Seinen „Bericht des Oberbürgermeisters“ nutzte Burkhard Jung in der Ratsversammlung am Donnerstag, dem 10. November, um wenigstes grob skizziert aufzumalen, was da 2023 auf den Leipziger Haushalt zurollen wird. Und auf die Leipzigerinnen und Leipziger. Denn: „Wir werden alle weniger Geld im Portemonnaie haben.“ Das Entlastungspaket der Bundesregierung, das ab März 2023 greifen soll, wird nur einen Teil der massiv gestiegenen Energiekosten auffangen.

Und Gesetz ist es auch noch nicht, auch wenn sich Bund und Länder Anfang November darauf verständigt haben, in welcher Höhe die gestiegenen Energiekosten – vor allem bei Strom und Gas – gedeckelt werden sollen. Die Stadtwerke Leipzig (SWL) haben ja schon gemeldet, wie sich das ab 2023 auf die Preise der Stadtwerke-Kunden auswirken wird. Die entsprechenden Informationsbriefe sind an die Kunden der SWL ausgeschickt, betonte auch Jung am Donnerstag.

Entlastungen erst ab 1. März 2023

Er hob aber zugleich hervor, dass viele Privathaushalte die Entlastungen erst mit der Jahresabrechnung für 2022 spüren werden, die in der Regel bis Sommer / Herbst von den Vermietern erstellt werden. Denn es hängt ein riesiger Rattenschwanz an Bürokratie daran. Vor März 2023, so betonte er auch aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Städtetages, werden es die örtlichen Versorger gar nicht schaffen, das Gesetz auch in ihre konkreten Preiskalkulationen umzusetzen. Das heißt: Die schon vorher erhöhten Energiekosten werden bei den Endverbrauchern ungedeckelt aufschlagen.

Da werden lediglich die für Dezember geplanten Abschlagszahlungen an alle Privathaushalte eine Art Puffer sein, um die Monate bis März zu überstehen. Diverse Forderungen, Gas- und Strompreisdeckel schon im Februar oder gar im Januar umzusetzen, erteilte Jung eine Absage. „Das werden wir einfach nicht schaffen.“

Denn erst einmal müssen die Beschlüsse von Bund und Ländern auch in Gesetzesform verabschiedet werden. Damit rechnet Jung Mitte November. Im Dezember, so schätzt er auch aus Leipziger Sicht ein, „werden wir handlungsfähig sein.“ Dann können tatsächlich die realen Energiepreise ab März erstellt werden.

Mehrbelastung für die Stadt: bis zu 30 Millionen Euro

Was aber schon jetzt klar ist, sind die massiven Mehrbelastungen im städtischen Haushalt. Bis zu 30 Millionen Euro werden 2023 auf die Stadt Leipzig als Energiemehrkosten zukommen, bestätigte Jung, 15 bis 20 Millionen Euro davon allein auf den Kernhaushalt der Stadt. Dazu kommen dann noch die Mehrkosten etwa bei den Freien Trägern, die auch geregelt werden müssen. Auch hier sei die Stadt gefordert, denn das können etwa die Träger von Kindertagesstätten nicht aus eigener Kraft stemmen.

CDU-Stadtrat Michael Weickert nutzte die Gelegenheit, um jetzt auf die Grünen-Fraktion einzuhacken, die den Doppelhaushalt 2023 / 2024 mit Änderungsanträgen nutzen möchte, auch in wichtigen Kernbereichen der Stadt umzusteuern – etwa in der Klimapolitik.

Aber da rügte selbst Jung den Heißsporn aus der CDU-Fraktion, dass diese Diskussion in den Erweiterten Finanzausschuss des Stadtrates gehört und nicht in diese Ratsversammlung. Die entscheidende Ausschusssitzung zum Doppelhaushalt 2023 / 2024 wird am 14. Januar sein. Da werde auch die Verwaltung genauer wissen, wie groß die Spielräume im nächsten Doppelhaushalt tatsächlich sind. Dort wird ebenfalls geklärt, was von den vorgelegten Haushaltsanträgen der Fraktionen übernommen werden kann und was nicht. Denn Ziel müsse es sein, dass Leipzig wieder einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegt.

Genehmigungsfähig heißt in der Regel auch: ausgeglichen. Und zwar so, dass die Genehmigungsbehörde, die Landesdirektion Sachsen, im Sommer ihren Genehmigungsstempel gibt.

Neues Wohngeld ab 1. Januar, Fragezeichen ÖPNV

Dabei wissen die meisten Stadträte, dass die Stadt sogar jetzt schon investieren muss. Zum Beispiel in 30 zusätzliche Stellen für die Wohngeldbearbeitung, denn auch das Wohngeld ändert sich ja zum 1. Januar. Dann sind deutlich mehr Leipzigerinnen und Leipziger mit niedrigem Einkommen berechtigt, Wohngeld zu beziehen. Und das werden im Angesicht der steigenden Preise für Energie und Lebenserhaltung viele Haushalte tun müssen. Sodass die Stadt, so Verwaltungsbürgermeister Ulkrich Hoerning, schon begonnen hat damit, diese Stellen zu besetzen.

Und ein ganz großes Fragezeichen sieht Burkhard Jung bei der Finanzierung der LVB. So sehr er den Paradigmenwechsel im ÖPNV begrüße, der mit dem 49-Euro-Ticket kommen soll. Aber auch dessen Einführung sieht er nicht vor März 2023. Denn die Finanzierungsfrage ist noch nicht wirklich geklärt. Die 1 Milliarde Euro mehr Regionalisierungsmittel, die der Bund bereitstellt, reichten lediglich zur Aufrechterhaltung des Status quo, so Jung. Und wenn das 49-Euro-Ticket auch noch monatlich kündbar ist, werden den LVB sogar Mehrkosten entstehen, die nicht abgedeckt sind.

Eigentlich hätte der ÖPNV nach Berechnungen des Deutschen Städtetages jetzt 1,7 Milliarden Euro zusätzlich gebraucht.

Trotz allem Anlass zur Zuversicht?

Und auch die Zahlen, wie das Entlastungspaket des Bundes den städtischen Haushalt tatsächlich entlastet, konnte er am Donnerstag nur überschlägig geben. Er bezifferte die Summe auf sechs bis acht Millionen Euro, also nur einen Bruchteil der absehbaren Mehrkosten.

Dass viele Menschen mit der aktuell schon spürbaren Inflation und den absehbaren Mehrkosten bei Energie Ängste und Sorgen haben, würde er nur zu gut verstehen. Aber er betonte auch seine Überzeugung, dass der Energiepreisdeckel helfen werde und es Anlass zu Zuversicht gebe.

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