Es ist laut in Leipzig. An einigen Straßen noch viel lauter als an anderen. 40.000 Leipziger und Leipzigerinnen leiden unter extrem hohem Kfz-Lärm. Und eigentlich sind Städte wie Leipzig dazu verpflichtet, die Lärmbelastung systematisch zu senken. Am Donnerstag, 4. August, stellte Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz, den neuen Lärmaktionsplan vor. Sozusagen auf den letzten Drücker.

Denn: „Die Stadt Leipzig ist gemessen an den Fristen des § 47d BImSchG mit der Lärmaktionsplanung stark in Verzug“, heißt es in der Vorlage zum neuen Lärmaktionsplan, den der Stadtrat im Herbst zur Beschlussfassung vorgelegt bekommt.

„Dies ist in Deutschland kein Einzelfall und die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb mit einem Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert. Aus diesem Grund drängen der Bund und der Freistaat Sachsen intensiv auf einen Beschluss der 2. Fortschreibung des Lärmaktionsplans und damit auf den Abschluss der 3. Stufe der Lärmaktionsplanung.“

Keine Zugriffsmöglichkeiten bei Bahn und Flughafen

Der Lärmaktionsplan für die Stadt Leipzig ist zum zweiten Mal gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) fortgeschrieben worden. Die Inhalte und Maßnahmen basieren auf den Ergebnissen der Lärmkartierung von 2017 und der Öffentlichkeitsbeteiligung im Sommer des vergangenen Jahres.

„Lärmaktionspläne leisten einen Beitrag zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor hohen Verkehrslärmbelastungen und sind alle fünf Jahre zu aktualisieren“, betont Peter Wasem.

„Der aktuelle Plan enthält Maßnahmen zur Minderung des Lärmes, der vom Kfz- und vom Straßenbahnverkehr verursacht wird. Maßnahmen gegen den Lärm des Eisenbahn- und Flugverkehrs werden nachrichtlich übernommen.“

Nachrichtlich heißt: Die Stadt kann da nicht viel machen. Für beide Themenfelder sind die Deutsche Bahn bzw. die Flughafengesellschaft zuständig.

Abgesehen davon, dass Lärmkartierungen in beiden Fällen nichts nützen, denn hier geht es nicht um dauerhafte Lärmpegel, wie sie an Hauptverkehrsstraßen zu erleben sind, sondern um Lärmspitzen.

Die auf Durchschnitt gerechneten Lärmbelastungen rund um den Flughafen sind sogar irreführend, weil dabei selbst Spitzen von 70, 80 und mehr Dezibel einfach „verschwinden“. Doch genau die reißen die Anwohner gerade nachts aus dem Schlaf.

Hauptlärmverursacher: motorisierter Verkehr

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung waren im Amt für Umweltschutz 23 Stellungnahmen eingegangen, die überwiegend den Kfz- und Flugverkehrslärm thematisiert haben. Alle Hinweise, Ideen und Vorschläge wurden geprüft und entsprechend im Plan berücksichtigt.

Insgesamt wurden 77 Einzelmaßnahmen definiert. Allein 22 Lärmminderungsmaßnahmen betreffen den Kfz- und Wirtschaftsverkehr, 17 weitere Maßnahmen die Förderung des ÖPNV sowie die Stärkung des Umweltverbunds. Als sogenannte ruhige Gebiete wurden 24 Flächen ausgewiesen, zu deren Schutz sechs Maßnahmen im Plan enthalten sind.

20 neu festgestellte Lärmbrennpunkte (von 32) im neuen Lärmaktionsplan. Grafik: Stadt Leipzig
20 neu festgestellte Lärmbrennpunkte (von 32) im neuen Lärmaktionsplan. Grafik: Stadt Leipzig

Bis spätestens zum Jahr 2024 sollen auch die aus der 1. Fortschreibung des Lärmaktionsplans noch nicht umgesetzten Maßnahmen an hochbelasteten Straßenabschnitten realisiert werden.

Dazu gehören zahlreiche stadtweite Lärmminderungsmaßnahmen sowie die konkrete Anordnung von Tempo 30 für 32 Lärmbrennpunkte im Stadtgebiet, teilt die Verwaltung mit.

In der Vorlage gibt Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal konkretere Werte für die noch nicht umgesetzten Maßnahmen an:

„Die hier vorgelegte 2. Fortschreibung des Lärmaktionsplanes zeigt, dass bereits 75 Prozent aller Maßnahmen der vorangegangenen Lärmaktionspläne der Stufen 1 und 2 umgesetzt wurden oder sich in Umsetzung befinden. Dazu gehören beispielsweise Tempo 30 in der Jahnallee, Kieler und Sommerfelder Straße, neue Gleise in der Bornaischen Straße, ein Rasengleis auf der Prager Straße zwischen Plato- und Riebeckstraße und neue Radwege im Täubchenweg, Karl-Heine- und Holzhäuser Straße.“

Der nun anstehende Beschluss der 2. Fortschreibung des Lärmaktionsplans in der Ratsversammlung soll den Weg für die Umsetzung weiterer Lärmminderungsmaßnahmen in der Stadt Leipzig ebnen.

Etwa 50 Prozent aller Maßnahmen der vorangegangenen Lärmaktionspläne der Stufen 1 und 2 sind bereits umgesetzt oder befinden sich in der Umsetzung, gibt die Verwaltung jetzt einen anderen Wert für die Umsetzung der Maßnahmen an.

40.000 leiden allein unter Kfz-Lärm

Die Umsetzung zeige eine flächenhafte Minderung der Kfz-Verkehrslärmbelastung im Stadtgebiet um 2 dB(A) ganztags, so die Stadt. Insbesondere entlang der hochbelasteten Straßenabschnitte der Antonienstraße, Max-Liebermann-Straße, Richard-Lehmann-Straße, Dufourstraße und des Nordplatzes haben die Betroffenenzahlen abgenommen.

Für den ersten Lärmaktionsplan 2012 wurden Auslösewerte von 70 dB(A) ganztags und 60 dB(A) nachts zugrunde gelegt, die in der Fortschreibung von 2018 um 3 dB(A) abgesenkt wurden.

Bei der Fortschreibung geht es darum, die Lärmpegel noch einmal deutlich zu senken.

„Die Auslösewerte wurden auf 65 dB(A) ganztags (LDEN) und 55 dB(A) nachts (LNight) abgesenkt“, heißt es in der Vorlage.

„Dadurch wurden zahlreiche Straßen- und Streckenabschnitt identifiziert, für die eine unübersichtlich große Anzahl an Maßnahmen umzusetzen wäre. Ein solches Pensum ist in der fünfjährigen Wirkzeit eines Lärmaktionsplanes nicht abzuarbeiten. Daher werden 32 Lärmbrennpunkte definiert. Das sind Abschnitte mit Lärmpegeln größer 70 dB(A) ganztags und/oder 60 dB(A) nachts, ergänzt um Teilabschnitte mit niedrigeren Lärmpegeln, und einer Betroffenheit von mindestens 20 Personen pro 100 Meter. Zudem wurden die im Zuge der 1. Fortschreibung des Lärmaktionsplans zunächst noch als Prüfaufträge formulierten Maßnahmen an hochbelasteten Straßenabschnitten zu konkreten Maßnahmen weiterentwickelt, die umzusetzen sind.“

Die Hauptlärmbetroffenen sind die Anwohner von Hauptverkehrsstraßen: „Demnach sind rechnerisch knapp 40.000 Leipziger Einwohnerinnen und Einwohner entlang der kartierten Straßenabschnitte ganztägig Pegeln von über 65 dB(A) ausgesetzt, die zu einer Erhöhung des Risikos gesundheitlicher Beeinträchtigungen führen können. Die Anzahl der Personen, welche nachts mit Pegeln oberhalb der Grenze zur Gesundheitsrelevanz von > 55 dB(A) belastet sind, ist mit knapp unter 38.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ähnlich hoch.“

Und auch im Straßenbahnnetz gibt es einige sehr laute Straßenabschnitte: „Laut Kartierung sind ganztags noch über 16.000 und nachts über 20.000 Personen von gesundheitlich bedenklichen Pegelwerten durch den Stadt- und Straßenbahnlärm betroffen.“

Bei den wirksamen Maßnahmen begegnet man dann einigen alten Bekannten. Nicht ohne Grund kämpft Leipzig im Bund auch darum, mehr Handlungsspielraum für die Verhängung von Tempo 30 zu bekommen. Denn die Verringerung von Tempo 50 auf Tempo 30 bringt schon eine Lärmminderung von 3 dB(a).

Die Verringerung von Schwerlastanteilen oder der Bau von Radfahrstreifen schlagen mit 1 dB (A) zu Buche. Ein Austausch des Fahrbahnbelags bringt 5, eine Sanierung von Fahrbahnschäden 3 dB(a). Beides aber ist meist nicht kurzfristig umsetzbar.

Wobei die Vorlage betont, dass Leipzig praktisch unter heftigem Zeitdruck steht und in den nächsten 5 Jahren deutliche Verbesserungen vorweisen muss.

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