Im Grunde war es ein Bärendienst für Hans Dietrich Genscher, den die Freibeuter-Fraktion im Leipziger Stadtrat mit ihrem Antrag startete, als sie den Namenszusatz „Hans-Dietrich Genscher“ für den Flughafen Leipzig/Halle ins Gespräch brachte. Als der Antrag am 14. Dezember in der Ratsversammlung aufgerufen wurde, artete es eben leider zu einer Realsatire aus. Da half auch der Verweis von FDP-Stadtrat Sven Morlok auf den Flughafen Köln/Bonn nichts.

Denn dass der nach dem einstigen Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer benannt ist, gehört eher zu den Dingen, die auch gewöhnliche Flugreisende nicht unbedingt wissen. Und verglichen mit wirklich bedeutsamen deutschen Flughäfen wie Frankfurt und München ist auch Köln/Bonn nur Provinz.

Steilvorlage für die Rechtspopulisten

Darum ging es in der Diskussion am 14. Dezember zwar nicht, weil sich ausgerechnet die beiden rechtspopulistischen Stadträte Roland Ulbrich und Siegbert Droese an der einstigen NSDAP-Mitgliedschaft von Hans-Dietrich Genscher meinten aufplustern zu müssen. Leute mit unüberhörbarem Rechtsdrall warfen ausgerechnet Genscher, der wie kein anderer Außenminister die europäische Idee vertrat, seine Vergangenheit vor.

Und zwar mit deutlicher Absicht, auch wenn Sven Morlok den AfD-Stadträten schlicht fehlende Bildung vorwarf. Denn mit seiner Rede hatte Ulbrich ausgerechnet Hans-Dietrich Genscher zum unverbesserlichen Nationalsozialisten erklärt und damit seine Verdienste um die europäische Einigung schlichtweg mit Dreck beworfen.

Es ist keine Naivität, wenn Männer wie Ulbrich und Droese so argumentieren. Es gehört in ihre immer offener vorgetragene Strategie, nicht nur die europäische Idee, sondern auch die Demokratie in Verruf zu bringen.

Im Stadtrat verfängt das nicht. Aber es verschafft diesen Männern trotzdem eine Bühne, auf der sie sich als Saubermänner und lupenreine Demokraten verkaufen können.

Abgesehen davon, dass sie die Debatte völlig ins Lächerliche ziehen und damit auch den Stadtrat selbst.

Was dann Bert Sander aus der Grünen-Fraktion nur kurz benannte, als er von „Realsatire“ sprach.

Kein Mäntelchen für einen Frachtflughafen

Worum aber ging es wirklich?

Die Freibeuter-Faktion hatte beantragt, der OBM solle sich darum bemühen, dass der Flughafen Leipzig/Halle den Namenszusatz „Hans-Dietrich Genscher“ erhält.

In einem Änderungsantrag hatte Markus Weiß aus der Linksfraktion beantragt, diesen Namenszusatz einfach zu versteigern und den Erlös der Allgemeinheit zukommen zu lassen.

Beides Dinge, die OBM Burkhard Jung im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG hätte ansprechen müssen, wo Leipzig mit seinem winzigen Anteil in der Minorität ist.

Das Sagen auf dem Flughafen haben ganz andere – zuerst die beiden Mehrheitseigner, die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Und im Tages- und Nachtbetrieb ein riesiger Konzern, der derzeit macht, was er will.

Auch darauf wies Bert Sander hin: 70 Prozent des Flughafens werden vom Frachtlogistiker DHL bespielt. Weshalb man den Airport auch einfach DHL-Flughafen Leipzig/Halle nennen könnte.

Das hat aber niemand beantragt.

Und dass das Interesse der Ratsversammlung, an der Benennung des Frachtflughafens im Leipziger Norden irgendetwas zu ändern, denkbar gering ist, machten dann die Abstimmungsergebnisse deutlich.

Der Änderungsantrag von Markus Weiß bekam gerade einmal zwei Stimmen bei 54 Gegenstimmen.

Und der Antrag der Freibeuter-Fraktion, der so sichtlich ohne jeden Rückhalt in anderen Fraktionen vorgebracht worden war, bekam nur die vier Stimmen aus der Freibeuter-Faktion, während 54 Ratsmitglieder dagegen stimmten.

Der Antrag der Freibeuter zum Flughafen Leipzig/Halle.

Da war Hans-Dietrich Genscher eben leider in eine Debatte gezerrt worden, die von vornherein keine Chance auf eine Zustimmung zum Antrag hatte. Aber es war eine Steilvorlage für die Rechtspopulisten, die die Gelegenheit nur zu gern nutzten, um ihre verdrehte Weltsicht an Deutschlands bekanntestem Außenminister abzuarbeiten.

Im Nachhinein kommentierte auch die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ diesen Vorgang. Diesen Kommentar geben wir hier auch in ganzer Länge wieder:

Namensgebung für Flughafen Leipzig/Halle: Realsatire im Leipziger Stadtrat

Was zwei Brüder aus der – Luftlinie über 40 km vom Flughafen Leipzig-Halle entfernten – beschaulichen Ortschaft Großstolpen/Groitzsch bewogen hat, eine Petition zur Namensgebung des Flughafens Leipzig-Halle in „Christian Führer Airport“ zu fordern, bleibt deren Geheimnis. Die offizielle Begründung kann es ja wohl nicht sein.

Pfarrer Führer würde sich im Grabe rumdrehen, seinen Namen mit einem zivilen Flughafen in Verbindung zu sehen,

• auf welchem in Deutschland die meisten militärischen Starts und Landungen erfolgen, ja der sogar bis vor Kurzem als Wartungsbasis für Kampfhubschrauber vorgesehen war,
• auf welchem ca. 80 % der Starts/ Landungen von Fracht- und Militärmaschinen erfolgen,
• der den zweifelhaften Ruf der lautesten stadtnahen nächtlichen Lärmquelle Deutschland besitzt,
• der mit ca. 1,8 t CO2-Emissionen pro S/L Deutschlands klimaschädlichster Flughafen ist.

Was gab es nicht schon alles für Ansätze, dem Leipziger Flughafen in einer Charmeoffensive zumindest nach außen hin einen optimistischen Anstrich zu verleihen? „Johann Sebastian Bach Airport“, Kurt Masur musste herhalten, ja sogar ein afrodeutscher Akademiker und last but not least Hans Dietrich Genscher. Mit Letzterem wollte sich die FDP einen Namen machen.

Was sich da am Mittwoch im Stadtrat zu Leipzig zum Thema abgespielt hat, war reinste Realsatire und verkennt im Kern die wahre Problematik. Wenigstens hat sich die Mehrheit dazu entschlossen, keinem der Ansinnen zu entsprechen.

Wir hätten da allerdings noch einen Vorschlag. LEJ verkauft seine Namensrechte an DHL. So könnten wenigstens über diese Schiene die benötigten jährlichen Subventionen abgefedert werden. Der Flughafen heißt dann schlicht und ergreifend „DHL-Flughafen“ – was er ja im Grunde bereits ist.

Noch ist lieblich still der Abend,
Für die Seele so erlabend.
Der Amsel Lied erklingt ganz sacht,
Zum Beginn der Sommernacht …
Doch schon bald ertönt abscheulich,
Beklemmend laut und unerfreulich,
Die Frachtmusik der DHL.
Welche dringt ins Trommelfell.

Ein Fluglärmbetroffener

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