Es wurde keine Stunde der Wahrheit. Auch wenn sich Baubürgermeister Thomas Dienberg Mühe gab, das ziemlich schwierige Zusammenspiel der ihm unterstellten Straßenverkehrsbehörde mit dem Leipziger Ordnungsamt als „gute Zusammenarbeit“ zu beschreiben. Aber im Ohr bleiben wird ein ganz anderer Satz, den er in Beantwortung einer Nachfrage von Katja Roßburg sagte: „Ich finde Gehwegparken echt Mist!“
Katja Roßburg hatte die Ratsversammlung am 14. Dezember genutzt, um als Einwohnerin ein paar Nachfragen zu der geradezu dürftigen Antwort des Ordnungsamtes auf ihre Einwohneranfrage zum geduldeten Gehwegparken zu stellen.
Nur war der eigentlich zuständige Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal gerade an diesem Tag nicht da. Ob seine Antworten aussagekräftiger gewesen wären als die dürftige Auskunft aus dem Ordnungsamt, darf man bezweifeln.
„Es fällt auf, dass in manchen Straßen(abschnitten) in Leipzig das verbotswidrige Parken auf Gehwegen durch das Ordnungsamt (OA) der Stadt Leipzig nicht geahndet wird. In der Vergangenheit haben in Gesprächen mit Bürger/-innen Bedienstete der Verkehrsüberwachung im Außendienst wiederholt sowohl von der Existenz von Duldungen des Gehwegparkens als auch entsprechender ‚Anweisungen von oben‘ gesprochen. Dieser Wortgebrauch wurde den Bediensteten untersagt, wie das OA in seiner Antwort auf Einwohneranfrage VII-EF-07564-AW-01 vom 14.09.2022 bestätigt“, hatte sie in ihrer Anfrage ausgeführt.
„Auch das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), Abteilung Straßenverkehrsbehörde/ Verkehrsmanagement schrieb u. a. auf Anfragen aus der Bürgerschaft zur Situation in der Eutritzscher Arthur-Hausmann-Straße [2] davon, dass das OA das verbotswidrige Gehwegparken dort geduldet hat. Im Gespräch zur Parksituation Bothestraße in der Sitzung des SBB Nord am 03.11.2022 wies der anwesende Fußverkehrsverantwortliche darauf hin, dass bisher keine Sanktionen seitens des OA erfolgt seien und die Situation lange Zeit geduldet worden sei, sodass daraus von den Verkehrsteilnehmer/-innen Gewohnheitsrecht abgeleitet wurde“, so ihre Anfrage.
Erfahrungen mit „Höflichkeitszetteln“
Und natürlich kann das Ordnungsamt durchgreifen, wenn es nur will. Das stellte auch Katja Roßburg fest: „Außerdem fällt auf, dass es beim OA offensichtlich eine regelmäßige Verfahrensweise für die Aufhebung der angeblich gar nicht existierenden Duldungen gibt: Zunächst werden sog. ‚Höflichkeitszettel‘ mit dem Stadtwappen verteilt. Mit diesen Zetteln werden Autofahrer/-innen auf ihren Parkverstoß aufmerksam gemacht und darüber informiert, dass man annehme, dieser Verstoß sei aus Unwissenheit erfolgt, weshalb man diesmal von einer Verwarnung absehe.
Erst nachdem derartige ‚Höflichkeiten‘ eine Weile verteilt wurden, beginnt das OA Falschparker/-innen in den nunmehr ehemaligen Duldungsgebieten tatsächlich zu verwarnen. So wurde es beispielsweise praktiziert in der Neumannstraße, der Stünzer Straße, der Gotzkowskystraße, der Luckaer Straße, der Erich-Zeigner-Allee, der Hartmannsdorfer Straße sowie der bereits erwähnten Arthur-Hausmann-Straße und Bothestraße (alles frühere Duldungsgebiete).“
Das Problem dabei war nur, so Katja Roßburg: „Dennoch hat die Verwaltung bereits mehrmals auf Einwohneranfragen (u. a. VII-EF-07251-AW-01 [5], VII-EF-07543-AW-01), die zum Thema ‚Duldung des verbotswidrigen Gehwegparkens durch das Ordnungsamt der Stadt Leipzig‘ gestellt wurden, mitgeteilt, es gäbe weder derartige Duldungen noch entsprechende ‚schriftliche‘ Anweisungen an das Personal.“
Da hätte man eigentlich ein paar klärende Antworten auf ihre Fragen erwartet. Doch sie bekam wieder dieselben schwammigen Auskünfte, die es aus dem Ordnungsdezernat vorher schon immer gegeben hatte.
Die Fragen von Katja Roßburg und die Antworten aus dem Ordnungsamt:
Wie kommt es zu derartigen Diskrepanzen in den Aussagen verschiedener Dezernate/Ämter der Verwaltung der Stadt Leipzig?
Die Zuständigkeit für die kommunale Verkehrsüberwachung des ruhenden wie fließenden Verkehrs liegt in der Stadtverwaltung Leipzig ausschließlich im Ordnungsamt. Dazu wurden im Ordnungsamt speziell gemeindliche Vollzugsbedienstete bestellt.
Das dem Vollzug des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OwiG) zugrunde liegende Opportunitätsprinzip ist Grundlage der städtischen Verkehrsüberwachung. Gegebenenfalls ist dieses Prinzip aus § 47 OwiG nicht bekannt und führt zu Missverständnissen.
Einzig das Ordnungsamt kann sich daher zum Sachverhalt sachgerecht äußern. Die Anfrage wird zum Anlass, relevante Verwaltungseinheiten zu informieren und zu sensibilisieren.
Ausführlich wird die Zuständigkeit im Geschäftsbericht des Ordnungsamtes für das Jahr 2020 (VII-Ifo-06460) ab Seite 58 ff. dargelegt, der in der Ratsversammlung vom 09.02.2022 durch den Stadtrat zur Kenntnis genommen wurde.
Gibt oder gab es mündliche Anweisungen an das Personal des OA, das verbotswidrige Parken auf Gehwegen zu dulden?
Es gab und gibt keine mündliche Anweisung, wonach Verkehrsverstöße pauschal, sachgrundlos und ohne die erforderliche Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nicht zur Anzeige gebracht werden sollten.
Wenn es diese durch die Verwaltung bislang geleugneten Duldungen doch gibt, wer trägt die politische Verantwortung dafür, dass in den Antworten auf die oben genannten Einwohneranfragen Stadtrat und Öffentlichkeit mehrfach belogen wurden; und wird geprüft, ob dafür auch Verwaltungspersonal arbeits- und dienstrechtlich zur Verantwortung herangezogen werden?
Siehe Antwort zu Frage 2.
Welcher Pflicht gemäß eigentlich?
Die Angaben zum „Geschäftsbericht 2020“ stimmen so auch nicht ganz. Dort muss es heißen: Seite 53 ff. Wobei das Jahr 2020 dadurch gekennzeichnet war, dass das Ordnungsamt endlich ein anderes Thema systematisch anpackte, das davor jahrelang scheinbar unlösbar schien: das Parken auf Radwegen.
Im Bericht hieß es dazu: „Um die Sicherheit für Fahrradfahrende zu erhöhen, wurden im Jahr 2020 unter anderem 40 gemeinsame Kontrollen mit der Fahrradstaffel des Stadtordnungsdienstes durchgeführt. Ziel war hier, Radverkehrsanlagen von Behinderungen durch Kraftfahrzeuge zu befreien und durch entsprechende Präsenz nachhaltige Effekte in der Bevölkerung zu erzielen.“
Und auch da hatte es erst deutlichen Druck aus Bürgerschaft und Umweltverbänden gebraucht, bis das Ordnungsamt geruhte zu reagieren.
Dass das Ordnungsamt beim Gehwegparken noch lange nicht so weit ist, machte Katja Roßburg am 14. Dezember mit dem Hinweis auf das Bremer Urteil zum Gehwegparken deutlich.
Aber ihr Problem war nun einmal, dass Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal krankheitsbedingt nicht anwesend war und deshalb auch keine weitere Auskunft geben konnte.
Wobei der Verweis auf § 47 OwiG in der Antwort des Ordnungsamtes schon eine gewisse Unverschämtheit war, erst recht mit dem Folgesatz: „Gegebenenfalls ist dieses Prinzip aus § 47 OwiG nicht bekannt und führt zu Missverständnissen.“
Dass für die Politessen das Opportunitätsprinzip gilt, wird kaum jemand abstreiten. Aber das ist im benannten Paragraphen nun einmal auch klar eingegrenzt durch das Wort „pflichtgemäß“.
Aber genau diese Pflicht wird dadurch ausgehebelt, wenn ganze Straßenzüge der Kontrolle entzogen werden, egal, ob das per Anweisung „von oben“ geschieht oder als Vermeidungsstrategie. Genau dann wird nämlich die Pflicht zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs verletzt. Es ist genau dieselbe Problemlage wie bei zugeparkten Radwegen.
Und gerade die ausweichenden Antworten von Thomas Dienberg, wie die Straßenverkehrsbehörde jetzt ihrerseits helfen will, das Gehwegparken in Leipzig zu beenden, machen deutlich, dass die Kommunikation zwischen Ordnungsamt und Straßenverkehrsbehörde gewaltig gestört ist. Vielleicht kann man hier auch das Wort „war“ benutzen.
Denn das Problem ist auch auf Dienbergs Schreibtisch angelangt. Und er betonte zumindest, dass es bei diesem Thema „qualitativ einen Schub geben wird bzw. muss“.
Wobei dann egal ist, ob die Straßenverkehrsbehörde selbst losgeht und geregelte Parkanordnungen verhängt. Oder ob das Ordnungsamt erst eine Liste vorbereiten muss, mit all den problematischen zugeparkten Gehwegen in Leipzig.
Eine neue Liste haben wir auch. Die veröffentlichen wir auch in Kürze an dieser Stelle.
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