Mit der Energiewende in Deutschland klemmt es hinten und vorne. Und selbst die konservativsten Medien dreschen inzwischen auf die aktuelle Bundesregierung ein, warum sie bei dem Thema nicht in die Pötte kommt. Als könnte die im Federstreich reparieren, was vier Regierungen vorher verbockt und ausgebremst haben. Und natürlich klemmt es auch in Leipzig. In der Ratsversammlung am 9. November war das Thema. Denn den Leipziger Grünen geht es nicht schnell genug.

Was sie sich an diesem Tag gleich mehrfach sagen lassen mussten – von ganz links und von ganz rechts. Aus unterschiedlichen Gründen. Denn die Rechtsaußen im Stadtrat demonstrierten an diesem Tag in Gestalt von Siegbert Droese einmal mehr, dass sie die Nachrichten in den von ihnen konsumierten Medien nur sehr selektiv wahrnehmen.

In diesem Fall eine Meldung der konservativen Stadtzeitung LVZ, die am 15. September Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer mit der Aussage zitierte, die Energiewende sei gescheitert.

Was auch Kretschmer inzwischen revidiert hat. Und Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der an diesem Tag den Antrag, Leipzig solle sich am „Wattbewerb“ beteiligen, vorbrachte, konnte zurecht darauf verweisen, dass die Stadtratsmehrheit in Leipzig hinter der Energiewende steht. Denn die unterstützte den Beschluss zum Energie- und Klimaschutzprogramm, welchen der Stadtrat im Oktober gefasst hat.

Seltsame Missverständnisse über das Funktionieren von Demokratie

Das wird sowieso ein riesiges Handlungsprogramm für die Stadtverwaltung, die darin beschlossenen Maßnahmen nun auch umzusetzen, damit Leipzig bis 2040 klimaneutral wird. Und in gewisser Weise hatte Michael Neuhaus aus der Linksfraktion vollkommen recht, wenn er den Grünen jetzt zu viel Aktionismus vorwarf.

Auch wenn es wohl nicht stimmt, dass die Grünen in Leipzig jetzt auszubügeln versuchen, was im Bund und auf Landesebene nicht klappt. Wo sie ja bekanntlich ausgebremst werden von sehr, sehr bürgerlichen Koalitionspartnern.

Es gilt zwar irgendwie, wie CDU-Stadtrat Michael Weickert meinte, der Spruch vom „mitgefangen, mitgehangen.“

Aber ganz so einfach funktioniert Politik schlicht nicht, wenn sich drei völlig verschiedene Koalitionspartner irgendwie auf Kompromisse einigen müssen.

Irgendwie scheinen auch etliche Leipziger Stadträte vergessen zu haben, dass Demokratie gerade dann, wenn sie Ergebnisse liefern soll, ohne Kompromisse nicht funktioniert. Dass sie von Kompromissen lebt und auch die ehrgeizigsten Politiker in saure Zitronen beißen müssen, wenn sie nur einen Teil dessen umgesetzt bekommen, was auf ihrer Agenda steht. Dann klappt es auch mit der Energiewende.

Aber die Radikalisierung, die von großmäuligen Populisten vorangetrieben wird, scheint auch hier ihre Wirkungen zu entfalten und brave kleine Leipziger Stadträte davon träumen zu lassen, dass ihre Partei künftig wieder allein durchregieren wird. Was weder im Bund noch in Sachsen zu erwarten ist.

Knappe Ressourcen

Reden wir also über Kompromisse. Die in einer Stadt wie Leipzig auch dann greifen, wenn es schlicht um finanzielle und personelle Ressourcen geht. Mit dem Argument, dass das zusätzliche Personal für eine Teilnahme am „Wattbewerb“ fehlt, hatte ja die Verwaltung den Grünen-Antrag, Leipzig auch in diesem Wettbewerb starten zu lassen, abgelehnt.

Was Jürgen Kasek mit dem Hinweis darauf, dass die Stadt ja sowieso den Auftrag hat, ein Solardachkataster zu erarbeiten, für nicht ausschlaggebend erklärte. Denn wenn es das Kataster endlich gibt, hätte man ja auch einen Überblick über die installierte Solarleistung in Leipzig.

Aber braucht es da noch die Teilnahme an einem „Wattbewerb“, in dem man dann Stuttgart und Dresden die lange Nase zeigen kann?

Nein, befand die Stadtratsmehrheit und lehnte den Antrag der Grünen ab.

Wo ist die Taskforce abgeblieben?

Und so ähnlich erging es dann auch dem Antrag zur Einrichtung einer Taskforce Energiewende, den die Grünen sogar noch einmal umgeschrieben hatten.

Völlig überflüssig, meinte Linke-Stadtrat Michael Neuhaus, der von der eigentlich gewünschten Taskforce gar nichts mehr im Antrag fand. Manchmal können auch Neufassungen von eigentlich gut gedachten Anträgen in die Hose gehen und wahrscheinlich hätte Grünen-Stadtrat Tobias Peter, der den Antrag vorstellte, gut daran getan, einfach den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung zu stellen.

Denn die Verwaltung hatte den Grünen-Vorstoß sogar begrüßt und eine Struktur für diese Taskforce vorgeschlagen, welche die Planungs- und Umsetzungsprozesse in der Energiewende beschleunigen soll.

Aber das tat Peter dann leider nicht. Neuhaus beantragte die punktweise Abstimmung des Grünen-Antrags. Und durchgekommen ist am Ende ein einziger Punkt: „Bei Genehmigungsverfahren von Anlagen für Erneuerbare Energien ist im Rahmen der Schutzgüterabwägung dem Grundsatz zu folgen, dass die Errichtung und der Betrieb erneuerbarer Energien als vorrangiger Belang im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient.“

Energiewende braucht Vorrang

Da stimmte auch die Linksfraktion zu und machte damit deutlich, dass die Mehrheit im Stadtrat eigentlich genau dasselbe Gefühl hat, das Kasek und Peter umtreibt: Der Ausbau der Erneuerbaren geht auch in Leipzig viel zu langsam voran. Egal, ob es die Fotovoltaik auf Dächern oder Parkplätzen ist oder die Ausweisung von Vorrangflächen für 30 neue Windkraftanlagen.

OBM Burkhard Jung merkte dazu an, dass sich die Landesdirektion längst bereit sah, genau diese Vorrangregelung in Anwendung zu bringen, auch wenn es das in Aussicht gestellte Gesetz der Bundesregierung noch nicht gibt.

Zweifellos dauert es nämlich eine gefühlte Ewigkeit, bis aus einer Koalitionsvereinbarung auch ein gerichtsfestes Gesetz wird. Und das wird es sein müssen, denn dann haben andere Rechtsgüter auf einmal geringeren Status – Denkmalschutz zum Beispiel.

War das also eine doppelte Niederlage für die Grünen? Oder gar ein Triumph für die Leute im Stadtrat, die wider besseres Wissen behaupten, die Energiewende sei gescheitert?

Nicht wirklich.

Denn das Energie- und Klimaschutzprogramm ist ja seit Oktober Beschlusslage. Das muss die Verwaltung umsetzen. Und Michael Neuhaus hat recht: Die darin aufgeschriebenen Leistungen an Fotovoltaik erst einmal zu installieren, wird alle Kraft brauchen. Die Verwaltung täte also gut daran, tatsächlich die ursprünglich von den Grünen beantragte Taskforce einzurichten und alle Planungs- und Bewilligungsprozesse zu beschleunigen, so gut das geht.

Und da sie sich auch zur Berichterstattung verpflichtet hat, sollten die Leipziger/-innen mit dem Solardachkataster auch aktuell erfahren, wo Leipzig beim Ausbau insbesondere der Fotovoltaik steht. Und wie der Ausbau tatsächlich vorwärtsschreitet.

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