Ein sehr sprechendes Beispiel dafür, warum Beratungen im Leipziger Stadtrat urplötzlich richtig viel Zeit fressen können, war am 15. September in der fortgesetzten Ratsversammlung zu erleben. Denn manchmal sind es unerwartete politische Entscheidungen in Berlin, die Leipziger Projekte unverhofft ins Trudeln bringen können. In diesem Fall ausgerechnet die Konzeptvergaben, die der Stadtrat gerade erst auf den Weg gebracht hatte.
TOP 16.28 am 15. September
Die kommen – wie am 15. September mehrfach betont wurde – nun einmal Baugemeinschaften zugute, die erstens sehr knapp kalkulieren mussten, weil sie typischerweise zu einer Einkommensgruppe gehören, die sich normalerweise teures Wohneigentum in Leipzig nicht leisten kann. Und zum zweiten haben sie auch fast alle soziale Projekte in ihrem Bauvorhaben geplant – Sozialwohnungen z. B. oder Wohnungen für Behinderte.
Und sie hatten alle damit geplant, dass sie für ihr Bauvorhaben auch mit Förderung der bundeseigenen KfW rechnen können. Doch deren Fördergelder waren schon im Januar ausgeschöpft. Ein zweiter Fördertopf war im April binnen weniger Tage ausgereizt.
Etwas, was in der Presse immer wieder ausgerechnet den Grünen angelastet wird, obwohl die Grünen dieses Problem nicht aufgebaut haben. Es waren die Vorgängeregierungen, die den Wohnungsbau in Deutschland unterfinanziert haben und viel zu wenig Geld gerade für die Wohnungsbauförderung bereitgestellt haben.
Was da im Frühjahr 2022 geschah, war ein unübersehbarer Nachholeffekt, der auch deutlich machte, wie unterfinanziert gerade der deutsche Sozialwohnungsbau ist. Das jahrzehntelange Beharren darauf, der private Wohnungsmarkt würde das schon richten, hat sich als Fehler herausgestellt.
Deswegen war es am 15. September nicht nur wohlfeil, sondern auch falsch, dass CDU-Stadtrat Karsten Albrecht ausgerechnet die ausbleibende KfW-Förderung als Kostentreiber für die Leipziger Konzeptvergaben ausmachte.
Kann Leipzig auf die Schnelle helfen?
Aber was kann Leipzig da tun? Die Fraktionen von Linken und Grünen taten sich nach den Meldungen zum wieder geleerten KfW-Fördertopf daran, einen gemeinsamen Antrag zu schreiben, mit dem die Stadt quasi in die Bresche springen sollte und sieben betroffenen Konzeptvergaben unterjährig mit Geld unterstützen sollte, damit sie nicht scheitern.
Denn sie befinden sich gerade zwischen Baum und Borke, haben zwar den Zuschlag der Stadt bekommen, aber noch keine Bauanträge gestellt. Die sie aber erst stellen können, wenn sie die finanzielle Absicherung haben. Und die beantragten KfW-Förderungen sind ganz elementare Bestandteile der Kalkulation.
Das Problem ist die Unterjährigkeit, was am 15. September sowohl Baubürgermeister Thomas Dienberg als auch Finanzbürgermeister Torsten Bonew betonten. Die Gelder im Haushalt 2022 sind sämtlich gebunden. Und 6,5 Millionen Euro (wie Grüne und Linke beantragten) oder maximal 5,5 Millionen Euro (wie die SPD in einem Änderungsantrag beantragte) würden eben nicht einfach nur so mal im Haushalt zusammengekratzt werden. Er müsste dafür andere Bauprojekte stoppen, mahnte Torsten Bonew.
Obwohl Dienberg die Notlage der betroffenen Konzeptgemeinschaften durchaus sieht.
Im Antrag von Grünen und Linken liest sich das so: „Angesichts ausbleibender KfW-Förderung, steigender Baukosten und Bankzinsen sind derzeit im Konzeptverfahren der Stadt Leipzig befindliche und in Erbbaurechtsverträgen fixierte Projekte mit erheblichen Finanzierungsproblemen konfrontiert. Dies betrifft folgende Wohnungsbauprojekte auf städtischen Grundstücken:
– fünf Wohnprojekte mit sozialem Wohnungsbau, die 2021 den Zuschlag im Konzepterfahren für kooperatives und bezahlbares Bauen und Wohnen erhalten haben;
– ein Wohnprojekt mit 100 % sozialem Wohnungsbau (inkl. einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung);
– ein Wohnprojekt auf einem von der BImA für diesen Zweck angekauften Grundstück mit 50 % sozialem Wohnungsbau.
Trotz verstärktem finanziellen Engagement und erheblicher Umplanungen seitens der betroffenen Projektträger drohen die Vorhaben und die mit ihnen jeweils verbundenen kommunalen Zielsetzungen ohne eine ergänzende kurzfristige finanzielle Förderung zu scheitern.“
Pause zum Nachdenken
Und während in Sachsen kein einziges Ministerium auf das Problem reagiert, hätten andere Bundesländer sehr wohl gezeigt, dass die Länder in die Bresche springen können, wenn der Bund aus der Puste kommt, heißt es im Antrag von Linken und Grünen:
„Bundesländer mit anderen Rahmenbedingungen, wie zuletzt zum Beispiel Baden-Württemberg, reagieren im Rahmen ihrer Verwaltungsvorschriften zur Wohnraumförderung darauf mit einer „Kompensation des Wegfalls der bundesseitigen Zuschussförderung für das Effizienzhaus der Stufe KfW 55 oder besser im Neubau durch die Wohnraumförderung des Landes“ zu pauschal je 18.000 € Zuschussförderung pro Wohneinheit im Segment des geförderten sozialen und des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus.
So kann an den in den Konzeptverfahren für Grundstücke beschlossenen Zielen und den auf dieser Basis bewertet und ausgewählten Konzepten festgehalten werden. Damit wird auf die Anfälligkeit der mehrere Jahre dauernden Abstimmungsprozesse der Konzeptverfahren gegenüber außergewöhnlich stark schwankender Rahmenbedingungen reagiert.“
Auch OBM Burkhard Jung stritt die Not nicht ab, sah aber auch, dass der Ursprungsantrag so nicht umsetzbar war.
Die Zuschauenden Leipzigerinnen und Leipziger erlebten also etwas, was eher selten geschieht: Eine längere Auszeit im Stadtrat mit überall heftig diskutierenden Gruppen. Denn während ein AfD-Stadtrat kraft seiner Welterkenntnis den Vorstoß für völlig überflüssig erklärte, war sich die Stadtratsmehrheit einig, dass den betroffenen Projekten möglichst bald unter die Arme gegriffen werden muss – vielleicht sogar in Vorgriff auf die von der Bundesregierung für Anfang 2023 angekündigte neue Förderung.
Der Verwaltungsstandpunkt genügte dem auch nicht, dazu war er viel zu defensiv formuliert. Aber feste Summen kann derzeit auch niemand zusagen. Also wurde vor allem an der zweiten Neufassung des Antrags von Grünen und Linken gefeilt, wurden die konkreten Summen (also die 6,5 Millionen Euro) herausgenommen und aus den ersten beiden Punkten reine Prüfaufträge gemacht.
Der OBM soll prüfen, ob und wie den betroffenen Projekten geholfen werden kann. Und geprüft werden soll, welche finanziellen Mittel dafür verfügbar und nötig wären. Und dazu soll er dann in der Oktoberversammlung dem Stadtrat einen Beschlussvorschlag unterbreiten.
Klarheit gibt es im Oktober
Er geht eben nicht nur, wie AfD-Stadtrat Siegbert Droese ziemlich selbstgefällig behauptete, nur „um ein paar Männecken“, auch wenn die Zahl der an den Konzeptvergaben Beteiligten überschaubar ist. Denn natürlich ist es gerade für diese Projektträger ein gewaltiges finanzielles Risiko, in Leipzig über den Weg der Konzeptvergabe Wohnraum zu schaffen.
Ein viel höheres Risiko als für Baugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften. Sie haben auch nicht den finanziellen Puffer, den normalerweise Leute haben, die von ihrer Bank problemlos einen Immobilienkredit bekommen.
Im Grunde steckte in seiner Rede die ganze Verachtung für Leute, die eigentlich nicht den Puffer haben, um in einem Land wie Deutschland Wohneigentum zu kaufen. Das Barmen um den klammen Leipziger Haushalt ist da ziemlich scheinheilig. Um den kümmert sich Leipzigs Finanzbürgermeister schon ganz gut. Und ob das ein Schuldenhaushalt wird, wie am 15. September auch behauptet, steht völlig in den Sternen.
Er ist knapp bemessen. Dafür sorgen schon die deutsche Steuerpolitik und die sächsische Finanzaufsicht. Aber zum Fenster raus schmeißt Leipzig das Geld der Steuerzahler nicht wirklich.
Ob die betroffenen Konzeptvergaben am Ende tatsächlich finanzielle Schützenhilfe von der Stadt benötigen, die den Ausfall der KfW-Kredite und die steigenden Baukosten kompensiert, ist völlig offen. Das erfahren wir erst im Oktober. So gesehen waren die emsigen Diskussionen an diesem Tag sogar hilfreich. Denn wenn die Stadt ihre Ergebnisse vorlegt, wird auch klar, ob Geld fließen muss, um die Projekte zu retten. Und wie viel wirklich gebraucht wird.
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