschlusspunkt 1 soll das AAD allerdings nur dann zur Anwendung kommen, ‚soweit diese [Baumaßnahmen] unmittelbare Auswirkungen auf dort vorhandene Tierarten haben können‘. Um die Biodiversität aktiv zu fördern und nicht nur Schäden durch Baumaßnahmen auszugleichen, sollte AAD unserer Meinung nach als Standard angewendet werden.“
Eine Gegenrede gab es übrigens nicht. So langsam setzt sich auch in der Stadtratsmehrheit das Wissen durch, dass das Massensterben wertvoller Tiere und Insekten auch mitten in Leipzig längst zu erleben ist und die Stadt überhaupt keine Ausrede mehr hat, wenn es um die Bewahrung der letzten Lebensräume im Stadtgebiet geht.
Mit 38:20 Stimmen gab es eine satte Mehrheit für den neu gefassten Antrag der Linken. Sodass Leipzigs Planer jetzt eigentlich vom Stadtrat dazu verpflichtet sind, bei jedem städtischen Bauprojekt und in jeder städtebaulichen Planung das Animal-Aides Design konsequent anzuwenden. Planungsvorlagen, in denen das nicht berücksichtigt wird, dürften künftig im Stadtrat keine Zustimmung mehr finden.
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