Irgendwie klappt es nicht so richtig mit der Digitalisierung – nicht in Deutschland und auch nicht in Leipzig. Jedenfalls laufen in den Büros der Leipziger Stadtratsfraktionen weiterhin Beschwerden von Bürgern auf zu unerfüllten Terminwünschen. Dabei sollte doch die Online-Terminvergabe die Sache endlich besser machen. Jetzt wollen die Grünen noch mal nachfragen.
Dabei hatte das Dezernat Allgemeine Verwaltung erst im Sommer in einer Stellungnahme zu einem CDU-Antrag („Bürgerfreundliche Öffnungszeiten städtischer Ämter und Behörden“) erklärt:
„Neben Online-Angeboten bieten nahezu alle Organisationseinheiten, die in nennenswertem Umfang persönlichen Bürgerkontakt absichern, die Online-Terminvergabe an, z. B. Bürgerservice, Stadtkämmerei, Stadtkasse, Ordnungsamt, Sozialamt, Amt für Jugend und Familie sowie das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege. Seit Einführung der (Online-) Terminvergabe ist die Auslastung und Effizienz der Organisationseinheiten erhöht, wenn Bürgerinnen und Bürger Termine vereinbaren und vereinbarte Termine wahrnehmen.
Der Service für Leipzigerinnen und Leipziger wird entscheidend dadurch erhöht, dass durch vorherige Terminvereinbarung nicht nur ein Termin garantiert wird, sondern auch Wartezeiten reduziert werden. Reduzierte Wartezeiten haben auch einen Sicherheitsaspekt, sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Bedienstete – Reduzierung von Kontakten, insbesondere großer Menschenmengen und Erleichtern des Abstandhaltens, Stichwort ‚Corona‘. Reduzierte Wartezeiten werden durch das schlichte Erweitern terminunabhängiger Öffnungszeiten nicht erreicht.“
Aber das scheint nicht automatisch zu funktionieren.
Warum nur online?
Obwohl die Pandemie weitestgehend hinter uns liegt, scheint die im Zuge der damals notwendigen Kontaktvermeidung vorgenommene Umstellung auf eine rein digitale Terminvergabe weiterhin Probleme mit sich zu bringen, kommentiert die Grünen-Fraktion die anhaltenden Beschwerden.
„Es ist den Leipzigerinnen und Leipzigern nicht mehr vermittelbar, warum sie für ihr Anliegen in einem Bürgeramt zwingend einen zuvor über das Internet oder das Bürgertelefon vereinbarten Termin ergattern müssen“, meint Stefanie Gruner, verwaltungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.
„Es kommen inzwischen wieder überall Menschen zusammen und deshalb sollte es auch wieder möglich sein, in einem Warteraum beim Bürgeramt gemeinsam zu sitzen. Zum Schutz vulnerabler Gruppen kann dabei eine Maskenpflicht gelten. Aus Gründen der Barrierefreiheit reicht die rein digitale Terminvergabe nicht aus. Auch der Verweis auf das Bürgertelefon greift zu kurz.
Zwar leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort viel und können den Anrufenden bei der Terminbuchung helfen, aber inzwischen sind gerade dort die Belastungsgrenzen weit überschritten. Ein stures Festhalten an diesem Terminsystem auch nach Auslaufen sämtlicher Pandemiebeschränkungen ist nicht nur weltfremd, es ist auch bürgerunfreundlich und sollte dringend geöffnet werden.“
Dabei sieht sie auch, dass die Personalsituation in den Leipziger Bürgerämtern keine einfache ist und es seit Monaten zahlreiche Bemühungen vor allem auch seitens der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bürgerämtern gibt, die Situation zu verbessern und mehr Termine anzubieten. So werden nun unter anderem auch in drei Bürgerämtern Samstags-Termine angeboten und somit der hohen Nachfrage an Terminen Rechnung getragen.
Ein besseres Terminbuchungssystem
„Das alles hilft aber wenig, wenn die grundsätzliche Barriere, Termine eben vorab in eingeschränkten Zeitfenstern vereinbaren zu müssen, beibehalten wird. Hier muss sich die Verwaltung auf die Bürgerinnen und Bürger zubewegen“, schätzt Stefanie Gruner ein.
„Neben einer Wiederherstellung der Möglichkeit, vor Ort auf einen Termin zu warten, sollte aber auch das Terminbuchungssystem selbst endlich verbessert werden. Vor einem reichlichen Jahr, am 13. Oktober 2021 beauftragte der Stadtrat auf Initiative unserer Fraktion die Stadtverwaltung damit, für alle Behörden, die Termine für Einwohner/-innen anbieten, ein Terminvergabesystem zu entwickeln, das es ermöglicht, nach einer einmaligen Online-Bedarfsanmeldung, die zu jeder Tageszeit möglich sein sollte, einen Termin für einen Behördengang zu bekommen.“
Ein Umsetzungsbericht zum Ratsbeschluss liegt gegenwärtig nicht vor, sodass auch die Einschätzung der Verwaltung noch fehlt, wie gut die Online-Terminvergabe tatsächlich klappt oder wo noch nachjustiert werden muss.
Stefanie Gruber: „Nur mit einem bürgerfreundlichen System wird die Akzeptanz der Online-Terminvergabe wachen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die meisten Leipzigerinnen und Leipziger die Vorteile eines konkret vereinbarten Termins zu schätzen wissen und auf Wartezeiten vor Ort gern verzichten. Solange das System aber erfordert, dass ich mich mehrfach zu genau bestimmten Uhrzeiten einlogge, um einen halbwegs passenden Termin zu finden, wird es weiterhin berechtigte Kritik geben.“
Weshalb die Grünen-Fraktion jetzt zur nächsten Ratsversammlung am 14. Dezember noch einmal nachfragt, wie die Sache steht.
Die Frageliste der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen:
1. Wie ist der Umsetzungsstand des Beschlusses zur Online-Terminvergabe vom 13.10.2021?
2. Wie wird beim aktuellen Verfahren die Barrierefreiheit für Menschen ohne digitalen Zugang gewährleistet?
3. Wie wird mit Menschen verfahren, die ohne Termin im Bürgerbüro erscheinen? Werden diese bei vorhandenen Kapazitäten in diesem Bürgerbüro bedient oder zumindest bei der Buchung des Termins zu einem späteren Zeitpunkt oder in einem anderen Bürgerbüro unterstützt?
Es gibt 9 Kommentare
@Urs
So habe ich das dort auch erlebt. Wenngleich der zuständige Mitarbeiter recht freundlich war, so wird man durch das Ambiente eher zum Bittsteller degradiert.
Natürlich sollen auch Amtsmitarbeiter einen Feierabend haben (von einem pünktlichen desselben träumen übrigens andere Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes).
Aber diese Abschottung und Eingrenzung finde ich schon befremdlich für einen Dienst, der FÜR Bürger da sein soll und worauf die Menschen zwingend angewiesen sind, wenn sie bürokratische Akte vollziehen müssen.
Es wäre womöglich etwas entspannter, würde im Onlinebereich mehr möglich sein und dort der aktuelle Stand der Technik einziehen.
Bürgerbüro vs. wirtschaftlich:
Das ist Daseinsfürsorge, teilweise erzwungen.
Wenn man etwa in der Otto-Schill-Straße (der Eingang ist am Dittrichring) ins dortige “Bürgerbüro” tappt, hat man es zunächst mit einem von extern hinzugezogenen Wachdienst zu tun (wie das ja auch auf der “Agentur für Arbeit” Usus geworden ist). Allein das Voranstellen des Wachdienstes, der m.E.n. auch gleich als erster Auskunftsdienst agiert, ist für mich jedenfalls bezeichnend: es gibt im Bürgerbüro eine erkennbare Burgenmentalität. Vom Schulamt, das zwar keinen Wachdienst an der Pforte betreibt, hörte ich ähnliches.
In der Autowerkstatt meines Vertrauens, die ich seit 1984 aufsuche, übrigens, kann ich nötigenfalls auch ohne Termin auftauchen. Die Jungs dort, die ich seitdem kenne, freuen sich erstens, mich zu sehen, und dann kann ich zweitens mein kleines putziges Auto im Bedarfsfalle immer dortlassen. Was für ein Entgegenkommen, was für ein Service!
Es freut mich übrigens zu lesen, daß User “TLpz” auch ein Auto hat.
@Christian
> “Allerdings ist zu vermuten, dass zum freien Erscheinen nur so viele Wartemarken zur Verfügung stehen, wie es Onlinetermine in diesem Zeitraum gegeben hätte. Sollen sich also nun die Bürger um die Reihenfolge vor Ort schlagen…Und das bis 11 Uhr, damit kein Open End zum Feierabend droht.”
Warum auch nicht? Die Mitarbeiter haben auch ein Anrecht auf einen Feierabend. Termine mache ich auch für viele andere Dienstleistungen. Mein Auto schaffe ich auch nicht mal ebenso zur Durchsicht sondern vereinbare einen Werkstatttermine oder einen Termin zur Dialogannahme.
> “Auslastung steuern ist zwar gut, wenn aber ein Großteil der Bevölkerung tagsüber arbeitet, konzentrieren sich Amtsbesuche auf bestimmte Zeiten.
Als Dienstleister muss man seine Servicezeiten dann entsprechend anpassen, statt den Leuten Termine aufzwingen zu wollen.”
Das ist nicht zu beobachten . Durch Home-Office und freiere Arbeitszeiteinteilungen hat sich da viel geändert. Letztendlich müssen auch die Bürgerbüros halbwegs wirtschaftlich betrieben werden können. Ich kann nicht überall eine Halle mit 20 Schaltern vorhalten, nur weil zwischen 16 und 18 Uhr ein paar mehr Besucher kommen und für den Rest des Tages sind nur 2 Schalter offen. Auch personalmäßig lässt sich sowas nicht abbilden. Und es gibt auch weniger ausgelastete Bürgerämter, wo man schneller Termine bekommt.
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Ich verstehe die ganze Aufregung nur bedingt: Gibt es keine Termine und man wartet sich in der Behörde dumm und dämlich, ist es nicht recht. Bietet man Termine an und versucht damit zu garantieren, dass der Behördenbesuch auch zeitlich nicht aus dem Ruder läuft, wird gemeckert, dass man vorher einen Termin machen muss…
Das ab 01/23 wusste ich tatsächlich noch nicht und ist für mich “neu”.
Allerdings ist zu vermuten, dass zum freien Erscheinen nur so viele Wartemarken zur Verfügung stehen, wie es Onlinetermine in diesem Zeitraum gegeben hätte.
Sollen sich also nun die Bürger um die Reihenfolge vor Ort schlagen…
Und das bis 11 Uhr, damit kein Open End zum Feierabend droht.
Ging die Onlinevergabe nicht zu Corona 2020 los? 2022 wurde dann auf ein neues System geändert.
Am Bürgertelefon wurde ich auf die Onlinevergabe verwiesen.
Auslastung steuern ist zwar gut, wenn aber ein Großteil der Bevölkerung tagsüber arbeitet, konzentrieren sich Amtsbesuche auf bestimmte Zeiten.
Als Dienstleister muss man seine Servicezeiten dann entsprechend anpassen, statt den Leuten Termine aufzwingen zu wollen.
@Christian
Es gibt keine zwingende Online- Terminvergabe. Termine sind auch telefonisch über das Bürgertelefon möglich. Seit 23. Januar 2023 ist es auch möglich, zu bestimmten Zeiten OHNE Termin im Bürgeramt vorbei zuschauen. Das dafür nur eine bestimmte Anzahl an Wartemarken zur Verfügung steht, ist im Zusammenhang mit der Terminvergabe ab 11 Uhr logisch. Man kann gerne kritisieren das es zu wenig Termine gibt oder die Freischaltung der Termine nicht lange genug im Voraus erfolgt. Aber Termine sind keine Erfindung der Corona- Zeit. Vielmehr versucht man damit, die Auslastung zu steuern. Macht mein Hausarzt mittlerweile auch…Zur Wahrheit gehört auch, das viele Termine, obwohl teilweise auch spontan am gleichen Tag noch vereinbart, nicht wahrgenommen und auch nicht abgesagt werden.
Die Kritik an einer zwingenden (!) Online-Terminvergabe teile und unterstütze ich.
Hier steht seit Corona nicht die ‘Effizienz’ im Mittelpunkt, sondern man hat es sich im Amt in der Bequemlichkeit eingerichtet und kehrt nicht in einen normalen Modus wie vor der Pandemie zurück.
Es gibt keinen verständlichen Grund, das Amt für die Bürger mit einer “Corona-Regelung” zu blockieren! Oder Herr OBM – nennen sie mir einen!
Der Modus der Onlineterminvergabe (mit fixen Zeiten) ist eine Unverschämtheit / Unfähigkeit und ein Affront für die hier wohnenden und darauf angewiesenen Bürger.
Es muss möglich sein, ungeplant zu erscheinen und warten zu können. Da ist auch der Gedanke einer Maskenpflicht im Wartebereich obsolet! Eine Maske darf jeder aufsetzen, wenn er mag und sich schützen möchte. Die Pandemie ist vorbei!
In jedem anderen Wartebereich beim Arzt , Bahnhof o.ä. sitzen Menschen beieinander.
Selbst hatte ich in letzter Zeit mehrere notwendige Amtskontakte: man schließt sich dort förmlich ein, im Standesamt gibt es keine direkten Vorsprechtermine! Angefragte Urkunden lassen sich nur mit NACHNAHME (!) bezahlen und die Bearbeitung dauert Monate!
Hier stimmt nicht nur etwas mit der Digitalisierung nicht; die gesamte Verwaltung scheint noch immer in der Corona-Pandemie zu verharren, ist völlig unterbesetzt oder hat es sich zur Aufgabe gemacht, den notwendigen Bürgerzugang vorsätzlich zu blockieren.
Ich habe ein minderjähriges Kind, dass für die Reisepassbeantragung anwesend sein muss. Ich bin voll berufstätig und kann zu der Onlineterminausgabe nicht pünktlich online gehen. Damit habe ich Wochen gebraucht, um einen Termin zu ergattern. Dafür muss ich sie von der Schule freistellen lassen.
Spontan früher nach Abeitsschluss oder Samstag kann man leider nicht hingehen. Schade, die Bürgerfreundlichkeit wurde aufgegeben für mehr Effizienz im Amt.
Ich habe ein minderjähriges Kind, dass für die Reisepassbeantragung anwesend sein muss. Ich bin voll berufstätig und kann zu der Onlineterminausgabe nicht pünktlich online gehen. Damit habe ich Wochen gebraucht, um einen Termin zu ergattern. Dafür muss ich sie von der Schule freistellen lassen.
Spontan früher nach Abeitsschluss oder Samstag kann man leider nicht hingehen. Schade, die Bürgerfreundlichkeit wurde aufgegeben für mehr Effizienz im Amt.
Die Online-Terminvergabe ist unter aller Katastrophe. Wenn man nicht auf die Sekunde genau zu den angebotenen Zeiten nach einem Termin sucht, hat man absolut keine Chance.