Am 15. Mai feierte die Leipziger Notenspur ihren zehnten Geburtstag. Ein Geburtstag, der neidisch machen könnte, denn mit der Notenspur wird die Musikstadt Leipzig im Stadtraum erlebbar. Aber wo bleibt da die Buchstadt? Ist die nicht viel mehr vom Vergessen bedroht? Die Grünen-Fraktion im Stadtrat jedenfalls beantragt jetzt auch eine Bücherspur.
„Eines aber wurde schon nach kurzer Zeit deutlich: Das ‚Prinzip Notenspur‘ funktionierte. Sowohl Individualtouristen als auch Gruppen und Einheimische machten sich auf Spurensuche rund um die 23 Stationen der Notenspur“, schrieb der Notenspur e. V. zum zehnjährigen Jubiläum.
„Die Museen und Komponistenhäuser – insbesondere die außerhalb des ‚Ringes‘ – verzeichneten merklichen Besucherzuwachs, nationale und internationale Gremien, Institutionen und Journalisten wurden aufmerksam auf das Besondere, das in Leipzig entstanden war.“
Fällt den Liebhabern der einstigen Buchstadt jetzt auf die Füße, dass es – bis auf das Schillerhäuschen – eigentlich keine Literatur-Gedenkstätten in der Stadt gibt? Das muss nicht sein.
Denn spätestens bei einer Führung durch das Grafische Viertel entdecken Besucher, dass noch so manches Gebäude an einst hier ansässige (weltberühmte) Druckereien und Verlage erinnert. Man kann das Literaturhaus / Haus des Buches besuchen und das Museum für Druckkunst in Plagwitz.
Es ist im Grunde wie bei der Musikstadt: Wer erst einmal sucht, findet lauter Anlaufpunkte, an denen die alte Buchstadt noch heute zu greifen ist, wenn auch oft umgebaut und umgenutzt wie beim einstigen BUGRA-Messehaus am Gutenbergplatz, an dem sich noch heute die Gutenbergschule befindet.
„Leipzig war und ist nicht nur Musikstadt, sondern eben auch Buchstadt. Ohne das Buch, die zahlreichen Verlage, Druckereien, Bibliotheken, ohne die vielen berühmten Autorinnen und Autoren, für die Leipzig ein kultureller Dreh- und Angelpunkt war und ist, ohne die Leipziger Buchmesse und ohne die Kultur der Buchhandlungen, überhaupt ohne die Leipziger Lesekultur ist unsere Stadt nicht denkbar. Kurz, Leipzig ist eine Welthauptstadt des Buches und kann daher auf ein reiches Erbe Buchgeschichte zurückgreifen“, schreibt die Grünen-Fraktion in ihrem Antrag, mit dem sie die Einrichtung einer Bücherspur auf die Tagesordnung bringt.
Was ja nicht das Problem sein sollte, wenn sich auch ein engagierter Mann wie Prof. Werner Schneider findet, der die Notenspur ja schon etliche Jahre vor ihrer feierlichen Eröffnung ins Bewusstsein der Stadt gebracht hat, ohne zu wissen, ob die Sache am Ende klappt.
Es kann auch alles virtuell sein
Die Grünen freilich wollen das Notenspur-Projekt nicht doppeln: „‚Analog zur Leipziger Notenspur‘ bedeutet nicht, dass die Formen der Präsentation mit denen der der Notenspur identisch sein sollen. Denkbar sind in diesem Fall die Nutzung z. B. virtueller Formen, digitaler Medien, interaktiver Karten (Kompass) etc.“
Und dann fällt auch den Grünen eine Menge ein, was man in so eine Bücherspur einbinden könnte: „‚Stationen‘ beispielsweise einer städtischen ‚Wanderkarte‘ reichen von musealen Ausstellungen zum Thema Buch [Werkstattmuseum für Druckkunst, Reclam-Museum, Universitätsbibliothek Leipzig (z. B. Schauraum Papyrus Ebers), aktuelle Ausstellungen und auch Dauerausstellungen in der Deutschen Nationalbibliothek, Haus des Buches usw.] bis hin zu Hinweisen zu ehemaligen und aktuellen Verlagsstandorten, Gedenkorten und Wohnorten berühmter Autorinnen und Autoren.“
Es gibt sogar einen Stadtplan, der allein das literarische Leipzig erlebbar macht: Ansgar Bachs „Literarisches Leipzig“, das 2011 im Verlag Jena 1800 erschien. Allein die Autorinnen und Autoren aus „Pleiß-Athen“ lohnen eine Entdeckung.
„Eine enge Abstimmung mit z. B. der Leipzig Tourismus und Marketing (LTM) GmbH und städtischen Einrichtungen wie dem Stadtgeschichtlichen Museum wäre wichtig“, finden die Grünen. „Nicht zuletzt das aktuelle Ringen um den Bestand der Buchmesse führt deutlich vor Augen, wie wichtig die Pflege der vielfältigen Buchtraditionen in Leipzig ist.“
Und natürlich könnte mehr Präsenz im öffentlichen Raum auch den jüngeren Leipzigerinnen und Leipzigern zeigen, welche Rolle die Stadt einmal im literarischen Leben Deutschlands gespielt hat.
Und so lautet der Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zu prüfen, ob es in Hinblick sowohl auf die Erinnerungskultur als auch auf die touristische Attraktivität Leipzigs sinnvoll ist, analog zum Modell der Leipziger Notenspur eine Leipziger Bücherspur (Arbeitstitel) zu entwickeln.“
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