Erst war es nur ein Vorstoß, dem Frachtflughafen Leipzig/Halle den Namen des einstigen deutschen Außenministers Hans Dietrich Genscher zu verpassen. Dann platzten gleich mehrere weitere Namensvorschläge für den Flughafen in den Petitionsbriefkasten des Leipziger Stadtrates. Am 14. Dezember standen sie dann im Bündel zur Abstimmung auf der Tagesordnung der Ratsversammlung.
Tatsächlich ist das aber kein Thema, das der Leipziger Stadtrat beschließen kann. Denn weder gehört der Flughafen der Stadt (von den wenigen Prozentpunkten Anteil an der Mitteldeutsche Flughafen AG abgesehen), noch liegt er auf Leipziger Flur.
Der Oberbürgermeister der Stadt kann bestenfalls mit dem Wunsch in die Sitzung des Aufsichtsrates der Flughafen-AG gehen, dass Leipzig diesen oder jenen Namenszusatz haben möchte.
Doch das wurde in der Petitionsrunde am 14. Dezember noch nicht entschieden. Denn da der Antrag der Freibeuter-Fraktion, den Flughafen nach Hans Dietrich Genscher zu benennen, schon im Verfahren war, hatte der Petitionsausschuss zu jeder einzelnen der eingereichten Petitionen die Verweisung empfohlen:
„Die Petition wird als Abwägungsmaterial bei der Beratung und Beschlussfassung über den Antrag VII-A-07071 ‚Umbenennung des Leipzig/Halle Flughafens in Hans-Dietrich-Genscher-Flughafen‘ berücksichtigt. Mit dem Antrag VII-A-07071 ‚Umbenennung des Leipzig/Halle Flughafens in Hans-Dietrich-Genscher-Flughafen‘ ist bereits ein Vorgang im Verfahren des Stadtrates und seiner Ausschüsse, der wie die hier in Rede stehende Petition eine Umbenennung des Flughafens Leipzig/Halle vorschlägt. Um Parallelverfahren zu vermeiden und um eine einheitliche Diskussion über die Flughafenbenennung zu führen, wird die Petition als Abwägungsmaterial bei der Beratung und Beschlussfassung des eingangs genannten Antrages berücksichtigt.“
Was dann zum Beispiel auf den Vorschlag „wir-sind-das-Volk-Flughafen“ zutraf oder den, einen „Christian-Führer-Airport“ draus zu machen.
Dass das alles aber nichts als Augenwischerei ist, darauf wies in ihrer Rede Grünen-Stadträtin Anna Kaleri hin. Denn es wirkt geradezu grotesk, wenn eine Stadt wie Leipzig, die immer wieder über die massiven Lärm- und Umweltprobleme des Frachtflughafens debattiert, jetzt daherkommt und dem Flughafen ein schönes Mäntelchen mit einem ehrenvollen Namen umhängen will.
Da der Vorschlag des Petitionsausschusses, all diese Petitionen in die Beschlussfassung zum Freibeuter-Antrag zu verweisen, bei allen Petitionen von der Ratsversammlung einhellig angenommen wurde, gab es hier erst einmal noch keine Entscheidung. Die Spannung – wenn denn überhaupt jemand eine solche empfunden haben sollte – blieb also erst einmal erhalten.
Aber weil Anna Kaleri im Grunde alles gesagt hat, was es zu dieser Sache zu sagen gibt, geben wir ihre Rede hier einfach mal im Wortlaut wieder
Die Rede von Anna Kaleri:
Frachtflugverkehr: mehr Fluch als Segen
Zurzeit gibt es einen wahren Sturm von Petitionen, die sich damit beschäftigen, dem Flughafen Leipzig/Halle einen Eigennamen zu verpassen. Ich möchte die Namensvorschläge hier nicht nennen, und zwar aus diesem Grund: Ein Name manifestiert ein Sein.
Und die Frage ist, ob wir in einer Stadt, die den Klimanotstand ausgerufen hat, einen Flughafen manifestieren und aktuell sogar erweitern wollen.
Zumal einen Flughafen, der zum überwiegenden Teil ein Frachtflughafen ist.
Zumal ein Flughafen mit einem internationalen Frachtdrehkreuz, das vorwiegend in der Kernnacht beflogen wird, wenn Menschen fest und ungestört schlafen sollten.
Zumal einen Flughafen, der mit durchschnittlich 1,77 Tonnen CO₂ pro Start und Landung als dreckigster Flughafen Deutschlands gilt.
Was wir brauchen ist also nicht ein Name für den Flughafen, sondern dringend Maßnahmen, die den Frachtflugverkehr reduzieren, den Lärm reduzieren, den Feinstaub reduzieren, die klimaschädigenden Gase reduzieren.
Der Segen von einst, unserer Region in der Zeit von Massenarbeitslosigkeit Arbeitsplätze zu schaffen, passt nicht mehr zur aktuellen Situation. Heutzutage werden im Dienstleistungsbereich händeringend Arbeitskräfte gesucht, so auch in der Logistik, und der DHL HUB muss schon Arbeitskräfte aus anderen Ländern einfliegen.
Beim Thema Klimawandel funktioniert entweder die Verdrängung oder es ist vielen wirklich nicht klar, was mit diesem Planeten passiert, wenn die globale Erderwärmung die 1,5 Grad übersteigt, welche unumkehrbaren Prozesse in Gang gesetzt werden, die das Überleben im globalen Süden betrifft – und auch uns. So wird der letzte Sommer der kälteste Sommer der nächsten fünf Sommer gewesen sein.
Ich frage insbesondere die sächsische SPD und CDU: wie kann man unter den Vorboten der Klimakatastrophe noch einen Frachtflughafen ausbauen?
Wir haben im Leipziger Stadtrat mehrere Beschlüsse gegen den Flughafenausbau gefasst. Es gibt eine Landtagspetition, tausende Einwendungen gegen das laufende Planfeststellungsverfahren und mehrere Gutachten Träger öffentlicher Belange, die dem Verfahren grobe Mängel nachweisen.
Was ich vermisse, ist das Ernstnehmen all dieser Stimmen. Ich vermisse das Aufbegehren der Leipziger/-innen, denen es hoffentlich nicht zu spät klar wird, was 50 Prozent mehr Frachtflugverkehr für die Lebensqualität unserer Stadt und Region bedeuten.
Und wenn schon ein Name für das Ganze, dann einen, der es wirklich trifft. Zum Beispiel: Fluchhafen.
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