Eigentlich wissen alle, die sich auch nur ein bisschen mit dem Thema beschäftigt haben, was Treibhausgas-Senken sind: Wälder gehören dazu, Moore, Holz, das langfristig in Häusern und Möbeln verbaut wird, aber auch artenreiches Grasland und ökologisch bewirtschaftete Felder. Aber kann man in einer Großstadt wie Leipzig solche Senken finden oder gar schaffen? Natürlich.
Genau das nimmt sich die Stadt jetzt mit dem Maßnahmenpunkt I.6 aus dem Energie- und Klimaschutzplan (EKSP) „Treibhausgas-Senkenpotenzial ermitteln“ vor. Der sich natürlich mit anderen Maßnahmen überschneidet – etwa der geplanten Waldmehrung im Stadtgebiet, dem zu schaffenden Biotopverbund oder dem Auenentwicklungskonzept. Denn alle drei Programme schaffen, wenn sie auch umgesetzt werden, neue Senken für Kohlendioxid und andere Treibhausgase.
Wo bleibt die ökologische Landwirtschaft?
Wobei auffällt, dass die ökologische Landwirtschaft im EKPS-Maßnahmenprogramm völlig fehlt. Da hat entweder ein Dezernat der Mitarbeit verweigert oder überhaupt nicht begriffen, dass Klimaschutz auch in sein Ressort fällt.
An die Kleingärtner hat man gedacht (Punkt I.10), aber die Bauern, an die Leipzig große Feldflächen verpachtet hat, einfach „vergessen“, auch wenn sie unter Punkt VII.3 „Vom Feld bis auf den Teller – Nachhaltige Wertschöpfungsketten gestalten“ scheinbar auftauchen.
Da behauptet das Papier einfach: „Das Landwirtschaftskonzept hat hierzu bereits einen wichtigen Beitrag geleistet, in dem es am Anfang der Kette im Bereich der Flächenvergabe ansetzt.“ Was es eben nicht tut, denn Leipzig vergibt kaum neue Flächen – und die alten Pachtverträge sehen in der Regel keine ökologische Bewirtschaftung vor.
Wer aber die konventionell wirtschaftenden Bauern nicht mit ins Boot holt, kommt beim Biotopverbund genauso wenig weiter wie beim Schaffen von Treibhausgas-Senken – wozu in der Feldflur unter anderem auch die Anlage neuer Windschutzstreifen, breiterer Feldraine oder die Wiedervernässung historischer Kleingewässer, die im letzten Jahrhundert trockengelegt wurden, gehören würde.
Wilde Träume von CDR, GGR und CCS
„Treibhausgas-Senkenpotenzial ermitteln Beschreibung Treibhausgase, die durch menschliches Handeln in die Atmosphäre gelangen, können wieder gebunden werden. Pflanzen, insbesondere Bäume speichern CO₂, in Mooren wird Kohlenstoff und Stickstoff gebunden. Doch wie groß ist das natürliche Treibhausgas-Senkenpotenzial auf dem Leipziger Stadtgebiet?“, fragt die Vorlage genau an diesem Punkt und stellt beiläufig fest, dass man überhaupt noch kein Zahlenmaterial hat.
„Wie kann die Stadt durch Pflege, Nutzung und Unterhaltung ihrer Flächen dazu beitragen, dass das Senkenpotenzial bestmöglich ausgeschöpft wird? Welche Ansatzpunkte gibt es in Bezug auf private Nutzung und Flächen? Könnten weitere CO₂-Senken (CDR, GGR, CCS) künftig eine Rolle spielen?“
Bei den drei Abkürzungen hat wahrscheinlich ein Sachbearbeiter einfach mal seine Phantasie spielen lassen. Denn dahinter stecken technische Anwendungen, die ganz und gar nicht in der Handlungshoheit der Stadt Leipzig stehen.
CDR bedeutet Carbon dioxide removal, das gezielte Entfernen von CO₂ aus der Atmosphäre und seine Einlagerung in andere Kohlenstoffreservoirs.
GGR meint Negative Emissionen, Greenhouse Gas Removal, wobei der Atmosphäre CO₂ entzogen und entweder eingelagert oder verarbeitet wird.
Und CCS ist die Carbon (Dioxide) Capture and Storage, CO₂-Abscheidung und -Speicherung, die Abscheidung von CO₂ in einem Kraftwerksprozess und anschließende Speicherung in geologischen Strukturen.
Mit den Themen werden sich Techniker und Unternehmen beschäftigen, Kommunen eher nicht. Die haben eigentlich genug damit zu tun, überhaupt ihr eigenes Senkenpotenzial erst einmal zu ermitteln und auch zu nutzen bzw. zu revitalisieren. Da wirkt die Summe, die die Stadt dafür im Doppelhaushalt 2023/2024 vorgesehen hat, recht bescheiden: 30.000 Euro.
Es sei denn, man hat mit anderen Vorarbeiten – der Biotopkartierung zum Beispiel – schon eine gute Vorarbeit, um auch das Senkenthema damit gut abbilden zu können.
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