Da war auch die Fraktion Freibeuter ein wenig überrascht, als ihr Antrag „Auswirkungen von städtischen Entscheidungen auf bezahlbares Wohnen“ in der Ratsversammlung am 13. Juli eine Mehrheit fand. Aber augenscheinlich zeigte die Rede von FDP-Stadtrat Sven Morlok Wirkung, der vehement dafür plädierte, dass die Ratsmitglieder mehr Informationen brauchen, welche Auswirkungen ihre Beschlüsse auf bezahlbares Wohnen haben – positive wie negative.

Bislang gibt es auf den Stadtratsvorlagen schon ein solches Kästchen, das die Verwaltung ankreuzen kann. Dann wissen die Ratsfraktionen zumindest, dass ihre Entscheidung Auswirkungen auf bezahlbares Wohnen hat. Positive zumeist, wie Morlok betont.

Aber das reiche nicht, erklärte er. Sie müssten auch wissen, ob es auch negative Auswirkungen gibt. Und dann abwägen können.

Aber schon die Beispiele, die er nannte, machten deutlich, was für ein vermintes Terrain hier beschritten wird. Denn natürlich können Aufwertungen wie Parks und Schulen oder Photovoltaik auf dem Dach solche Auswirkungen haben und am Ende den Mietpreis erhöhen.

Wobei die Solaranlage auf dem Dach auch das Gegenteil bewirken kann, wenn sie zum Beispiel Mieterstrom ermöglicht. Und dass Vermieter die Aufwertungen im Umfeld des Hauses – Schulen, Kitas, Parks, Spielplätze usw. – dann auch noch als Argument zur Erhöhung der Miete nutzen, ist zumindest ein sehr fragwürdiges Vorgehen.

Dann kommen nämlich Investitionen der Stadt, die von allen Steuerzahlern bezahlt wurden, wieder nur einer zahlungskräftigen Klientel zugute, die sich die Mieten dann noch leisten kann.

Weber: Es sollte doch vor allem um bezahlbares Wohnen gehen

Und Linke-Stadtrat Mathias Weber, der vehement gegen den Antrag sprach, machte auch deutlich, dass es eigentlich in Leipzig immer noch darum geht, überhaupt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das müsste das zentrale Ziel sein.

Auch CDU-Stadträtin Sabine Heymann sprach gegen den Antrag. Denn es ist absehbar, dass die Verwaltung deutlich mehr Arbeit hat, wenn sie – wie im Freibeuter-Antrag zu lesen – in jeder Vorlage dafür sorgen muss, dass eine „Vorlagenprüfung hinsichtlich der Auswirkungen auf bezahlbares Wohnen erfolgt, innerhalb der Vorlagensystematik sowie im strategischen Zielsystem des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes Leipzig 2030 (INSEK)“.

Das erhöht den Personalaufwand deutlich und wird – das ist absehbar – etliche Vorlagen verzögern. Weshalb auch OBM Burkhard Jung dringend darum bat, dem Freibeuter-Antrag nicht zuzustimmen.

Doch die Ratsversammlung stimmte dem Freibeuter-Antrag am Mittwoch, 13. Juli, nach intensiver Debatte mehrheitlich zu, nämlich mit 28 Ja-Stimmen, 23 Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Was aus Freibeuter-Sicht bedeutet, dass nun auf den ersten Blick transparent werde, welche Auswirkungen die Stadtratsbeschlüsse auf bezahlbares Wohnen haben.

„Es ist zwingend erforderlich, die Entscheidungen des Stadtrats in Bezug auf ihre Folgen auf den Wohnungsmarkt zu hinterfragen. Leipzig muss für bezahlbaren Wohnraum sorgen und dabei so ehrlich sein, konkret aufzuzeigen, wenn Maßnahmen eine negative Auswirkung auf bezahlbaren Wohnraum haben“, sagte anschließend Sven Morlok (FDP), Vorsitzender der Fraktion Freibeuter.

Werden Entscheidungen jetzt transparenter?

Seine Fraktion betont sogar: „Gegen die Stimmen des Oberbürgermeisters, der Linksfraktion und großen Teilen der CDU muss die Verwaltung nun einen Umsetzungsvorschlag erarbeiten. Fraktionen und Stadtverwaltung sollen von nun an die Folgen ihrer Entscheidungen in Bezug auf erschwinglichen Wohnraum hinterfragen und sich bei einzelnen Beschlüssen auch transparent gegen dieses Ziel positionieren, wenn dies nach sachlicher Abwägung erforderlich ist.“

Die Grünen hatten schon ihre Zustimmung angekündigt. Denn augenscheinlich lief es in den Ausschüssen, die sich mit dem Antrag beschäftigt hatten, nicht ganz so übersichtlich, wie es in der Debatte schien. Dort würden zwar die Stadträte ausführlich auch über die Auswirkungen von Vorlagen auf das bezahlbare Wohnen informiert, so Mathias Weber.

Aber wohl doch nicht ausreichend. Grüne-Stadträtin Kristina Weyh jedenfalls hatte das Gefühl, dass es trotzdem ein Instrumentarium brauche, das es den Fraktionen ermöglicht, positive und negative Auswirkungen gegeneinander abzuwägen.

„Im bisherigen Prüfprozess wurden nur positive Auswirkungen betrachtet. Wir steuern auf massive Verteilungskämpfe zu“, sagte Morlok. „Das alltägliche Leben wird zunehmend schwerer zu bezahlen. Uns geht es daher darum, mieterhöhende Beschlüsse zu erkennen und diese bewusst besonders sorgfältig abzuwägen. Sonst kann es nur allzu leicht passieren, dass am Ende mehr gegen die Bürgerinnen und Bürger als für sie getan wird.“

Was dann freilich schon etwas anders klingt als in seiner Stadtratsrede, wo er vor allem für Transparenz und Nachvollziehbarkeit plädierte, damit auch die Bürger nachvollziehen können, welche Argumente im Abwägungsprozess eine Rolle spielten.

Ob das freilich klarer wird, wenn die Stadt auch noch angibt, was in der jeweiligen Vorlage positiv und was negativ auf die Miethöhe wirkt, ist offen. Denn das Schema, wie die Stadt das machen soll, ist noch völlig offen.

Denn es sind eben eher nicht die in der Diskussion genannten Dinge, die Bauen und Wohnen teurer machen, sondern ganz andere wie Tiefgaragen, Fahrstühle, Loggien, Ausstattungen, Energieversorgung, verwendete Baustoffe usw.

Aber das geht schon ganz tief in den Zuständigkeitsbereich von Planern und Architekten. Da kann man jetzt wirklich gespannt sein, was für ein Prüfschema die Stadt da vorlegen wird.

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