Nicht nur Leipzigs Umweltvereine, die für die Rettung des Leipziger Auwaldes kämpfen, versprechen sich viel vom Auenentwicklungskonzept, das das Leipziger Umweltdezernat zum Jahresende 2022 vorlegen will. Auch im Energie- und Klimaschutzplan (EKSP) taucht es auf. Denn ein Auwald, der auch wieder Wasser bekommt, ist eine richtig große CO₂-Senke. Nur verrät der EKSP nicht, ob das Konzept tatsächlich groß genug wird.
Denn vom Papier zur Umsetzung wird es noch ein langer Weg. Schöne Papiere hat Leipzig schon stapelweise produziert. Und welche Rolle die Elsteraue für den Klimaschutz spielt, weiß man in der Verwaltungsspitze sehr genau.
In Maßnahmepunkt Nr. I.7 zum EKSP „Auenentwicklungskonzept für die Elster-Pleiße-Luppe-Aue“ kommt die Verwaltung geradezu ins Schwärmen, was die Klimafunktionen einer intakten Flussaue betrifft:
„Ökologisch funktionsfähige Auenlandschaften sind enorm wertvoll. Sie tragen zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei und sind bedeutsam als natürliche Überschwemmungsbereiche, sowie für den Wasserrückhalt bei Starkregenereignissen und Hochwasser. Darüber hinaus sind sie ein wesentlicher Faktor für ein gutes Stadtklima und nicht zuletzt speichern intakte Auen größere Mengen des klimarelevanten Treibhausgases Kohlenstoff. Durch die Revitalisierung der Leipziger Auenlandschaft, unterstützt durch eine extensive Landbewirtschaftung des Offenlandes, wird die Funktion als Kohlenstoffsenke gestärkt und sie ist damit für den Klimaschutz von besonders hoher Bedeutung.“
So weit die Begeisterung.
Aber wie man das aus der Geschichte des Projektes „Lebendige Luppe“ kennt, werfen sich Verwaltungen im Kompetenzstreit dann sehr schnell Knüppel zwischen die Beine. Meist weiß hinterher keiner, wer angefangen hat und warum die schönen Pläne sich in heißer Luft aufgelöst haben.
Lauter Wenn und Aber
Das kommt auch bei diesem Maßnahmepunkt zum Vorschein: „Für eine erfolgreiche Revitalisierung der Auenlandschaft inmitten einer Großstadt müssen viele Aspekte und Belange berücksichtigt werden, z. B. naturschutzfachliche und hydrologische Potenziale für die Auenentwicklung, die Naherholungsnutzung oder Infrastrukturen wie u. a. Siedlungsbereiche und Verkehrswege oder die Stadtentwässerung.“
Ja, genau all diese Bremsen und Ausschlusskriterien haben das Projekt seit elf Jahren eingeengt und an die Grenzen der Nichtumsetzbarkeit gebracht. Wer zuerst alle „Tabus“ definiert, bekommt nie ein umsetzbares Konzept.
Weshalb es inzwischen auch einen gewissen freundlichen Druck aus dem Umweltministerium des Landes Sachsen gibt, die Aue tatsächlich wieder dem Wasser zu öffnen und sich zu einigen. Und zwar in einem großen Zusammenhang. Das Auenentwicklungskonzept ist nur der erste Schritt.
Auch wenn der sich in den Worten der Stadtverwaltung wie etwas unerwartet Neues liest:
„Diesen Ansatz verfolgt ein integriertes gesamträumliches Auenentwicklungskonzept, das unter Beteiligung vieler Akteure, ein Handlungs- und Maßnahmenprogramms mit kurz-, mittel- und langfristigen Lösungsansätzen erarbeitet. Unter Federführung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer wurde im Rahmen des Projektes Lebendige Luppe das Auenentwicklungskonzept für den Teilbereich der Elster-Luppe-Aue im Nordwesten Leipzigs bereits begonnen. Ab 2022 wird das Konzept analog für die Südaue (Elster-Pleiße-Aue) erstellt werden und in den darauffolgenden Jahren gemeinsam mit dem Land Sachsen ein Naturschutzgroßprojekt für die Leipziger Auenlandschaft auf den Weg gebracht werden.“
Längst vertrocknen die Bäume
Eigentlich stand diese Aufgabe auch schon 2011. Nur standen da eine ganze Menge Ämter und Verwaltungen mit „Stopp“-Schildern auf den Deichen und behaupteten, dies ginge nicht und jenes ginge nicht. Wen kümmerten die IPCC-Berichte und die Prognosen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zur künftigen Niederschlagsentwicklung in Mitteldeutschland und den Folgen für Wälder, Flüsse und Seen?
Mittlerweile zeigen etliche Bäume im Rosental und in der Nordwestaue Stresserscheinungen und lichte Kronen, weil selbst in der Aue das Wasser fehlt.
Und umgesetzt werden bis jetzt nur kleine Schritte, wie man weiter lesen kann:
„Neben den genannten Planungen werden im Projekt Lebendige Luppe mit der Renaturierung des Zschampert in Kürze erste Renaturierungsmaßnahmen umgesetzt, die die planungsrelevante Voraussetzungen für weiterführende Maßnahmen schaffen.“
Die Planungen brauchen aber ziemlich schnell auch Umsetzungen als Folge, denn bis 2026 muss Sachsen deutliche Verbesserungen bei der Wassergüte seiner Gewässer vorweisen.
Dass die Ackerflächen in der Aue wieder zu Extensivgrünland werden sollen (also mit Weidebewirtschaftung), ist mehr oder weniger schon beschlossen. Die Jahre 2023/2024 sind mehr oder weniger vorgesehen, um das „Naturschutzgroßprojekt Leipziger Auenlandschaft“ zu planen. Dafür sind 45.000 Euro pro Jahr vorgesehen.
Und welche große Rolle die Aue als CO₂-Senke spielt, wird im Maßnahmenprogramm extra noch einmal hervorgehoben: „Die Treibhausgassenkenfunktion des Gebietes wird wiederhergestellt und die zahlreichen Ökosystemleistungen und der Lebensraum Aue erhalten, entwickelt und gefördert.“
Womit ganz sanft der Irrsinn einer alten Stadtpolitik angetippt wird, die ohne Rücksicht auf Verluste wertvolle Biotope verbaut, verdeicht und versiegelt hat. Mit Folgen nicht nur für das globale Klima, sondern auch für das lokale.
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