Der Vorstoร war mutig. Und wie das so ist bei vielen der Antrรคge von Thomas Kumbernuร (Die PARTEI) im Leipziger Stadtrat: Er lรถste Diskussionen aus. Auch in der Ratsversammlung am 14. Dezember. Denn es macht eben doch etwas aus, wie sensibel wir miteinander sprechen und ob sich Frauen mitgemeint fรผhlen, wenn in Behรถrdenschriften das generische Maskulinum dominiert. Was aber nicht bedeutete, dass der Antrag so auch Erfolg hatte.
Denn natรผrlich steckt Deutschland mittendrin in der Debatte, wie geschlechtersensible Sprache eigentlich klingen sollte oder kรถnnte. Oder wie sie รผberhaupt funktioniert.
Dass derzeit รผberhaupt wieder so viel darรผber diskutiert wird und der eigentlich 2005 von der Stadt Leipzig verabschiedete Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache als antiquiert erscheint, hat eben auch damit zu tun, dass die Debatte weitergegangen ist und eigentlich lรคngst in einem Bereich ist, in dem es โ wie Beate Ehms, die Vorsitzende des Gleichstellungsbeirats betonte โ um diversitรคtssensible Sprache geht.
Hรถchste Zeit fรผr eine รberarbeitung
Trotzdem kam der Antrag, den Thomas Kumbernuร geschrieben hatte, im Gleichstellungsbeirat gut an. Auch wenn er dort in der Abstimmung eine Niederlage erlebte. Aber er bestรคrkte die dort vertretenen Stadtrรคt/-innen darin, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Und so sah es auch die Verwaltung, die in ihrer Stellungnahme zum Kumbernuร-Antrag zwar seine Fokussierung auf das generische Femininum erst einmal ablehnte, aber gleichzeitig vorschlug:
โDer Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass der Leitfaden โGeschlechtergerechte Sprache in der Stadtverwaltung Leipzig โ Hinweise und Empfehlungenโ bis Ende 2023 zu einem Leitfaden fรผr gendergerechte Sprache weiterentwickelt wird. Sofern das neue Sรคchsische Landesgleichstellungsgesetz zwischenzeitlich in Kraft tritt, wird dieses berรผcksichtigt.โ
Die Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag von Thomas Kumbernuร.
Grรผne-Stadtrรคtin Monika Lazar verwies in ihrem Redebeitrag darauf, dass es auf diesem Weg durchaus schon Stรคdte gibt, die mit ihrem Umgang mit sensibler Sprache Leipzig ein Vorbild sein kรถnnen. Entsprechende Leitfรคden haben Hannover und Lรผbeck schon 2019 verรถffentlicht, Stuttgart 2020.
Denn dass das generische Femininum allein das Sprachdilemma nicht lรถst und sich ganze Personengruppen dabei trotzdem nicht angesprochen oder gar ausgegrenzt fรผhlen, machen nun einmal auch die Erfahrungen an diversen Universitรคten deutlich โ so auch der Uni Leipzig.
Und da hat man es nun einmal mit einem rein akademischen Publikum zu tun. Eine Stadtverwaltung, so Monika Lazar, muss aber wesentlich breitere Bevรถlkerungsschichten ansprechen โ und darf sie auch nicht einfach mit ihrer Wortwahl vor den Kopf stoรen.
Die Grรผnen รผbernahmen deshalb auch lieber den Verwaltungsstandpunkt und stellten ihn zur Abstimmung. Eigentlich ein sinnvoller Kompromiss, der den โsehr schรถnen Antragโ (Beate Ehms) von Thomas Kumbernuร ja nicht ganz ungeschehen macht, auch wenn es Kumbernuร so zu empfinden schien.
35 Stadrรคt/-innen stimmten infolgedessen fรผr den Verwaltungsstandpunkt, 25 wollen lieber ihre alten Gewohnheiten weiterpflegen.
Aber der Arbeitsauftrag ist damit erteilt und die Verwaltung muss 2023 einen รผberarbeiteten Leitfaden โ dann wohl eher zur diversitรคtssensiblen Sprache โ im Amtsgebrauch vorlegen.
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Es gibt 4 Kommentare
Ich habe eine Behinderung und es steht nicht in meiner Macht, welche Meinung andere รผber mich haben. Aber praktische, intelligente Lรถsungen springen ins Auge und bleiben eher hรคngen. So kรผrzlich โ wenn mich die Erinnerung nicht tรคuscht โ bei der Hoffmeisterstr. Eine an einer Baustelle befestigte Stellenanzeige entdeckt, so in etwa, groร und fett: wir suchen xyz (m/w/d) und darunter eine Aufzรคhlung mit โneutralenโ Berufsbezeichnungen wie Architekt bspw. Ich empfand das nun wieder recht angenehm.
Mir fรคllt dazu โ u.a. โ immer wieder diese Mitteilung eines Rates ein, der im รbrigen aus Frauen und Mรคnnern besteht:
https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-empfehlungen-vom-26-03-2021/
Aus gutem Grund gibt es solchen Institutionen und es wundert und befremdet mich, das z.B. Verwaltungen oder Universitรคten denken, sie dรผrften demokratisch erarbeitete Richtlinien neu erfinden oder sich grundhaften Regelungen im deutschen Staat vorsรคtzlich entziehen, die fรผr sie bestimmt sind.
Genderformen hin oder her โ es kann doch bei diesem gesellschaftsrelevanten Thema nicht jeder machen, was er denkt?
Oder sind wir schon eine Bananenrepublik?
Hier vermisse ich eine koordinierende Steuerung โvon obenโ, da diese Spielchen mittlerweile absurde Blรผten treiben. Selbst an Unikliniken โ weil Universitรคtsbetrieb โ wird รผber โEmpfehlungenโ eine bestimmte Art von Genderschreibweise durchgesetzt, hier hat z.B. der Doppelpunkt die Oberhand.
Wenn es denn wenigstens um die Frage ginge, ob das die Mehrheit will. Nicht die Spur. Es geht ja nicht mal um die Frage, ob es nennenswert nonbinรคre, diverse oder โunsteteโ Geschlechter bei den Menschen gibt. So wie die meisten Leute ja einsehen, dass man barrierefreihe Stadtgestaltung braucht, damit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer mobil sind. Einfach weil es รผberall in der Stadt eine nennenswerte Menge von Kinderwagen und Rollis gibt. In diesem Sinne, im Sinne der allergrรถรten Mehrheit der Leute, wรคre also schon mal der โBedarfโ am Asterisk, diesem Lรผckenfรผller aus der Informatik, und รคhnlichen Sonderzeichen geklรคrt. Es mรผssen sich nicht 99,x %, falls das reicht, nach 1 % richten. Diese โGerechtigkeitโ ist Keine, weil sie richtig nervt und damit auch bloร nicht mehr alle anspricht und mitnimmt. Diese Kampagne trรคgt bei zum Medienverdruss von Leuten, die zum Beispiel kein ZDF mehr schauen (ok, genau genommen kein Verlustโฆ) oder wie ich, das Katapult Magazin wieder abbestellt haben.
โ
โ[โฆ]ob sich Frauen mitgemeint fรผhlen, wenn in Behรถrdenschriften das generische Maskulinum dominiert.โ
Verbreiterter Trugschluss: Sie sind nicht nur irgendwie โmitgemeintโ im generischen Maskulinum, sondern sie sind, wie alle anderen Geschlechter auch, direkt angesprochen.
Zitat:
โ Eine Stadtverwaltung, so Monika Lazar, muss aber wesentlich breitere Bevรถlkerungsschichten ansprechen โ und darf sie auch nicht einfach mit ihrer Wortwahl vor den Kopf stoรen.โ
Genau: Die Mehrheit der Bevรถlkerung braucht diese unnรถtige Diskussion nicht und mรถchte den Sprachgebrauch nicht reglementiert wissen. Minderheiten toben sich hier experimentell aus.
Man kann Gendersprache auch scheiรe finden, wenn man eher links-liberal-รถkologisch unterwegs ist.