Sechs Mitglieder des Jugendhilfeausschusses der Stadt Leipzig, Juliane Nagel (Linke), William Rambow (Linke), Sascha Matzke (Freibeuter), Christina März (SPD), Martin Meissner (Bündnis 90 / Die Grünen) und Michael Schmidt (Bündnis 90 / Die Grünen) haben einen Offenen Brief an die Staatsministerin für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt, Petra Köpping geschrieben.

Grund für diesen Hilferuf ist die zurzeit permanente Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen in Leipzig, für unbegleitete minderjährige geflüchtete Kinder und Jugendliche.

Zitat: „Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten wächst, laut Presseberichten kamen im laufenden Jahr in Sachsen mehr als in den vier Vorjahren zusammen.“

Während die Stadt Leipzig die Aufnahmequote von unbegleiteten minderjährigen geflüchteten Kindern und Jugendlichen permanent übererfüllt (im September 2022 155,3 %, im November 2022 128,4 %) bleiben die meisten sächsischen Landkreise unter dieser.

Dazu Juliane Nagel (Linke):

„Es ist vollkommen klar, dass das Leipziger Jugendamt und die Fachkräfte in der Inobhutnahmeeinrichtung im Mühlholz alles geben, um die ankommenden unbegleiteten minderjährigen Schutzsuchenden gut aufzunehmen und zu versorgen: Aber die Kapazitäten geraten an ihr Limit.

Es kann nicht sein, dass sich Landkreise in Sachsen ihrer Pflicht zur Aufnahme der jungen Menschen entziehen und es kann nicht sein, dass das Landesjugendamt untertaucht. Die jungen Geflüchteten haben dieselben Rechte wie hier geborene junge Menschen – sie brauchen unsere Unterstützung.“

Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses fordern Staatsministerin Köpping zum Handeln auf. Die Durchsetzung der Aufnahmequoten in den Landkreisen würde die Unterbringungs- und Betreuungssituation in Leipzig verbessern.

Dazu der stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Michael Schmidt (Bündnis 90 / Die Grünen):

„Wir haben eine Verantwortung gegenüber den schutzsuchenden Jugendlichen – nicht nur in den Städten, sondern überall im Freistaat! Wenn die Städte dabei von einigen Landkreisen alleingelassen werden und Ministerium und Landesjugendamt weiter wegsehen, ist eine würdige und angemessene Unterbringung und Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen nicht zu schaffen. Das ist aber unser aller Verpflichtung!“

Eine Anfrage an das Landesjugendamt, ob diese Zuweisungsbescheide nicht vollstreckt werden können, wurde geprüft und für nachteilig für die betroffenen schutzsuchenden Kinder und Jugendlichen befunden.

Zitat: „Die (zwangsweise T.K.) Überführung der jungen Menschen birgt die akute Gefahr, dass vor Ort schlicht eine anschließende adäquate Unterbringungsform nicht vorhanden ist, sodass das Ergebnis der Vollstreckung die Obdachlosigkeit der UmA (Unbegleitete minderjährige Ausländer_innen*), oder auch der Eintritt des allgemeinen Gefahrenabwehrrechtes sein könnte.“ [Quelle: Präsentation JHA S9]

Die Erklärung, man könne die geflüchteten Minderjährigen nicht den Landkreisen zuweisen, es drohe Obdachlosigkeit, ist eine Bankrotterklärung.

Sascha Matzke (FDP/Freibeuter) äußert seine Motivation zu dieser Initiative so:

„Mir ist wichtig, dass wir Politiker dies damit in die Öffentlichkeit tragen, damit wieder auch ein Austausch über Problemlösungen zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen stattfindet und der ganze Freistaat sich um diese MENSCHEN kümmert.“

Die Lage in den Aufnahmeeinrichtungen in Leipzig ist angespannt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten fast übermenschliches. Das geht aber nur eine begrenzte Zeit.

Frau Köpping – Handeln Sie!

*Die Bezeichnung UmA ist politisch strittig, korrekter wäre UmF – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Der Offene Brief

Offener Brief an die Staatsministerin für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt: Endlich landesweite Lösungen für die kind- und jugendgerechte Aufnahme und Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten finden!

09.12.2022

Die Stadträt*innen und Mitglieder des Leipziger Jugendhilfeausschusses

Juliane Nagel & William Rambow Die Linke),
Christina März (SPD-Fraktion),
Michael Schmidt & Martin Meißner (Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen) und
Sascha Matzke, (Freibeuter-Fraktion)

haben sich mit einem Offenen Brief an die sächsische Sozialministerin Petra Köpping gewendet. Anlass ist die Überlastung bei der Aufnahme und Versorgung von in Leipzig ankommenden unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen. In den vergangenen Monaten wuchs die Zahl der schutzsuchenden jungen Menschen, die ohne Eltern in Deutschland ankommen.

Das Leipziger Amt für Jugend und Familie und die Fachkräfte der sozialen Arbeit leisten hier Beeindruckendes, trotz Überbelegung der Inobhutnahme und Personalmangel. Es ist allerdings das Land, konkret das Landesjugendamt, das endlich für eine gerechte Verteilung und gute Versorgung der jungen Schutzsuchenden sorgen muss.

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten wächst, laut Presseberichten kamen im laufenden Jahr in Sachsen mehr als in den vier Vorjahren zusammen.

Besonders in der Stadt Leipzig kommen viele der jungen Schutzsuchenden an und kommen dort in die Obhut des Jugendamts. Während Leipzig die Quote kontinuierlich übererfüllt, im September beispielsweise mit 155,3 % und zuletzt im November mit 128,4 %, liegen einige Landkreise weit unter der Aufnahmequote und setzen Verteilentscheidungen des Landes nicht um.

In Leipzig sorgte die aktuelle Situation im Amt für Jugend und Familie, im Jugendhilfeausschuss und bei Sozialarbeiter:innen für Unmut. Wir wenden uns darum als Mitglieder des Leipziger Jugendhilfeausschusses an Sie, Frau Staatsministerin Köpping, da für die Verteilung das beim Sozialministerium angesiedelte Landesjugendamt verantwortlich ist, und bitten Sie, endlich zu handeln!

Wir wissen, dass das Jugendamt in Leipzig für eine menschenwürdige, kind- und jugendgerechte Unterbringung und Versorgung sorgen will. An Engagement und Aufopferungsbereitschaft unter den Beschäftigten fehlt es gewiss nicht. Bei einer permanenten Überbelegung der Inobhutnahmeeinrichtung im Mühlholz und dem Mangel an geeigneten Anschluss-Angeboten ist dies jedoch selbst mit größter Anstrengung nicht realisierbar.

In der Folge führen die massiven Überbelegungen in Leipzig durch die mangelnde Verteilung im ganzen Freistaat zu Auslastungen aller Folgehilfen und somit letztlich zu einer höheren Inanspruchnahme und weiteren Überlastung des Jugendnotdienstes, verbunden mit der nicht adäquaten sozialpädagogischen Betreuung der hilfebedürftigen Jugendlichen. Aufgrund der angespannten Situation gibt es auch eine hohe Fluktuation beim Personal, welches im Bereich der sozialen Arbeit sowieso knapp ist.

Zuletzt wurden vom Landesjugendamt die fachlichen Anforderungen an Betreuungspersonal und Räume für die Unterbringung und Versorgung von unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländern abgesenkt. Das kann keine langfristige Lösung sein!

Wir appellieren an Sie, Frau Köpping, dringend adäquate Lösungen zu finden. Neben Leipzig und dem Landkreis Görlitz sind auch Chemnitz und Dresden an die Grenzen bei der Aufnahme der unbegleiteten Minderjährigen gekommen, während andere Landkreise teils deutlich unter ihren Verpflichtungen liegen. Nun muss das Landesjugendamt endlich seiner Verantwortung nachkommen, Verteilungsentscheidungen umsetzen und vor allem tatkräftig beim Ausbau von geeigneten Kapazitäten der Unterbringung und Versorgung unterstützen.

Freundliche Appelle nutzen hier schon längst nichts mehr. Schließlich geht es um die Wahrung des Kindeswohls!
Sollten die betreffenden Landkreise weiterhin ihrer Verantwortung und auch den Aufforderungen durch das Landesjugendamt nicht nachkommen, dann fordern wir Sie auf, entsprechend an die Landesdirektion als Rechtsaufsichtsbehörde heranzutreten.

Wir appellieren, endlich langfristig zu denken. Aufnahme- und Versorgungskapazitäten müssen aufgebaut und langfristig gehalten werden. Fachkräfte können auf Dauer nur gebunden werden, wenn die Arbeitsbedingungen gut und die Ansprüche an eine fachliche Betreuung der Kinder und Jugendlichen gewahrt werden können.

Und ohne die uneingeschränkte Solidarität aller Landkreise und kreisfreien Städte und der Verantwortung gegenüber den schutzsuchenden Jugendlichen wird es uns nicht gelingen, eine würdige und angemessene Unterbringung und Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen zu gewährleisten! Dies muss aber oberste Verpflichtung sein!

Mitglieder des Jugendhilfeausschusses der Stadt Leipzig

Sascha Matzke, Stadtrat, Freibeuter-Fraktion
Christina März, Stadträtin SPD-Fraktion
Martin Meißner, Stadtrat Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
Juliane Nagel, Stadträtin Fraktion Die Linke
William Rambow, Stadtrat Fraktion Die Linke
Michael Schmidt, Stadtrat Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, stellvertretender Vorsitzender

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption‘ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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Es gibt 9 Kommentare

Wenn Sie das Gefühl haben, dass ich mir wünschen würde, Sie würden hier nicht schreiben: Ganz im Gegenteil! Und wenn ich den Wunsch hätte, wäre es auch egal.
Es ging wirklich nur ums Gendern im Text. Nicht um Flüchtlinge oder Ihre Tätigkeit hier. Eigentlich war es zumindest im Versuch eindeutig geschrieben und nun noch mal klargestellt. Ich hatte ja auch nach Ihrer Erwartung gefragt, welcher Teil des Artikels für Sie diskussionswürdig wäre…

O.k. @Sebastian, ich habe mich entschieden hier zu schreiben und Sie sich das zu kommentieren. Müssen wir eben beide damit leben.

Ich ahne schon, dass Sie das ärgert. Ich bin mir nicht sicher ob ich damit zurecht käme, wenn meine Artikel in der Öffentlichkeit kommentiert würden; es reicht schon die ein oder andere Reaktion auf meine Kommentare hier. Man braucht dazu sicher viel Distanz und Gelassenheit, aber Sie haben sich ja nun mal dafür entschieden hier vermehrt als Autor aufzutreten. Dahinter werden doch vermutlich auch solche Abwägungen stehen, denke ich mir.
Das Artikelthema an sich wird ja nicht durch die Kommentare diskreditiert. Die Aufnahmeeinrichtungen sind voll, dieser Zustand sollte abgewehrt werden – was gäbe es da zu diskutieren? Was würden Sie sich da wünschen von der Leserschaft?

Nur leider ist Gendern eben ein Thema, was die Lesbarkeit, erst Recht die Lesefreude erheblich senkt, neben der unübersichtlichen Gestaltung/Gliederung im Artikel, was Zitate sind und was Ihre Textanteile. Deswegen wurde das angesprochen, und es bleibt bei aller langsamen Gewöhnung ein hässliches Thema, ein zahnloses Projekt der Intelligenzia, mit dem im Grunde gar nichts erreicht wird, aber Manches zugrunde geht. Und damit meine ich nicht nur “unsere schöne Sprache”.

Ihre wichtige Botschaft wird dadurch verringert, weil es umständlich ist sie zu lesen. WENN SIE DEN KOMPLETTEN ARTIKEL IN GROSSEN BUCHSTABEN GESCHRIEBEN HÄTTEN, DAMIT DIE WICHTIGKEIT DER BOTSCHAFT AUCH WIRKLICH RÜBERKOMMT, SO WIE ES FÜR MANCHE LEUTE OFFENBAR ENORM WICHTIG IST, DASS PERSONEN AUCH WEIBLICHEN GESCHLECHTS UND ALLER DAZWISCHEN LIEGENDEN GESCHLECHTER, INKLUSIVER DER NICHTGESCHLECHTLICHEN LEUTE GEMEINT SIND, WAS JA IM GENERISCHEN MASKULINUM GENAUSO AUSGEDRÜCKT WÄRE, UND DIE DESHALB DAS GENDERSTERNCHEN IN JEDES IHRER BETREFFENDEN WÖRTER EINFÜGEN, DANN WÜRDE DOCH AUCH BLOSS DIE LESBARKEIT LEIDEN. EIN HEHRER GEDANKE STEHT DAHINTER, DENN DIE HEIME SIND VOLL UND ES SOLL ETWAS GETAN WERDEN, DOCH ALLES WAS BLEIBT IST UNVERSTÄNDNIS ÜBER DIE ART DEN TEXT ZU GESTALTEN. Nur weil Sie sich entschlossen haben die bekannte, erlernte Schriftsprache eigenmächtig zu verändern. Um “die Botschaft” zu übertragen.
Sicher schade, aber einerseits völlig nachvollziehbar und auf der anderen Seite auch wiederum nicht, weil das Artikelthema ja an sich unstrittig blieb bei den bisherigen Kommentaren.

@Sebastian, der Ausdruck “impliziert” betreffs der UmA/UmF betrifft ja nicht Sie, sondern gilt allgemein für den Ausdruck. Ansonsten können Sie vielleicht verstehen, dass ich – ganz sachlich – nicht glücklich über die Kommentare, bei der Wichtigkeit des Themas für mich, war.

Hallo Herr Köhler,
der Inhalt des Kommentars gibt aus meiner Sicht lediglich den diskussionswürdigsten Aspekt des Artikels wieder, nicht den Wichtigsten.
Dass Sie in den Raum stellen, dass ich eventuell davon ausginge, dass jeder Ausländer ein Flüchtling sei, oder dass ich das Thema im Brief als unwichtig ansähe, finde ich wiederum merkwürdig bis traurig. Ich kenne Sie bisher als analytisch-sachlich.

Frau Köpping ist doch nur präsent wenn sie im Radio ihre Corona Maßnahmen erläutern kann. Ansonsten hört man nichts von ihr.

@Christian @Sebastian Ich bitte Sie hier zu beachten, dass die beschriebenen Formen des genderns, :*_, einerseits darauf beruhen, dass aus verschiedenen Quellen zitiert wird, andererseits im Orignaltext des Briefes verwendet werden. Der Autor kann diese nicht anpassen oder ändern, das widespräche den Zitierregeln. Die Erläuterung zu UmA erschien mir angebracht, weil der Ausdruck impliziert jeder Ausländer wäre ein Geflüchteter. Wenn Sie das anders sehen, dann ist das so. Ich bin natürlich nicht erfreut, dass bei diesem Thema, welches wirklich wichtig ist, gerade die Verwendung der verschiedenen Schreibweisen Ihnen am wichtigsten erscheint. Schade eigentlich.

Ist mir auch aufgefallen, wollte aber nicht schon wieder der Meckerer sein.
Zwischendurch im Text wird das Gendern als nicht so wichtig empfunden (“unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländern”), dann wieder bi-geschlechtlich (die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) ausgeführt, über den Rest haben Sie ja schon geschrieben. Ist wirklich ein gruselig, wie die Maßstäbe hier verschoben werden. Und wie sich der Sprachgebrauch weiter in zwei Bereiche auseinanderteilt: Dem offiziösen, moralisch sehenden Texten (“Die Bezeichnung UmA ist politisch strittig”) und dem, wie normale Leute miteinander reden.

Da lernt man in Deutschunterricht und späterer Anwendungspraxis auf Wortwiederholungen zu verzichten, lernt dafür sogar das Wort “Thesaurus”, man bildet Absätze und vermeidet Schachtelsätze, um die Lesbarkeit des Textes möglichst zu erhöhen und einen gewissen Stil zu halten. Und dann schaffen es wenige Engagierte irgendwie, dass sich die halbe (deutschsprachige) Welt um möglichst bunt gemischte Sonderzeichen mitten in den Wörtern kümmert, weil es ja sonst ungerecht sei.
Und der Doppelpunkt, bisher als Zeichen fürs Anhalten im Lesefluss, ist dabei für mich die Schlimmste der Varianten. Sehr schade, wie sich das durch vorauseilende Gehorsamkeit, bloß-keinen-Ärger-haben-wollen und Wegducken immer mehr verbreitet.

Bei allem Respekt für das Thema, aber die Genderinhalte lassen mich erschüttert zusammenzucken.

Erstens Ausländer_innen*
…da könnte man vielleicht auch noch einen Doppelpunkt o. Schrägstrich hinsetzen.

Und im offenen Brief gleich zwei verschiedene Formen:
Ausländer*innen vs. Sozialarbeiter:innen

Nichts ist geregelt.
Und jeder macht, was er will.
Gute Nacht, deutsche Sprache.

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