In der Ratsversammlung im November 2021 war es zuletzt Thema, dass die Stadt Leipzig immer noch Menschen befristet einstellt. Und das, obwohl sie in allen Dezernaten längst an Personalmangel leidet. Fachkräfte sind immer schwerer zu finden, für Spitzenpersonal zahlt die Stadt Extra-Prämien. Aber trotzdem wird befristet eingestellt. Wegen der Flexibilität, meint die Stadt. Aber zukunftsfähig liest sich das nicht.
Die Linksfraktion sprang im Herbst vergangenen Jahres auf die Argumentation an und passte ihren Antrag entsprechend an.
„In begründeten Einzelfällen werden befristete Arbeitsverträge nach § 14 Abs. 2 TzBfG geschlossen. Das ist z. B der Fall bei Stellen, die unter dem Vorbehalt einer Evaluierung des Stellenbedarfs eingerichtet oder die aus Stellenanteilen befristet zur Kompensation geschaffen werden. Diese Flexibilität bei der Bewirtschaftung von Stellen ist im Hinblick auf die Sicherstellung der Fachaufgaben der Ämter dringend erforderlich“, hatte das Dezernat Allgemeine Verwaltung erklärt.
„Im Jahr 2019 erfolgten 74 % der Neueinstellungen unbefristet. Die Stadtverwaltung Leipzig hebt sich damit gegenüber der Befristungsquote für Neueinstellungen des gesamten öffentlichen Dienstes positiv ab (2019: 42 %).“
Der Linksfraktion war es damals vor allem um die Kettenbefristungen gegangen, also befristete Beschäftigung, die immer wieder um weitere befristete Verträge verlängert wurde. Eigentlich ein Vorgang, der das Problematische an der ganzen Sache beleuchtet.
Dennoch beharrte die Linksfraktion dann vor allem auf regelmäßiger Berichterstattung und der Prüfung, ob denn Befristungsketten nicht einfach entfristet werden könnten: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, ob Beschäftigungsverhältnisse mit Bediensteten der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe mit einer Gesamtbefristungsdauer von über fünf Jahren beginnend ab dem neuen Haushalts- und Stellenjahr 2023 entfristet werden können, um Befristungsketten in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben dauerhaft zu beenden. Der Oberbürgermeister legt dem Stadtrat im ersten Quartal 2022 das Ergebnis dieses Prüfauftrages vor.“
Kann man flexible Arbeitszeitmodelle nur mit Befristung kompensieren?
Im Juni nun legte das Verwaltungsdezernat den Personalbericht für 2021 vor, in dem auch das Thema befristete Anstellung näher beleuchtet wird.
Schon in der Stellungnahme zum Linke-Antrag hatte das Verwaltungsdezernat angedeutet, dass das Phänomen der befristeten Anstellungen nicht weniger werden wird, sondern sogar noch zunehmen wird: „Die Stadt Leipzig bietet ihren Beschäftigten attraktive Arbeitsbedingungen.
Hierzu tragen die mitarbeiterfreundlichen Arbeitszeitregelungen maßgeblich bei. So wird Teilzeitwünschen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in aller Regel entsprochen, gleiches gilt für die Vereinbarung von Sabbatjahrmodellen.
Darüber hinaus bestehen gesetzliche Ansprüche auf Freistellung von der Arbeit (z. B. Elternzeit, Pflegezeit). Dabei zeigt sich in den letzten Jahren eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach den genannten Arbeitszeitmodellen.“
Im Personalbericht geht das Verwaltungsdezernat aber gleich darauf ein, wie problematisch diese Herangehensweise ist:
„Grundsätzlich ist die Einstellungspraxis ausdrücklich auf das Ziel gerichtet, gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbefristet an die Stadtverwaltung zu binden und befristet beschäftigte Personen (sofern die Voraussetzungen vorliegen) spätestens nach Ablauf von zwei Jahren in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu beschäftigen. In begründeten Einzelfällen werden dennoch befristete Arbeitsverträge nach Teilzeitbefristungsgesetz geschlossen.“
Das Teilzeitbefristungsgesetz aber hat zum Ziel: „Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern.“
Der „Reservearbeitsmarkt“ schmilzt
Es sind ja keine unqualifizierten Personen, die da einen befristeten Vertrag bekommen, sondern in der Regel ausgebildete Fachleute. Die man auch braucht, denn zeitweilig ersetzt werden sollen ja voll qualifizierte Arbeitskräfte, die wegen Krankheit, Babyjahr oder aus anderen Gründen für eine gewisse Zeit ausfallen.
„Die befristete Beschäftigung entsteht unter anderem aus den gesetzlichen Ansprüchen auf eine Freistellung von der Arbeit, also beispielsweise in Vertretungsfällen (z. B. Pflege- oder Elternzeit) oder Teilzeitwünschen der Mitarbeitenden (z. B. Sabbatjahr). Diese temporär nicht besetzten Stellen müssen durch vorübergehende Einstellungen kompensiert werden“, erläutert das Verwaltungsdezernat.
„Diese Einstellung erfolgt in der Regel befristet, um mit der Kompensation der befristet freigewordenen Stellen sowie Stellenanteile keinen Personalüberhang über den vom Stadtrat beschlossenen Stellenplan und der damit verbundenen Finanzierungslücken im vom Stadtrat beschlossenen Personalhaushalt zu erzeugen.“
Eine sehr mit Vorsicht zu genießende Formulierung. Erst recht, wenn das Verwaltungsdezernat nachschiebt: „Der gezielte Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse ist demnach unerlässlich und stellt die Kehrseite der Medaille von flexiblen Beschäftigungsmodellen dar.“
Es ist nicht nur Leipzig, das so versucht, die Löcher zu stopfen, die durch die gesetzlich gewährleistete Flexibilität für Festangestellte entstehen.
„Von den 8.535 Beamtinnen und Beamten und Tarifbeschäftigten der Stadtverwaltung Leipzig waren zum Stichtag 31.12.2021 insgesamt 339 Personen in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Dies entspricht einem Anteil von 4,0 %. Im europäischen und deutschen Vergleich liegt die Stadtverwaltung damit deutlich unter dem Durchschnitt. Während in Deutschland im Jahr 2019 durchschnittlich 7,4 % der Beschäftigten befristet beschäftigt waren, waren es in Europa sogar 10,7 %. Im Vergleich der Berufsgruppen werden dabei die Verwaltungsberufe am häufigsten befristet“, versucht das Verwaltungsdezernat zu erklären.
Flexibilität auf wessen Kosten?
Von den 339 befristet Beschäftigten bekamen 2021 deshalb auch 255 keine Verlängerung. Teilweise hat das mit dem Einsatz von Fördermitteln zu tun – wenn das Förderprojekt endet, enden auch die Anstellungen. Schon das schwierig genug in einem Arbeitsmarkt, in dem gut ausgebildete Menschen das Wagnis eines Förderprojekts wohl eher vermeiden werden, wenn es unbefristete Festanstellungen gibt.
Aber wie ist es mit den Personalausfällen, mit denen eine Stadt immer rechnen muss? „Ein anderes Beispiel sind befristet Beschäftigte, die eine Vertretung für eine langzeiterkrankte Person oder für eine Person in Elternzeit übernehmen. Es kommt nicht selten vor, dass eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter doch nicht wie geplant ins Arbeitsverhältnis zurückkehrt, sondern noch weiterhin in der Arbeitsunfähigkeit bleibt. Oder eine Mutter wechselt aufgrund einer neuen Schwangerschaft direkt anschließend an eine Elternzeit wieder in den Mutterschutz.“
Da ist es nicht sehr klug, damit zu argumentieren, dass man einen Personalüberhang vermeiden möchte. Denn diese – natürlichen – Personalausfälle müssen auf Dauer immer kompensiert werden. Und es ist jetzt schon absehbar, dass es dafür langfristig keinen „Reservearbeitsmarkt“ mehr geben wird, mit dem Fachkräfte der Verwaltung, Sozialpädagogen, Erzieherinnen oder auch Handwerker befristet gebunden werden können, wenn auf einmal die Leute fehlen.
Da muss sich auch in Leipziger Rathaus einiges ändern im Denken über Flexibilität und Personalpolitik.
Denn dass sich da draußen gewaltig etwas geändert hat, stellt derselbe Bericht im Kapitel „Personalaufwand“ fest:
„Durch den angespannten Bewerbenden- und Arbeitsmarkt sieht sich die Personalgewinnung besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Der demografische Wandel und die damit in Verbindung stehenden altersbedingten Austritte in den kommenden Jahren zeigen zudem deutlich den Bedarf, dass sich die Stadtverwaltung als attraktive Arbeitgeberin im Wettbewerb um kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukunftsgerichtet aufstellen muss. Um in Engpassbranchen und -berufsgruppen neues Personal gewinnen zu können, ist für das Jahr 2022 die Einführung einer Arbeitgeber-Zulage (Arbeitsmarktzulage) geplant.“
In so einer Situation ist es wirklich keine kluge Idee, weiter auf Befristungen zu setzen und zu erwarten, dass es nach wie vor hochmotivierte Leute mit den nötigen Qualifikationen gibt, die sich auf befristete Stellenausschreibungen der Stadt bewerben.
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