Deutschland ist ein Land von Aussitzern, Bestandswahrern und Veränderungsmuffeln. Das ist Politik – seit vierzig Jahren, könnte man sagen. Und die Verhältnisse sind mittlerweile so betoniert, dass ein ungelöstes Problem neben dem anderen aufplatzt und den Berg der ungelösten Probleme erhöht. Ein solches Problem ist in Leipzig der trockengelegte Auwald, der in den zurückliegenden Dürrejahren massive Schäden davongetragen hat. Natürlich, weil das Wasser fehlt.

Am 26. August meldete sich an dieser Stelle Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek schon zu Wort und erzählte von der Dimension, die der Ausfall von praktisch zwei kompletten Regenjahren im Neuseenland annimmt. Denn da hängen dann die Seen im Leipziger Südraum genauso an den drastisch verminderten Wassermengen in der Weißen Elster wie die Leipziger Mühlgräben und der Auwald.

Der ja bekanntlich seit über 100 Jahren auch noch von seinen Flüssen abgeschnitten ist. Der Trockenstress entsteht ja nicht nur, weil monatelang der Regen ausblieb, sondern auch weil der Grundwasserspiegel drastisch gesunken ist.

Und das steht nun seit elf Jahren schon auf der Arbeitsagenda der Stadt Leipzig. Zum Jahreswechsel wird die Vorlage zum Auwaldentwicklungskonzept erwartet, die eindeutig klären muss, wie der Auwald künftig sein Wasser bekommen soll.

Aber das sinkende Wasserangebot in der Weißen Elster hat die Grünen-Fraktion auch dazu animiert, nachzufragen, ob denn das Wasser künftig überhaupt noch ausreicht, den Auwald zu retten einerseits und andererseits auch die wieder geöffneten Mühlgräben in der Stadt mit Wasser zu beschicken.

Seit 2006 fertig: Elstermühlgraben am Ranstädter Steinweg. Foto: Ralf Julke
Seit 2006 fertig: Elstermühlgraben am Ranstädter Steinweg. Foto: Ralf Julke

Mit den Antworten aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer jedenfalls zeigte sich der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Kasek, am 15. September in der Ratsversammlung höchst unzufrieden. Denn das Amt war in seinen Antworten elegant ausgewichen. Auch wenn es sehr ausführlich geantwortet hat.

Für die Mühlgräben reicht es noch

Aber die Sorgen Jürgen Kaseks konnten die Antworten nicht vertreiben. Eher klingen die Antworten beruhigend und zeigen noch keine amtlichen Besorgnisse, dass das Wasserdargebot in den nächsten Jahren fehlen würde, dass also auch weiterhin genug Wasser für die Beschickung des Zwenkauer Sees bereitstehe, aber auch für Pleiße- und Elstermühlgraben, die auch in der Dürre nie trockenfielen.

Aber auf Kaseks beharrliches Nachfragen gab OBM Burkhard Jung am 15. September zu, dass im Hintergrund hart gerungen wird um die künftige Wasserverteilung. Denn es gäbe an einigen Stellen sehr beharrliche Widerstände. Wo genau, sagte er nicht, nur, dass Umweltminister Wolfram Günther mit am Tisch sitzt. Der aber bekannt dafür ist, dass er die Aue unbedingt öffnen möchte.

Die Widerstände sitzen also in anderen Ämtern.

Und wo ein besonders großer Konfliktpunkt ist, das gab die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer durchaus an.

„Zur Wiederherstellung einer ökologisch funktionstüchtigen Aue ist es erforderlich, die bisherige Steuerung des Leipziger Gewässerknotens anzupassen“, heißt es dort.

„Dazu müssen zunächst die erforderlichen Mindestabflüsse in den jeweiligen Gewässern abgeschätzt werden, da dazu bisher keine behördlich festgelegten Werte existieren. Darauf aufbauend wird ein Vorschlag zur Steuerung des Gewässerknotens abgeleitet, sodass ein möglichst großer Nutzen für die Auenlandschaft entsteht. Dabei ist natürlich die Abschätzung des zukünftigen Wasserdargebots eine wesentliche Voraussetzung.

Der Vorschlag zur Steuerung des Gewässerknotens wird mit dem Freistaat Sachsen (z. B. LTV, LDS, SMEKUL, LfULG) diskutiert werden. Die Erarbeitung geschieht im Rahmen des Auenentwicklungskonzeptes (AEK) und ist bereits beauftragt. Die behördliche und damit verbindliche Festlegung der Wasserverteilung obliegt letztendlich den zuständigen Wasserbehörden.“

Wie wird der Gewässerknoten künftig gesteuert?

Womit eigentlich einer der beharrlichsten Bewahrer des jetzigen Wasserregimes genannt ist: die Landestalsperrenverwaltung. Denn sie steuert den Gewässerknoten und bestimmt etwa über das Palmgartenwehr, wie viel Wasser in den Elstermühlgraben fließt. Und über das Rosentalwehr und das Nahelwehr wird der Wasserstand im Elsterbecken gesteuert, wo heute die größte Verdunstungsfläche für das Wasser der Weißen Elster besteht.

Hier haben ja die Grünen extra noch einmal beantragt, dass die Schaffung eines richtigen Flusses im Elsterbecken geprüft wird. Das Prüfergebnis soll 2023 vorliegen.

Bei Niedrigwasser tauchen die aufgehäuften Sedimente im Elsterbecken auf. Foto: Matthias Weidemann

Dabei geht es um die Absenkung des Wasserspiegels, sodass die sowieso schon mit Sedimenten gefüllten Teile des Elsterbeckens trocken fallen und begrünt werden können, während der derzeit nicht sichtbare Fluss im Becken wieder sichtbar wird und gleichzeitig die Fließgeschwindigkeit steigt.

Wenn dann auch noch die Sohle von Nahle und Neuer Luppe angehoben werden, könnte auch der Grundwasserstand im nördlichen Auwald wider steigen. Zwei Meter hält Leipzigs Verwaltung durchaus für möglich.

Doch Ämtermühlen mahlen langsam. Und Burkhard Jung bestätigte ja in seiner Antwort, dass einige Beteiligte in den Beratungsrunden zäh an den alten Zuständen festzuhalten versuchen und die Verhandlungen um echte Lösungen für eine Wiedervernässung des Auwaldes unheimlich schwer machen.

So gesehen bekam Jürgen Kasek einige Antworten nicht, die er unbedingt bekommen wollte. Aber dafür bekam er einen kleinen Einblick in die zähen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, aus denen dann irgendwie das Auenentwicklungskonzept entstehen soll.

Und nicht beantwortet wurde ja die Frage, die Kasek besonders beschäftigt: Was heißt das alles, wenn künftig tatsächlich nicht mehr ausreichend Wasser da ist, um die Gewässer und den Auwald zu beschicken?

Die Modellierung des Freistaats jedenfalls gab darauf keine Antwort.

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