Nachdem die LZ mehrfach über die seltsame Duldungspraxis beim Falschparken in mehreren Leipziger Ortsteilen berichtet hatte, erreichte das Thema am 25. November auch die LVZ. Ein spätes Verwundern, wie die Verkehrswende Leipzig feststellt, die seit einigen Jahren diese besondere Wegschaupraxis des Leipziger Ordnungsamtes dokumentiert. Mitglieder der Gruppe stellten auch entsprechend deutliche Einwohneranfragen, die freilich ebenso häufig nur mit ausweichenden Floskeln beantwortet wurden.

Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Leipzig erzählen interessierten Bürgern schon seit Jahren, dass die Nichtahndung von Ordnungswidrigkeiten in bestimmten Bereichen „von oben“ angeordnet worden sei, kann auch Verkehrswende Leipzig feststellen. Der LVZ-Artikel stelle einen wichtigen Beitrag für die Beendigung dieser rechtswidrigen Praxis des Ordnungsamtes dar, benenne aber nicht den eigentlichen Skandal.

Allein im Jahr 2022 stellten Bürger der Stadt Leipzig viermal Einwohneranfragen an den Stadtrat zum Thema „Duldung des verbotswidrigen Parkens auf Gehwegen“. Viermal lautete die Antwort der Stadtverwaltung, es gäbe derartige Duldungen nicht. Was viermal nicht stimmte – und dies mit Wissen des zuständigen Dezernatsleiters, Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal.

Was dann auch der Grund dafür ist, dass mittlerweile eine Petition den Rücktritt des Bürgermeisters fordert.

Dass Heiko Rosenthal nichts von den „Duldungen“ gewusst haben will, bezweifelt Verkehrswende LE.

Unabhängig davon fragte im Sommer ein Leipziger in einer Einwohneranfrage, ob dem zuständigen Bürgermeister die Praxis der Duldung von Gehwegparkenden innerhalb des ihm unterstellten Ordnungsamtes bekannt sei. Darauf teilte die Stadtverwaltung mit: „Die vorstehenden Antworten widerlegen den Ausgangspunkt der Fragestellung an den zuständigen Bürgermeister und sind insoweit gegenstandslos.“

Angesichts der Faktenlage sei die Antwort vom 14. September falsch, so Verkehrswende LE. In diesem Zusammenhang wirke der Nachsatz „Eine Stellungnahme erübrigt sich.“ schlichtweg dreist.

Geduldetes Falschparken in Leipzig (Stand November 2022). Karte: Verkehrswende Leipzig
Geduldetes Falschparken in Leipzig (Stand November 2022). Karte: Verkehrswende Leipzig

Ermessensspielraum Null

Aber wie ist das mit den Ermessensspielräumen der Ordnungsamtsmitarbeiter, die immer wieder vorgebracht werden?

Laut LVZ erklärte Heiko Rosenthal in einer E-Mail an eine Landtagsabgeordnete, das Ermessen würde immer „im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten“ erfolgen.

Dies sei aber in Bezug auf die Duldungspraxis falsch, stellt Verkehrswende Leipzig fest „Durch die rechtswidrigen Anweisungen der Vorgesetzten wird der Ermessensspielraum in bestimmten Straßenabschnitten auf Null reduziert. Das bedeutet, dass Außendienstmitarbeiter keinen eigenen Ermessensspielraum mehr haben und untätig bleiben müssen. Diese Praxis des willkürlichen Handelns untergräbt das Prinzip des Rechtsstaates.“

Und damit kommt der Leipziger Stadtrat ins Spiel, der unter anderem die Aufgabe hat, das Handeln der Verwaltung zu kontrollieren.

Falls eine gezielte Duldung vorliege, habe die Verwaltung gegenüber dem Stadtrat und der Öffentlichkeit mit Wissen und Akzeptanz Rosenthals mehrfach die Unwahrheit gesagt, so Verkehrswende LE.  „Mit ihrem Amtseid haben sich die Verantwortlichen verpflichtet, Verfassung und Recht zu achten und zu verteidigen sowie Gerechtigkeit gegenüber allen zu üben.“

Verkehrswende Leipzig fordere daher den sofortigen Rücktritt von Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal. Darüber hinaus halte es die Initiative für unabdingbar, „die für die Lügen sowie die Praxis der Duldung des Falschparkens Verantwortlichen schnellstmöglich freizustellen und jene Praxis umgehend zu beenden“.

Diese Verantwortung verteile sich auf alle Leitungsebenen: Angefangen von einigen Dienstgruppenleitern der Außenstellen der Verkehrsüberwachung, über den Sachgebietsleiter ruhender Verkehr, die stellvertretende Amtsleiterin bis hin zum Leiter des Dezernates III, Heiko Rosenthal. Und möglicherweise auch auf den neuen Amtsleiter merkt Verkehrswende Leipzig noch an.

Zeit für einen Untersuchungsausschuss

Angesichts dieser komplexen Sachlage hält Verkehrswende Leipzig auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses für erforderlich, um die offensichtlichen Missstände im Ordnungsamt aufzuklären. In diesem Gremium müssten die Ursachen für die Dysfunktionalität der Überwachung des ruhenden Verkehrs sowie die Untergrabung der demokratischen Grundsätze aufgeklärt werden.

Um das Ausmaß des Problems zu visualisieren, hat Verkehrswende Leipzig eine Karte erstellt. In dieser sind Abschnitte eingetragen, in denen Falschparken augenscheinlich geduldet wird oder wurde. Es sind nicht „mehr als 20 Straßen“, wie die LVZ schreibt, sondern mehr als 70. Mancher geht sogar von mindestens 100 Straßen aus, in denen es eine solche Duldungspraxis gibt.

Rot dargestellt sind Abschnitte, in denen Falschparken geduldet wird, grün Abschnitte, in denen die Duldung mittlerweile aufgehoben wurde. Als Quellen für den Eintrag in die Karte dienten Gespräche mit Bürgern und Außendienstmitarbeitern sowie Social Media, öffentliche Berichterstattungen, eigene Beobachtungen und Satelliten- und Streetview-Fotos, so die Initiative.

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Es gibt 8 Kommentare

Das Problem ist doch nicht, dass wir in Sachen Verkehr umsteuern müssen, das ist glaube ich vielen, wenn nicht allen, klar.
Aber das geht nicht mal eben ad hoc.
Gestern noch 50 Parkplätze – jahrlang geduldet, heute auf einmal keine mehr.
Das kann man auch behutsamer lösen.
Warum nicht jeder Haushalt ersteinmal maximal ein Auto? Für jedes weitere muss ein Stellplatz nachgewiesen werden. Dazu zählen dann auch Dienstwagen.
Neuanmeldungen nur, wenn ein Stellplatz nachgewiesen wird. Wer umzieht und ein Auto hat – Stellplatz nachweisen.
Allen Wohnwagen / Wohnmobilen das Parken im öffentlichen Raum verbieten.
So bekommt man das Stück für Stück in den Griff.

@John Horloge Die “Parkregeln” regelt die StVO. Wer damit nicht zurecht kommt, sollte kein motorisiertes Fahrzeug führen.
Für Alternativen sorgt die Stadt im Rahmen der vor drei Jahren beschlossenen Verkehrswende. Diese Alternativen sind Fuß- Rad- und ÖPNV-Verkehr. (Wollteste jetzt nicht lese, wa?)
Und um einen Stellplatz haben sich die Fahrzeugführenden zu kümmern, nicht die Öffentlichkeit, hier die Stadtverwaltung. Wenn sich dann kein Privater findet, der Dir einen Parkplatz baut, dann liegts wohl daran, dass Du dafür nix bezahlen willst, weil auf der Straße ists ja billiger.
Du schaust Dir das Pferd leider von hinten an. Du solltest den Gaul dringend mal rumdrehen.

@John Horlogesays:
“dass man sich doch um einen Stellplatz kümmern könnte”
Das habe ich nicht so gesagt. Also beides nicht. Als ich nach Leipzig gekommen bin, habe ich darauf geachtet eine Wohnung zu mieten, die über einen Stellplatz verfügt. Den das Problem ist nicht neu und auch nicht nur in Leipzig. Das Problem ist ja auch, die Leute wissen in welcher Straße sie wohnen und kaufen sich trotzdem ein Auto. Den um den Parkplatz müssen sich ja andere kümmern. Bei dem Verweis auf die Stadt bin ich einer Meinung mit Ihnen, ganz raus sind die Bewohner aber auch nicht. Jeder denkt nur an sich selber. Ich fahre nur selten mit dem Auto auf Arbeit, trotzdem habe ich am Wohnsitz und am Arbeitsort einen Parkplatz. Ich würde noch nicht mal auf die Idee kommen mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, ohne zu wissen das ich es dort abstellen kann.

Das Verhalten des Ordnungsamtes ist ja auch nur ein Symptom der verfehlten bzw. nicht vorhandenen Verkehrspolitik und dieses jetzt anzugreifen, wird nur dazu führen, dass Anwohner rigoros abgestraft werden, wenn sie vor ihrer eigenen Haustür keinen Parkplatz finden. Da wird immer so getan, als würden sich Leipzigs Parkplatzprobleme in Luft auflösen, wenn denn nur die Parkregeln eingehalten würden. Welche Parkregeln? Es gibt oftmals in viel zu engen Straßen, die noch dazu von jedem durchfahren werden dürfen, weder eine Parkordnung, noch eine eindeutige Beschilderung. Und es gibt keine Alternativen. Zu behaupten (wie einer der Kommentatoren hier), dass man sich doch um einen Stellplatz kümmern könnte, wenn man nicht aus Bequemlichkeit und Geiz darauf verzichten würde, ist bestenfalls Ignoranz der Verhältnisse, wahrscheinlich aber einfach eine Frechheit.
Also, liebe “Verkehrswende Leipzig”, sehen Sie zu, dass das Leipziger Stadtparlament und die zuständigen Ämter endlich mit vernünftigen Lösungen den ruhenden Verkehr in Leipzig neu ordnen, statt vom Ordnungsamt zu verlangen, dass man dort Anwohner rigoros abstraft, nicht nur für ihre Parkvergehen, sondern auch gleich noch für die Versäumnisse ihrer Stadtregierung.

Ich hoffe mal das Leipziger Ordnungsamt wird nicht so bald vom zahnlosen Tiger zu einer effektiven Überwachungsmaschinerie der Bürger werden. Kleine FLuchten sollten auch dem autofahrenden Mensch erlaubt sein, so wie dem radfahrenden Mensch oder dem zu-Fuß-gehenden Mensch.

Mißstände die Parksituation betreffend gibt es seit es Fahrzeuge gibt. Und entsprechend viel unterschiedliche Lösungsansätze.
Mich interessiert allein, welche Lösungsansätze nun eingeschlagen werden sollen – irgendwelche Schuldzuweisungen wer hier was versäumt oder absichtlich nicht getan haben soll, finde ich kindisch und unwürdig.

Mein Großvater ist noch losgezogen und hat Falschparker und Verkehrssünder (seiner Ansicht) noch eigenhändig angezeigt. Mein Gott, was das meiner Großmutter peinlich.

Irgendwie vermisse ich die “Parkplätze” von Teilauto Station August-Bebel-Straße/ Richard-Lehman-Straße. Die fahren auch über den Fußweg.
Natürlich müssen wir von den vielen Autos in der Stadt weg, nur sagt das keiner direkt und wen es betreffen sollte. Ich frage mich sowieso wie man eine Wohnung mieten kann, ohne sich um einen Stellplatz zu kümmern. Natürlich kostet der Geld, aber wer sich das nicht leisten kann, sorry.
Am Ende ist das ein Grund mehr in den sogenannten Speckgürtel zu ziehen, ÖPNV genau so gut wie in der Stadt (Mit der S-Bahn 15 min bis Innenstadt ab Böhlen), dazu genügend Platz für eigenes Auto und für das von Besuch.
@Ralf Julke:
Was mich eigentlich an diesem Artikel etwas irritiert, was soll das immer mit der LVZ. Haben sie einen persönliche Groll auf die Zeitung, oder was. Noch haben wir Meinungsfreiheit.

Falls jemals ein (ehrliches) Ergebnis der Anfragen herauskommen sollte, wird es trotzdem eher enttäuschend werden. Ein Wechselspiel aus dem Weg des geringsten Widerstandes, aus “Das haben wir schon immer so gemacht”, internen Märchen und vielleicht ein paar unbedachten Festlegungen von Oben.
Parken vor Baumscheiben wird, obwohl verboten (KG Berlin, 3 Ws (B) 253/80), ignoriert und führt doch zu deutlich eingeengten Verkehrsräumen. Genauso Parken in unterbrochenen Kreuzungsbereichen wie zwischen den beiden Fahrbahnen der August-Bebel-Straße, obwohl hier sogar der Regelfall des Umsetzens vorliegt. Von daher ist die Karte eher als ehrenamtliches Open Source-Projekt zu begreifen. Jeder kann auf den eigenen täglichen Wegen schauen, ob dort Falschparken geahndet wird.

Das Leipziger Ordnungsamt war/ist seit Jahrzehnten ein zahnloser Tiger. Oftmals im Sinne der Bürger, welche lieber auf dem Gehweg vor der eigenen Haustür parken wollen, statt freie Gehwege vorzufinden. Das funktiert so lange gut, wie sich die Ansprüche nicht ändern. Will jemand plötzliche sichere Schulwege, Radverkehrsanlagen, freie Wege für körperlich Behinderte oder offene Rettungswege, offenbaren sich die Mängel eines solchen Gleichgewichts. Denn vielleicht will die Mehrheit einfach stumpf dort parken, wo es am bequemsten ist und wird durch das Wegschauen des Ordnungsamtes dabei unterstützt, aber gerade die Schwachen der Gesellschaft müssen dafür klein beigeben. und dies kann kein Dauerzustand sein. Schließlich steht auch das Ordnungsamt im Dienste auch jener Bürger.

Rücktritt, Untersuchungsausschuss und Freistellungen: Super, dann haben wir erst mal keine Verwaltung mehr in diesen Positionen. Da macht sich eine Lobbygruppe gegen Autos definitiv wichtiger als sie ist!
Natürlich gehören krasse Zustände beendet. Es waren schon Bilder zu sehen, auf denen vor lauter Autos kein Gehweg mehr zu erkennen war. Über den Fußweg Rollen zum Parkplatz kann es auch nicht geben.
Aber unter der Brücke zur Auffahrt B2, “Kreuzung” Schleußiger Weg…Leute, also wenn das nicht das einzige Beispiel der künstlichen Aufregung ist, dann kann einiges an Farbe von der Empörungskarte runter. Und ganz sicher müssen nicht ganze Personalstämme gehen, damit sich etwas ändert, sondern man muss nur einfach den Reformprozess, der begonnen hat, weitertreiben. Das kann der Stadtrat zum Beispiel tun.

Ansonsten muss ich zugeben, fasziniert mich bei diesem Katz-und Maus-Spiel zwischen Amt und Engagierten tatsächlich auch manchmal der Einfallsreichtum des Amtes. Andererseits: Niemand hat diese Leute gezwungen einen erheblichen Teil ihrer Freizeit damit zu verbringen, die Ämter mit Anfragen und Eingaben zu beschäftigen, Anwohner zu befragen, die interne Amtsstruktur samt namentlicher Besetzung zu analysieren und per “social media” und Google maps Ermittlungsarbeit zu leisten. Wer das Spiel anfängt, ist dann halt Teil des Spiels.

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