Mit mehreren Beiträgen haben wir hier in den letzten Wochen das Falschparken in verschiedenen Stadtteilen Leipzigs thematisiert. Vielerorts scheint es seit Jahren keine Sanktionen gegeben zu haben. Das Parken auf Kreuzungen und auf Gehwegen wurde einfach zugelassen, wie es scheint. Sodass es in vielen Straßen geradezu zum Gewohnheitsrecht wurde. Aber eigentlich hätte das so nicht auswachsen dürfen. Doch wer hat die Politessen angewiesen, nicht so genau hinzuschauen?

Diese Frage stellt jetzt der Leipziger Kurt Hinkefuß in einer offiziellen Einwohneranfrage. Und die hat es in sich. Denn wenn diese vielen „übersehenen“ Straßen nicht deshalb im toten Winkel der Kontrolleure gelandet sind, weil diese keine Lust hatten, dort auszusteigen und Knöllchen zu verteilen, sondern weil es dafür diverse Anweisungen gab, wird das Ganze tatsächlich zu einer Frage persönlicher Verantwortung.

Dass die Parkzustände nämlich nicht regelkonform waren, wurde ja nach mehreren Beschwerden im Ordnungsamt klar, als dann in einigen der besonders benannten Straßen auf einmal Höflichkeitszettel verteilt wurden, die die Autobesitzer darauf hinwiesen, dass Falschparker demnächst mit Knöllchen zu rechnen haben.

Also wurde das Falschparken dort jahrelang geduldet. Aber wenn es geduldet wurde, stimmt etwas nicht in der Verantwortungshierarchie, findet Kurt Hinkefuß.

Zweifelhafte Duldung von Gehwegparkern?

In seiner Einwohneranfrage schreibt er: „In den letzten Monaten und Wochen wurde das Akzeptieren unrechtmäßig auf dem Gehweg parkender PKW durch das Ordnungsamt in verschiedenen Leipziger Straßen zunehmend zum Thema. [z.B. hier: VII-EF-07251-AW-01 (Erich-Zeigner-Allee; Karl-Heine-Straße), diverse Medienberichte sowie hier erwähnte beispielhafte Straßen, wo auch Diskussionen geführt werden und wurden: Hofer Straße, Neumannstraße, diverse Nebenstraßen um an der Märchenwiese, Klarastraße, Einsteinstraße und etliche mehr].

Dabei hat sich die Redeweise von Duldung von Gehwegparkenden durch das Ordnungsamt scheinbar etabliert. Sowohl Mitarbeitende direkt auf der Straße erklärten mir dieses Nicht-Ahnden von Parkverstößen auf Gehwegen in der Vergangenheit als Duldung, als auch beschreibt die Stadtverwaltung selbst in der Kommunikation nach außen diesen Begriff und diese Praxis [so etwa im Eutritzscher Rundblick, Ausgabe Nr. 238 – 3/2022, Seite 11]. Meines Wissens wird das Thema auch in einzelnen Stadtratsfraktionen mit diesem Begriff und als dieser Sachverhalt diskutiert.“

Aber in der StVO ist eine Duldung dieser Art nicht vorgesehen.

„Hierbei muss festgehalten werden, dass es sich dabei um eine eigenwillige und unrechtmäßige Praxis durch das Ordnungsamt handeln würde“, stellt Hinkefuß in seiner Einwohneranfrage fest.

„Einfach ausgedrückt: Das Ordnungsamt käme an diesen Stellen seinen Aufgaben nicht nach und würde meinem Laienverständnis nach gesetzeswidrig handeln. Oft verweist die Stadtverwaltung darauf, dass die Mitarbeitenden vor Ort nach ‚pflichtgemäßen Ermessen‘ handeln. Dies scheint ja aber nicht der Fall zu sein, wenn in etlichen Straßenzügen jahr(zehnte)lang weder Bußgelder verhängt noch Abschleppmaßnahmen durchgeführt werden. Das Nichthandeln ist hier offenbar die Regel.“

Weisung von ganz oben?

Für ihn ist nun die Frage, „ob es sich um eine von der Leitungsebene vorgegebene Regel handelt. Interessant ist dabei, dass die Mitarbeitenden vor Ort in den Straßen noch vor einigen Monaten selbst von ‚Duldung‘ sprachen, mittlerweile aber sehr kreativ geworden sind und diesen Begriff nun streng vermeiden.

So zuletzt im Gespräch mit einer Mitarbeiterin am 16.8.2022 in Reudnitz (im Zusammengang mit der Hofer Straße – dort ist notorisch der Gehweg zugeparkt) erlebt: Nach ihr ‚wurde dies eben jahrelang akzeptiert‘ und dass das Ordnungsamt dort vielleicht demnächst die bekannten ‚Höflichkeitszettel‘ (dass es nach 14 Tagen wirklich Bußgelder wegen Parken auf dem Gehweg geben werde) verteilt.

All dies muss aber immer erst ‚mit der Abteilungsleitung‘ (!) abgesprochen werden. Pflichtgemäßes Ermessen vor Ort im Einsatz? Offenbar nicht. Anweisung von oben aus der Leitungsebene an die Mitarbeitenden vor Ort tätig zu werden oder nicht? Offenbar ja“, vermutet Kurt Hinkefuß.

Fragen, die es in sich haben

„Aufgrund des Umfangs, sowohl zeitlich (über Jahre hinweg) als auch räumlich (über das gesamte Stadtgebiet verteilt), muss davon ausgegangen werden, dass dies strukturelle Gründe in der Leitungsebene (zumindest) des Ordnungsamtes hat. Aus vielen Gesprächen mit verschiedenen Beteiligten liegt dies wie hier grob dargestellt nahe.

Da es sich hier lediglich um eine Einwohneranfrage handelt, darf ich wohl leider nicht feststellen, jedoch aber fragen:

1.) Gab es in den letzten Jahren Anweisungen vom Leitungspersonal innerhalb des zuständigen Ordnungsamtes, konkret von Sachgebietsleiter Ruhender Verkehr Michael Binder und Dienstgruppenleiterin Claudia Geißler-Ploog, an die Mitarbeitenden im Straßendienst solche Duldungen zu praktizieren, d.h. in bestimmten Straßenzügen im Stadtgebiet weder Bußgelder zu erheben noch PKWs abschleppen zu lassen, wo PKW auf dem Gehweg parken, obwohl dies rechtlich angezeigt wäre?

1.1.) Wurden konkret in der Dienstberatung am 28.6.2022 durch die in 1) erwähnten Personen oder durch anderes Leitungspersonal des Ordnungsamtes die Mitarbeitenden angewiesen, lediglich den Wortlaut ‚Duldung‘ von Gehwegparkenden nicht mehr zu verwenden oder diese Praxis der Duldung einzustellen?

1.2.) Ist dem zuständigen Bürgermeister Rosenthal die Praxis der Duldung von Gehwegparkenden innerhalb des ihm unterstellten Ordnungsamtes bekannt und welche (auch personellen) Konsequenzen zieht er hieraus?

1.3.) Wären die erwähnten Personen bereit, ihre Antworten hierzu unter Eid zu bestätigen?“

Das sind dann freilich vier Fragen, die ans Eingemachte gehen. Ob die auch alle zugelassen werden, ist offen. Aber letztlich steht damit die Frage auf der Tagesordnung, ob das Leipziger Ordnungsamt seiner Aufgabe nachkommt oder ob es durch seine Tätigkeit das Gefühl bestärkt hat, in Leipzig stünde für immer mehr Kraftfahrzeuge genug kostenloser Parkraum auf der Straße zur Verfügung. Parkraum, der eigentlich nicht zur Verfügung steht, weil durch das Zuparken die Verkehrssicherheit in der Straße nicht mehr gewährleistet ist.

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Es gibt 10 Kommentare

@Harald Vauk
Ist eigentlich eine gute Idee und wie alle diese Ideen kommt es am Schluss auf einen einzigen Aspekt an, man muss sich das Auto noch leisten können. Am besten wer kein Parkplatz nachweisen kann, darf kein privates Auto haben. Carsharing gibt es ja auch noch. Für Besucher gibt es ja genug Parkhäuser.

Klimaschutz wird in der Kommune gemacht. Hierfür stehen dem Stadtrat und der Verwaltung mehrere Instrumente zur Verfügung.
Eine Möglichkeit wäre die Verkehrslenkungsabgabe.
Mit Hilfe des kommunalen Steuerfindungsrecht steht es dem Stadtrat offen, Fahrzeuge, die im öffentlichen Raum abgestellt werden, mit einer täglichen, monatlichen oder jährlichen Abgabe zu belegen, die nach Hubraum, Gewicht, oder PS gestaffelt wird. Es kann auch zwischen Pendlern, Besuchern und Stadtbewohnern unterschieden.

Der Vorteil ist, dass diese “Lenkungsabgabe” Pendler und Besucher annimiert, Fahrgemeinschaften zu bilden oder den ÖPNV zu nutzen. Die Einnahmen werden für Maßnahmen verwendet, die städtisches Bike – & Carsharing sowie den Ausbau & Betrieb des öffentlichen ÖPNV ermöglichen.

Sicher hat nicht jede Stadt eine durchgängige Parkraumbewirtschaftung; man wird aber auch suchen müssen, bis man eine mit so verlotterten Sitten wie Leipzig findet.

Wien hat so was. Wisst Ihr wie die Wiener ihr vielbesprochenes und gelobtes 365-€-Ticket querfinanzieren? Die ganze Stadt ist eine einzige Kurzparkzone! Kurzparken heißt, dass alles was über 15 Minuten hinausgeht kostet. Es kostet Anwohnern 120 € im Jahr, ein Fahrzeug dauerhaft im eigenen Bezirk auf öffentlichen Grund stehenlassen zu dürfen. Die Flatrate für ganz Wien ist für schlanke 2.544 € im Jahr zu haben. Dazu kommen gepfefferte Verwaltungsgebühren. Laufkunden wie Touristen berappen für den Straßenrand 2,20 € die Stunde*, egal wo und wie lange. Und wage es keiner, sein Auto ohne entsprechendes Pickerl abzustellen! Die haben nicht so eine Ordnungsamtsimulation wie wir, sondern eine Behörde, die ohne Ermessen aber dafür sehr pflichtgemäß arbeitet. Nach einem, spätestens nach zwei Tagen steckt ein teures Ticket am Auto des Nassauers und wenn es verkehrsbehindernd abgestellt war (Gehweg, Radweg und so), dann ist es abgeschleppt. Aus eigener Anschauung: viele besorgen sich lieber einen Stellplatz auf Privatgrund, fast alle haben das 365-€-Ticket. Von Abzocke oder was es für ein schönes wienerisches Synonym dafür gibt redet niemand. Ist es auch nicht. Das ist kreatives, effizientes und bürgernahes Verwaltungshandeln. Und unter dem Aspekt „privilegierte Individualautomobilisten schießen was für die günstige Mobilität der Allgemeinheit zu“ ein klassisch sozialdemokratisches dazu.
*bitte jetzt schon um Vergebung, sollten die Tarife und Regeln nicht mehr aktuell sein.

@C
” dass es keinen Anspruch auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum gibt”
gilt das auch für Fahrräder, E-Roller …?

> In jeder großen europäischen Stadt gibt es eine durchgehende Parkraumbewirtschaftung.
Was ist damit genau gemeint? Ich konnte in den letzten Jahren in Berlin, Hamburg, Prag und Zürich auch kostenlose Parkplätze finden (in Zürich zugegebenermaßen sehr schwer). Entweder ist Ihre Verallgemeinerung falsch, dass ja “alle” schon “weiter” wären als wir, oder wir verstehen verschiedene Dinge darunter.

> dann wäre sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr mit einer deutlichen Entspannung zu rechnen.
Ich frage mich, ob dann, wenn dieser Zustand erreicht ist, auch die Leute entspannt und zufrieden sind, die derzeit im Kindergartenmodus von PS-Monstern, Dreckschleudern, Blechkisten und SUV-Panzern reden.

Alles auch eine Gerechtigkeits- und Egoismusfrage. Wenn diejenigen, die auf das Auto “nicht angewiesen” sind, auf das eigene Kfz verzichten würden – dann wäre sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr mit einer deutlichen Entspannung zu rechnen.

In jeder großen europäischen Stadt gibt es eine durchgehende Parkraumbewirtschaftung. Da ist es verstanden worden, dass es keinen Anspruch auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum gibt. Warum sollte das in Leipzig nicht durchsetzbar sein? Die dadurch erhobenen Gebühren können sicher sinnvoll eingesetzt werden.

Wo soll der Parkraum denn geschaffen werden? Jedes 3. oder 4. Wohnhaus abreisen, damit dort ein 5-stöckiges Parkhaus hochgezogen werden kann? Ich denke nicht…. Die Stadt wurde nicht für so viele Fahrzeuge konzipiert. Und trotz immer knapper werdenden Parkraums, werden die Fahrzeuge immer größer (und schwerer). Paradox oder? Und anstatt näher Richtung Arbeitsplatz zu ziehen, werden die Pendlerstrecken immer länger. Hauptsache man wohnt in Leipzig. Aber was hat man denn vom Stadtleben wenn man unter der Woche eigentlich nur arbeitet und pendelt? Und natürlich, eine schnellere Anbindung der großen Gewerbegebiete im Umland mit S-Bahn oder Überlandstraßenbahn würde natürlich abhilfe schaffen. Aber im Endeffekt würde ja trotzdem jeder lieber mit dem Auto fahren. Anders kann ich mir die 30-40Tsd Fahrzeuge an der ein oder anderen Dauerzählstelle im Stadtbereich nicht erklären.

Kann es sein, dass schon bald genau die in Schwierigkeiten kommen werden, die am Wenigsten dagegen tun können? Scheiß kleine Wohnung für teuer Geld, jeden Tag 1 Stunde pendeln, abends nach Stress mit der Arbeit und im Verkehr nach Hause kommen und kein (zumindest offizieller) Parkplatz mehr übrig. Sollen die ihr Auto mit ins Bett nehmen? Wetten dass die größten Nörgler noch friedlich im Bett liegen (das Auto auf einem guten Parkplatz, da früh zuhause gewesen und zu faul, das Auto in die Tiefgarage zu stellen), wenn sich die Pendler mit dem “geduldeten” Parkplatz schon wieder auf der Piste befinden? Das ist echt zum K… Beschwert Euch über das Fehlen von Parkraum und schlüssigen Verkehrskonzepten, aber nicht darüber, dass nur wenige Mieter über eine eigene Garage verfügen und ihren bejammernswerten Blechhaufen irgendwo über Nacht lagern müssen!

Über das Ärgernis in den betroffenen Straßen hinaus ist das Verhalten des OA insofern fatal, als es den Autobesitzenden suggeriert, es gäbe so etwas wie einen Anspruch darauf, sein Gerät irgendwo im öffentlichen Raum abstellen zu können, der vom Staat anerkannt wird, auch wenn Recht und Gesetz (StVO) eigentlich etwas anderes sagen…

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