Als wären gar keine zwei Jahre vergangen, hat es das Leipziger Ordnungsamt fertiggebracht, eine Anfrage der SPD-Fraktion fast mit denselben Argumenten zu beantworten, mit denen das Amt schon vor zwei Jahren die Verhängung eines Rauchverbots auf Leipziger Spielplätzen für unmöglich erklärt hat. Den Beschluss des Stadtrats vom Mai 2020 hat das Amt seitdem fröhlich ignoriert.
Zwischenzeitlich wurde das Ordnungsamt sogar aufgestockt, um auch mehr Streife laufen zu können – demnächst auch mit Hunden. Die Leipziger Parks gehören dann auf jeden Fall zu ihrem Revier. Und dann wäre es kein Problem, stichprobenartig auch einige der 300 Leipziger Spielplätze anzulaufen.
Aber als jetzt die SPD-Fraktion anfragte, was aus dem Beschluss von 2020 geworden ist, legte augenscheinlich ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes nur den – ablehnenden – Bescheid von 2020 auf den Kopierer, schrieb ein neues Datum drauf und schickte es ins Rathaus. So ungefähr könnte das passiert sein.
Denn an der Argumentation des Ordnungsamtes hat sich seitdem überhaupt nichts geändert.
Klar ist das eine Gefahrensituation – aber was geht uns das an?
„In der Abwägung eines Rauchverbots auf Spielplätzen ist folgendes zu beachten“, erklärt es der SPD-Fraktion in seiner Antwort lang und breit.
„Für den Erlass einer Polizeiverordnung ist zunächst das Vorliegen einer abstrakten Gefahr erforderlich, was immer dann gegeben ist, wenn aus bestimmten Handlungen und Zuständen nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse typischerweise Gefahren für ein polizeiliches Schutzgut entstehen. Die Gefahrensituation ist dabei nicht real in einem einzelnen Fall vorhanden, sondern besteht in einer unbestimmten Zahl im Einzelnen nicht bekannter Fälle. Der Eintritt des Schadens für ein polizeiliches Schutzgut muss dabei hinreichend wahrscheinlich sein. Polizeiliches Schutzgut wäre hier die Gesundheit der spielenden Kinder.“
Das wäre schon einmal ein starkes Argument, ein Rauchverbot zu verhängen.
Das findet das Ordnungsamt aber bis heute nicht und dreht die Argumentation einfach um: „Die Aufnahme eines Rauchverbots auf öffentlichen Spielplätzen in die Polizeiverordnung wäre somit sowohl unter dem Aspekt des Schutzes vor Belästigungen und gesundheitlichen Folgen, als auch unter dem Gesichtspunkt der negativen Beispielwirkung rechtlich nicht unzulässig, im vorliegenden Fall dennoch nicht angezeigt. Problematisch ist, dass nicht alle frei zugänglichen Spielplätze der Stadt Leipzig unter den Geltungsbereich der Polizeiverordnung fallen. Zu den ca. 320 Spielplätzen der Stadt Leipzig kommt eine Vielzahl von Spielplätzen, welche in privatem Eigentum (z. B. Wohnungsgenossenschaften) stehen.“
Was sucht das Ordnungsamt auf privaten Spielplätzen?
Man sieht den Sachbearbeiter regelrecht vor sich, wie er sich an seinen Schreibtisch klammert und sich den Kopf zermartert, mit welchen Argumenten er den Stadtratsauftrag von 2020 noch so alles aushebeln kann – und verhindern kann, dass er mit Brotbüchse und Zettelblock ausschwärmen muss, um Spielplätze zu kontrollieren.
Denn er jedenfalls ist felsenfest der Überzeugung: „Dort (auf privaten Spielplätzen, die das Ordnungsamt der Stadt überhaupt nichts angehen, d.Red.) wäre ein Rauchverbot nach der Polizeiverordnung nicht durchsetzbar und käme demnach nur infrage, wenn die Eigentümer analoge privatrechtliche Regelungen festlegen und diese auch durchsetzen. Eine unterschiedliche Handhabung würde eine ungehinderte und wirksame Kontrolle durch die städtischen Inspektoren maßgeblich erschweren, was wahrscheinlich wiederum Unverständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern verursacht.“
Ein echtes Nonsens-Argument. Denn er weiß, dass es nur um öffentliche Spielplätze der Stadt Leipzig geht, wo die Stadt „Organisationshoheit“ hat.
Da wäre ein Rauchverbot sogar naheliegend, denn: „Eine etwaige Belästigung z. B. durch Zigarettenrauch sowie eine Verunreinigung durch weggeworfene Zigarettenreste stellen auch jetzt schon Handlungen dar, die nach der Polizeiverordnung bzw. dem Kreislaufwirtschaftsgesetz unzulässig sind und gegen die damit ordnungsrechtlich vorgegangen werden kann.“
Wer soll den 300 Spielplätze kontrollieren?!
Und dann kommt wieder das Aber des die frische Luft scheuenden Mitarbeiters:
„Unabhängig davon, in welcher Rechtsform ein solches Verbot erlassen wird, besteht die Erwartungshaltung, die Einhaltung zu kontrollieren, Verstöße zu sanktionieren und im Einzelfall geeignete Gefahrenabwehrmaßnahmen zu veranlassen. Eine regelmäßige und dauerhafte Kontrolle der vorgenannten über 300 Spielplätze der Stadt Leipzig ist in Beachtung der Erwartungshaltung unrealistisch. Eine Regelung des Rauchverbots auf Spielplätzen ist demnach in der Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung aus faktischen Gründen aus Sicht des Dezernates Umwelt, Klima, Ordnung und Sport nicht angezeigt.“
An der Stelle muss der Mann mit sich völlig zufrieden die „Sende“-Taste betätigt haben oder die Briefmarke auf den Umschlag geklebt: Gefahr abgewehrt. Thema vom Tisch.
Keine Vorlage seit zwei Jahren
Dass die Verwaltung in ihrer Antwort der eigentlichen Frage einfach ausgewichen ist, hat nicht mal SPD-Stadtrat Christopher Zenker gemerkt, der am 13. Juli in der Ratsversammlung noch eine Nachfrage hatte.
Denn auf Antrag des Jugendparlaments hatte der Stadtrat 2020 beschlossen: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, eine Vorlage zu erarbeiten, die eine generelles Rauchverbot für Spielplätze, Kitas, Schulen sowie Eingangsbereich zu öffentlichen Gebäuden, insbesondere der Stadtverwaltung, ermöglicht. Dabei soll eine Verschärfung der bisherigen gesetzlichen Lage durch kommunalrechtliche Schritte forciert werden.“
Die lange Erklärung, warum es aus Sicht eines Ordnungsamtsmitarbeiters nicht ratsam wäre, so ein generelles Rauchverbot auf Spielplätzen zu verhängen, ergibt keine Antwort darauf, warum diese Vorlage nicht erarbeitet wurde. Denn rechtlich spricht ja nichts dagegen – nur die Bequemlichkeit.
Und dann war da noch etwas, worüber auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Christopher Zenker erst stolperte, als er die Beschlussvorlage von 2020 noch einmal genauer las.
Denn da stand im Beschluss auch – von der Grünen-Fraktion mit einem Änderungsantrag beantragt: „Die Verwaltung wird beauftragt, an fünf Stellen in verschiedenen Leipziger Parks in einem Modellprojekt Rauchverbotszonen zu schaffen. Diese Rauchverbotszonen könnten z. B. an ausgewiesenen Spielwiesen für Kinder ausgesprochen werden. Nach einem Zeitraum von 1 Jahr soll die Maßnahme evaluiert werden.“
Da verblüffte es schon, dass Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal davon am 13. Juli überhaupt nichts wusste. Vielleicht verblüfft es auch nicht. Denn wenn man Beschlüsse in der Ablage verschwinden lässt und nicht umsetzt, bekommt auch der zuständige Bürgermeister keine Zuarbeit. Auch keine Evaluierung nach einem Jahr, wie die fünf Pilotprojekte funktioniert haben.
Das Ergebnis der SPD-Anfrage ist also in allen Punkten: Dieser Stadtratsauftrag wurde nicht umgesetzt. Das zuständige Amt hatte einfach keine Lust dazu.
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