Wie weit sollte man gehen, um im Leipziger Straßenbild ein deutliches Zeichen gegen die russische Invasion in der Ukraine zu setzen? Das Jugendparlament hatte vorgeschlagen, die Kiewer Straße in Grünau künftig nach der ukrainischen Aussprache zu transkribieren und statt Kiewer nun Kyiver Straße zu schreiben. Aber das lehnt das Amt für Statistik und Wahlen aus nachvollziehbaren Gründen ab – und macht einen Alternativvorschlag.
„Eine Umbenennung der Kiewer Straße in Kyiver Straße wird abgelehnt. Nach Etablierung einer gängigen Transkription aus der ukrainischen Sprache, kann die Anbringung einer Erläuterungstafel angestrebt werden“, schlägt das Amt für Statistik und Wahlen vor.
„Um den verschiedenen Schreibweisen der ukrainischen Hauptstadt ‚Kiew‘ Rechnung zu tragen und gleichzeitig für die Emanzipation der Ukraine von russischen Expansionsbestrebungen ein Zeichen zu setzen, wird der Oberbürgermeister beauftragt, eine Erläuterungstafel anzubringen, deren Inhalt mit dem Stadtbezirksbeirat West abgestimmt wird.“
Und dabei geht es nicht nur darum, dass die neue Schreibweise einer Umbenennung der Straße gleichkäme mit jeder Menge bürokratischen Folgen für die hier ansässigen Unternehmen. Die Stadt Leipzig orientiere sich bei Straßenbenennungen auch an den offiziellen Richtlinien der Bundesrepublik, erläutert das Amt für Statistik und Wahlen.
„Die Emanzipation der Ukraine gegenüber Russlands wird von der Verwaltung befürwortet und unumstößlich anerkannt. Die Verwaltung stimmt insofern mit dem Ansinnen überein, dass dieser Sachverhalt auch im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden sollte.
Die Umbenennung der Kiewer Straße ist hierfür aber nicht geeignet“, erläutert das Amt seine Haltung.
„Bei ‚Kiew‘ handelt es sich um die gebräuchliche deutsche Schreibweise des Stadtnamens. Im aktuellen Länderverzeichnis des Auswärtigen Amtes für den amtlichen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 06.10.2021, wird der Name der Hauptstadt der Ukraine in der Schreibweise ‚Kiew‘ festgelegt. An dieser Schreibweise orientiert sich auch die Stadt Leipzig in ihrer internationalen Arbeit und Kommunikation.
Ebenso ist die im deutschen Sprachraum übliche Transkription des Namens der ukrainischen Hauptstadt ‚Kiew‘. In seltenen Fällen wird die Schreibweise ‚Kyjiv‘ verwendet. Im Duden wird die Schreibweise ‚Kiew‘ genutzt. Der Duden ist wiederum die Grundlage für die Schreibweise von Straßennamen in der Stadt Leipzig.“
Was künftige Änderungen nicht ausschließt, betont das Amt. Aber für wahrscheinlich hält es das nicht.
„Sollte die Entscheidung fallen, dass zukünftig die ukrainische Transkription verwendet wird, würde das einen Präzedenzfall für die Verwendung von Schreibweisen und Bezeichnungen in allen internationalen Kontexten schaffen (z. B. Brno statt Brünn, Kraków statt Krakau). Bisher hat sich die Stadt Leipzig stets für die deutsche Schreibweise entschieden. Beispielhaft dafür sind auch die Einlassungen der Namen der Partnerstädte auf dem Rathausvorplatz.
Diese grundsätzliche Entscheidung zur Verwendung der Schreibweise innerhalb der Stadt Leipzig schafft eine einheitliche Grundlage zur Benamung auf Basis der deutschen Rechtschreibung und ist auch im Ausland etabliert (vgl. Munich, Cologne)“, so das Amt für Statistik und Wahlen in seiner Stellungnahme zum Antrag des Jugendparlaments.
Und dann ist die Transkription auch noch nicht wirklich einheitlich:
„In der aktuellen politischen Debatte im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat sich zusätzlich noch keine einheitliche Schreibweise für die ukrainische Hauptstadt oder andere ukrainische Städte durchgesetzt. Beispielsweise finden sich Schreibweisen wie ‘Kyiv’ (hier handelt es sich um die englische Transkription), ‚Kyjiw‘ oder ‚Kyjiv‘.
Aus dieser Situation heraus die ‚Kiewer Straße‘ umzubenennen, könnte dazu führen, dass die Straße nochmals umbenannt werden müsste – oder – bei einer dauerhaften Änderung der Nomenklatur im deutschen Sprachgebrauch – eine Diskrepanz zur Benennung in Leipzig bestünde. Vor dem Hintergrund der Kosten für die ansässigen Anlieger sollte dies vermieden werden.“
Also lieber eine Tafel am Straßenschild, die die unterschiedlichen Schreibweisen erläutert und den Überfall der russischen Armee auf die Ukraine thematisiert – abgestimmt mit dem Stadtbezirksbeirat Leipzig-West.
Die Ratsversammlung muss diesem Vorschlag der Verwaltung nicht folgen. Aber er hat einige Argumente für sich.
Ins Bild genommen haben wir den Kiew-Hain am Silbersee, der 2001 – zum 40-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft Leipzig-Kiew – angelegt wurde.
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