Am Mittwoch, dem 14. September, übergaben OBM Burkhard Jung und Finanzbürgermeister Torsten Bonew dem Stadtrat den Entwurf für den Doppelhaushalt 2023/2024. Ab jetzt darf die Stadt nichts mehr dran ändern. Änderungen sind jetzt ganz allein das Hoheitsrecht der Ratsversammlung. Aber Burkhard Jung hat schon jetzt eine ganz große Bitte: „Möglichst keine Extra-Wünsche diesmal.“ Denn kein Haushalt der vergangenen Jahre war so von Gefahren umgeben wie dieser. Und es sind nicht mal alle eingerechnet.
„Erneut müssen wir in Leipzig unseren Haushalt unter sehr unsicheren Vorzeichen aufstellen. Nach der Pandemie der vergangenen Jahre sind es jetzt vor allem die explodierenden Energiekosten, die uns herausfordern. Dennoch wollen wir weiterhin investieren – in Schulen, in Kitas, in klimafreundliche Mobilität“, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung am Mittwoch.
„Mit einer durchdachten Haushalts- und Finanzpolitik möchten wir als Stadt zur Stabilisierung beitragen und in turbulenten Zeiten für Sicherheit in der Region sorgen. Bei den laufenden Kosten – im sogenannten Ergebnishaushalt – ist aber Disziplin gefordert.
Es soll im nächsten Doppelhaushalt keine Kürzungen geben, wir werden aber nicht alle Erhöhungen zum Beispiel durch Preiserhöhungen ausgleichen. Es ist wichtig, aus Krisen gestärkt hervorzugehen und den Blick auf künftige Aufgaben zu richten, auch im Sinne der nächsten Generationen.“
„Mein schwierigster Haushalt“
Der Ukraine-Krieg prägte schon die Monate, in denen Bonews Dezernat den neuen Doppelhaushalt erarbeitete. Und schon das hatte seine Schwierigkeiten, steckt Leipzig doch in einem riesigen Investitionsstau, müsste jedes Jahr Infrastrukturprojekte von 450 Millionen Euro umsetzen. Aber das kann die Stadt nur mit Krediten. Nur: Die Spanne, die Leipzig dafür nach den Maßgaben der Landesregierung zur Verfügung stehen, ist viel zu eng.
„Es ist mein neunter Haushalt“, sagt Bonew. „Aber es ist auch mein schwierigster.“
Nie war das wirtschaftliche Umfeld für Leipzig in den vergangenen Jahre so schwierig einzuschätzen. Niemand weiß, ob die Energiekrise nicht auch die Leipziger Wirtschaft aus den Schuhen hebt und zu massiven Steuerausfällen führt, die ein riesiges Loch in die nächsten beiden Haushalte reißen.
Trotzdem entschloss sich die Verwaltung, lieber einen Doppelhaushalt mit riesigen Fragezeichen vorzulegen als zu riskieren, mit einer provisorischen Haushaltsführung einen Ausgabenstopp in fast allen Bereiche verhängen zu müssen.
Im Juli band Bonew den Sack also lieber zu, verhandelte lieber mit der Landesdirektion über die Spielräume, die Leipzig noch bleiben, um 2023 und 2024 genehmigungsfähige Haushalte zu bekommen.
Der Haushalt umfasst für jedes der beiden Jahre in Summe rund 2,3 Milliarden Euro, das Investitionsprogramm ist mit rund 456 Millionen Euro für 2023, rund 493 Millionen Euro für 2024 eines der größten seit 1990. Und das ist Burkhard Jung wichtig – auch als Signal an die heimische Wirtschaft – dass Leipzig auch in der Krise weiter investiert. Den größten Batzen davon in neue Schulen. Eigentlich eine Pflichtaufgabe. Aber finanzieren muss es Leipzig größtenteils aus eigener Kraft.
Finanzbürgermeister Torsten Bonew sagte zu diesem Balanceakt: „Die Aufstellung des Doppelhaushaltes ist in diesen Zeiten keine leichte Aufgabe. Gegenwärtig scheint es so, dass eine Abfolge von Krisen zur ‚Normalsituation‘ wird. ‚Kurs halten, Krisen bewältigen‘ beschreibt – so komisch es klingen mag – den Fokus des Haushaltsplanentwurfes. Einerseits scheint die Haushaltslage gut. Andererseits ist die Situation von extrem hoher Unsicherheit und sehr schwer kalkulierbaren Risiken geprägt.
Im Einzelnen sind das die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts, rasant steigende Kosten für Rohstoffe und Energie. Dazu kommt eine Verschärfung des Fachkräftemangels sowie die bestehenden Probleme bei Zuliefernetzwerken. In Anbetracht dessen ist ein klarer Finanzrahmen Voraussetzung für einen genehmigungsfähigen Haushalt.
Im Klartext: keine konsumtiven Ausgaben oder zusätzlichen Ausgabenwünsche, gezielte Priorisierung von Schwerpunkten, kein Überschreiten der Verschuldungsgrenze sowie eine realistische Investitionsplanung. Wir als Stadt stehen auf Messers Schneide. Wir haben einen Punkt erreicht, wo wir noch in wichtige Zukunftsvorhaben investieren können.
Für mehr gibt es keine Spielräume, sonst bewegen wir uns in eine Schieflage und können geplante Investitionsmaßnahmen nicht mehr umsetzen. Wir stehen vor zwei äußerst anspruchsvollen Jahren in Bezug auf die städtischen Finanzen. Natürlich verbinden wir mit diesem Doppelhaushalt aber auch die Hoffnung, dass den benannten Risiken auch Chancen gegenüberstehen.“
Was Leipzig 2023 und 2024 investieren will
Der finanzpolitische Fokus bei den geplanten Investitionen liegt unter anderem auf dem weiteren Ausbau von modernen und attraktiven Schulen (438 Mio. Euro) und Kitas (75 Mio. Euro) sowie der Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung (153 Mio. Euro). Für die Mobilität und ÖPNV sind 76 Mio. Euro eingeplant, für Wirtschaft und Tourismus 23 Mio. Euro. Die Sportförderung erhält 19 Mio. Euro – zum Beispiel für den Bau von dringend benötigen Sporthallen.
Die Natur- und Landschaftspflege inklusive Umweltschutzmaßnahmen wird mit 47 Mio. Euro ausgestattet, darunter etwa die Gestaltung des Elstermühlgrabens mit 5,9 Mio. Euro, das Programm „Zukunft Stadtgrün“ mit 5,5 Mio. Euro, für schönere Parkanlagen werden 3,3 Mio. Euro und für Spielplätze werden rund 5 Mio. bereitgestellt. Der Saale-Elster-Kanal-Radweg erhält 2 Mio. Euro sowie zusätzliche 1 Mio. Euro für Maßnahmen aus dem neuen Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP).
Die Kultur und Wissenschaft erhalten 37 Mio. Euro, darunter unter anderem das Naturkundemuseum und der Zoo Leipzig mit jeweils 6 Mio. Euro. Auch für die Sicherheit und Ordnung wird mit 27 Mio. Euro etwas getan, teilt die Stadt mit.
Für die räumliche Planung und Entwicklung werden 18 Mio. Euro bereitgestellt, darunter der Parkbogen Ost mit 6 Mio. Euro und für das Projekt Soziale Stadt Grünau mit 1,6 Mio. Euro.
Erstmals ein Bürgerhaushalt
Neu in diesem Jahr war die Einführung eines Bürgerbeteiligungsverfahrens am Doppelhaushalt 2023/2024. Erstmalig konnten sich Leipziger Bürgerinnen und Bürger mit Vorschlägen bereits vor der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes einbringen und mitbestimmen. Daraus entstanden ist eine TOP 10 von Bürgervorschlägen, die dem Stadtrat ebenfalls übergeben werden. Auf der Internetseite www.leipzig.de/buergerhaushalt können diese eingesehen werden.
Doch Bonew deutete am Mittwoch schon an, dass nicht alle zehn Punkte auch umgesetzt werden können. Während das Toilettenkonzept und die Barrierefreiheit auf Fußwegen auch für Menschen mit Rollator und Rilsatuhl Verwaltungshandeln seien, stünden die Chancen gerade für den „Sieger“ der Abstimmung, den kostengünstigen ÖPNV, ganz schlecht.
Aus eigener Kraft wird Leipzig das nicht schaffen. Und auch Leipzig wartet nun darauf, was sich die Bundesregierung beim Nachfolgeticket zum 9-Euro-Ticket zum 1. Januar 2023 einfallen lässt.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Es stecken nicht nur etliche Millionen Euro an Investitionen im Doppelhaushalt, die die Klimaneutralität der Stadt voranbringen sollen. Wenn Leipzig bis 2035 klimaneutral sein soll, müsste er doch heute schon wissen, wie viel CO₂ im aktuellen Haushalt steckt, sagte Bonew am Mittwoch.
Und genau das soll jetzt überhaupt zum ersten Mal ausgerechnet werden.
Als erste Stadt Deutschlands soll in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wissenschaft ein Weg entwickelt werden, wie Kommunen bzw. die Stadt Leipzig ihr Handeln von Euro-Beträgen in Kohlendioxid-Emmissionen „umrechnen“ können. Aus Sicht von Bonew ein spannendes Vorhaben, wenn man bedenke, dass gemäß Stadtratsbeschluss bis 2035 die Stadt klimaneutral werden soll.
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Die öffentliche Auslegung des Entwurfes für den Doppelhaushalt erfolgt vom 19. bis 30. September 2022. Bis 12. Oktober können die Leipzigerinnen und Leipziger Bürgeranträge in Form von Einwänden stellen. Nach der Auslage des Entwurfs behandeln ihn die Fachausschüsse des Stadtrates und die Ortschaftsräte. Die Beschlussfassung des Haushaltsplanes ist am 8. Februar 2023 vorgesehen.
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