Es gibt auch zwei Punkte im Maßnahmenkatalog zum neuen Energie- und Klimaschutzplan (EKSP), die lassen staunen. Denn eigentlich dürfte man davon ausgehen, dass sie ganz selbstverständlich von den zuständigen Ämtern der Verwaltung geleistet werden. Es geht um die Kontrolle der Baumschutzsatzung und die der Kompensationsmaßnahmen. Aber für beides scheint es bislang kein Personal gegeben zu haben.

Womit eigentlich sämtliche Aussagen, die dem Leipziger Stadtrat gegenüber in der Vergangenheit getätigt wurden, dass beides kontrolliert werde, deutlich in Zweifel zu ziehen sind.

Wer kontrolliert die Umsetzung der Baumschutzsatzung?

„Bäume erfüllen vielfältige Funktionen. Sie spenden Schatten, absorbieren Kohlenstoff aus der Photosynthese von CO₂, Schall und sorgen für eine Verbesserung des Stadtklimas“, heißt es unter Punkt I.8 „Erfolgskontrolle Baumschutz“.

„Sie sorgen bei hohen Temperaturen für Abkühlung und tragen durch die staubbindende Wirkung ihrer Blätter zur Luftreinhaltung bei. Darüber hinaus sind sie wichtige Garanten der städtischen Biodiversität. Sie sind raumbildende Gestaltungselemente und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Aufenthalts- und Lebensqualität. Zum Erhalt und zur Sicherung des vorhandenen Baumbestands im Stadtgebiet sind Bäume und Gehölze durch eine Baumschutzsatzung geschützt.“

Und es sind ja nicht nur die Ämter, die wissen, wie wichtig Bäume auch und gerade auf privaten Grundstücken sind. Kluge Bauherren schonen die vorhandenen Gehölze sowieso und schaffen möglichst auf dem eigenen Baugrundstück auch sofort wieder Ersatz.

Aber viele Bauherren sind nicht klug und glauben, man könne mit Bäumen und Büschen Kuhhandel treiben. Manche kaufen sich mit Geldern los, andere versprechen Kompensationen auf irgendwelchen anderen Grundstücken.

Aber weil niemand das wirklich kontrolliert, weiß auch in der Stadtverwaltung niemand, ob es für die gefällten Baumbestände tatsächlich adäquaten Ersatz gibt.

Durchsetzung: ungenügend

Und so stellt es der Maßnahmenpunkt auch in einer unerwarteten Deutlichkeit fest: „Beauflagte Ersatzpflanzungen für Eingriffe in den Gehölzbestand oder Schutzmaßnahmen während der Durchführung von Baumaßnahmen im Bereich geschützten Baumbestandes werden nicht ausreichend durchgesetzt. Die mit den Pflanzungen oder dem Erhalt der Bäume zu erreichenden Klimawirkungen werden nur bedingt wirksam.“

Das erinnert einen an die ganz gleich gelagerten Probleme bei der Vorgartensatzung, wo das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege ebenfalls zugestand, dass man gar keine Leute hat, die die Gestaltung der Vorgärten in Leipzig kontrollieren. Ein Thema, das beim Problemfeld „Schottergärten“ auftauchte. Auch ein klimarelevantes Thema. Aber es kommt im Maßnahmenkatalog leider nicht vor.

Es ist bedauerlicherweise so: Einige Zeitgenossen tun einfach so, als gingen sie Satzungen und Regeln nichts an. Und als wären ihnen auch die klimabedingte Erhitzung der Stadt und der massive Artenverlust völlig egal. Mit Freiwilligkeit ist da sichtlich nichts zu machen. Es muss kontrolliert und durchgesetzt werden.

Mit den Worten aus diesem Maßnahmenpunkt des Energie- und Klimaschutzplans: „Eine konsequente Durchsetzung der Baumschutzsatzung sichert den Erhalt der Lebensqualität und der biologischen Vielfalt in der Stadt. Der Baumbestand auf Privatgrundstücken kann durch die Baumschutzsatzung erhalten und vermehrt werden.“

Keine Kontrolle ohne Kontrolleure

Was es dazu braucht, ist auch aufgelistet: „Personal zur Durchsetzung der Baumschutzsatzung und der damit einhergehenden Begutachtung betroffenen Gehölzbestandes und zur Festlegung von Auflagen, stichprobenartige Kontrolle zu bebauender Grundstücke, Erfolgskontrolle der beauflagten Ersatzpflanzungen und deren dauerhafter Erhalt“.

Und – noch viel wichtiger: Eine Übersicht über alle existierenden wertvollen Gehölze in der Stadt, wozu es eine „digitale Erfassung des Baum- und Gehölzbestandes“ braucht.

Und all das braucht natürlich jemanden, der es auch macht. Wozu der Maßnahmenplan in diesem Punkt ab 2023 „50.000 Euro/Jahr zur Durchsetzung der Baumschutzsatzung“ vorsieht.

Dunkelfeld: Kompensation für zerstörtes Grün

Und zu diesem Thema gehören nun einmal auch die Kompensationen. Nach denen die Stadtratsfraktionen auch regelmäßig fragen. Denn wenn gefällte Baumbestände und zerstörte Biotope alle kompensiert werden, müsste ja das Grün in Leipzig in seiner Größenordnung erhalten bleiben.

Aber dem ist nicht so, stellt Maßnahmenpunkt Nr. I.9 „Erfolgskontrolle Kompensationsmaßnahmen und grünordnerischer Maßnahmen“ fest. „Durch eine konsequente Kontrolle der Maßnahmen werden die negativen Auswirkungen aus den Eingriffen in Natur und Landschaft und auf das Klima vollständig kompensiert oder zumindest minimiert“, heißt es in diesem Punkt.

Aber bei den aufgelisteten Handlungsschritten merkt man, dass dem mitnichten so ist. Denn diese Schritte müssen überhaupt erst einmal gegangen werden:

Regelung zur Umsetzung von Maßnahmen und deren Kontrolle, sowohl nach Pflanzung als auch nach Fertigstellungs- und Entwicklungspflege, im Rahmen des Abschlusses von städtebaulichen Verträgen. Einbehaltene Sicherheitsleistungen werden erst nach erfolgreicher Abnahme herausgegeben.

Erfassung aller noch offenen grünordnerischen und Kompensationsmaßnahmen aus städtebaulichen Verträgen ebenso wie aus Bebauungsplänen ohne städtebaulichen Vertrag durch Vor-Ort-Begehungen bzw. Luftbildauswertungen.

Kontrolle umgesetzter Maßnahmen hinsichtlich des geplanten Zielbiotopes und Beseitigung ermittelter Defizite.
Nachforderungen oder bei fehlendem Erfolg auch Ersatzvornahme aus den einbehaltenen Sicherheitsleistungen.

Das alles müsste passieren, passiert aber sichtlich noch nicht, weil bisher augenscheinlich noch niemand die Notwendigkeit gesehen hat, solche Kontrollstellen überhaupt zu besetzen.

Den Druck hat erst die Ratsversammlung gemacht, die sich immer wieder nur darüber wundern konnte, warum die Stadt nicht weiß, was alles tatsächlich kompensiert wurde und wie viele Kompensationsmaßnahmen einfach noch nicht umgesetzt wurden.

Dazu braucht es Leute. Und genau die beantragt die Verwaltung jetzt, wenn sie ab 2023 „100.000 Euro/Jahr zur Umsetzung des gemeindlichen, verwaltungsrechtlichen Vollzug“ in den Energie- und Klimaschutzplan schreibt.

Nach Jahrzehnten gescheiterter „freiwilliger Selbstverpflichtungen“, die die deutsche Wirtschaft so sehr liebt, setzt sich so langsam die Erkenntnis durch, dass es viel zu viele Leute gibt, die gar nicht daran denken, sich um unsere Umwelt, um Klima und grüne Bäume zu kümmern, und nicht mal ein Problem darin sehen, wenn sich ihr Bauprojekt in einen Hitzehotspot verwandelt.

Diese Leute brauchen Kontrollen. Es hilft alles nichts. Sie werden jedes Vertrauen enttäuschen, wenn man ihnen nicht jeden Baum vorrechnet, den sie zu kompensieren haben.

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