Jรผngst waren hier Katzen als groรŸe Gefahr fรผr Wildvรถgel Thema, aber eine noch grรถรŸere Gefahr sind groรŸe Glasscheiben, an denen auch in Leipzig jedes Jahr viele Wildvรถgel den Tod finden. Mit 35 km/h knallen sie dagegen, weil sie die Scheibe schlicht nicht wahrnehmen, und werden zu โ€žPiepmatschโ€œ, wie Linke-Stadtrat Michael Neuhaus in seiner Stadtratsreede am 15. Juni launig formulierte.

Der Antrag war nicht neu. Aber am 21. April 2021 hatte Neuhaus Pech. Da lehnte die damalige Stadtratsmehrheit den Antrag โ€žGlasklar fรผr Vogelschutzโ€œ knapp mit 24:27:10 Stimmen ab. Was Neuhaus bis heute nicht versteht. Denn die Fakten liegen auf dem Tisch.

Und auch im Bau gelten die Paragrafen des deutschen Naturschutzgesetzes, die das Tรถten von wild lebenden Vรถgeln generell untersagen. Wer riesige Glasfronten in seine Neubauten integriert und keine sichtbaren Warnzeichen fรผr die Vรถgel daran anbringt, verstรถรŸt ganz eindeutig gegen dieses Tรถtungsverbot.

Und so viele Glasfronten, wie in den letzten Jahren in Leipzig entstanden, deutet manches darauf hin, dass รผber diesen Fakt auch bei etlichen Baugenehmigungen hinweggesehen wurde. Auch wenn das Amt fรผr Bauordnung und Denkmalpflege in seiner Stellungnahme fรผr die Stadtverwaltung darauf hinwies, dass die Bauherren in Beratungsgesprรคchen sehr wohl darauf hingewiesen wรผrden.

Aber es gehรถrt eben nicht zu den verbindlichen Prรผfpunkten bei Bauantrรคgen. Sodass augenscheinlich etliche Bauherren noch immer glauben, das sei einfach nur eine nette Empfehlung โ€“ und damit auch Folgekosten in Kauf nehmen. Denn das Tรถten der Vรถgel ist strafbar.

Erst tote Vรถgel einsammeln, bis reagiert wird?

In seiner Einbringungsrede am 15. Juni erlรคuterte Neuhaus, wie das fรผr gewรถhnlich ablรคuft. Denn wenn der Vogelschutz in Baugenehmigungsverfahren keine Rolle spielt, sind auch die Leipziger Naturschutzverbรคnde dazu verdammt zu warten, bis der Bau fertig ist und die ersten Vรถgel sich an der Glasfront den Hals brechen.

Er brachte das Ganze zwar sehr witzig rรผber. Aber das Thema ist ernst. โ€žBauweisen mit besonders viel Glas, umgangssprachlich auch Glaskรคsten genannt, sind nicht nur deshalb bedenklich, weil sie dem Ziel einer รถkologischen Durchgrรผnung der Stadt entgegenstehen, sondern sie entpuppen sich immer wieder als Todesfallen fรผr Vรถgelโ€œ, formulierte es der Linke-Antrag.

โ€žObwohl alle europรคischen Vogelarten nach dem EU-Recht geschรผtzt sind und den besonderen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes genieรŸen, bleiben unzรคhlige durch Glasfronten verursachte Todesfรคlle ungeahndet und ebenso unbeachtet. Um zu verhindern, dass heutige Allerweltsarten durch Bebauung zu Raritรคten werden und seltene Arten aus den stรคdtischen Lebensrรคumen vollends verschwinden, mรผssen โ€šGlaskรคstenโ€˜ auf ihre Gefahr fรผr Vรถgel รผberprรผft und ggf. durch die Naturschutzbehรถrde beauflagt werden.โ€œ

Damit das Thema beim Bauantrag also nicht mehr untergeht, beantragte die Linksfraktion zuallererst: โ€žDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, Bauantragstellende, deren Vorhaben Glasflรคchen mit Einzelflรคchen von mehr als 5 mยฒ beinhaltet, nachweislich unverzรผglich nach Antragstellung auf die aus durchsichtigen Glasflรคchen drohenden Gefahren fรผr wildlebende Vรถgel sowie das Tรถtungsverbot gemรครŸ ยง 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hinzuweisen. Dabei ist den Antragstellenden mindestens ein Beratungsangebot fรผr vogelschรผtzendes Bauen nachzuweisen.โ€œ

Und auf den Landesgesetzgeber soll der Oberbรผrgermeister dahin gehend Einfluss nehmen, โ€ždass der Schutz wildlebender Vรถgel vor den aus durchsichtigen Glasflรคchen drohenden Gefahren effektiv โ€“ รผber den Regelungsinhalt des ยง 44 BNatSchG hinaus โ€“ zu einem im Baugenehmigungsverfahren prรคventiv zu berรผcksichtigendem รถffentlichem Belang entwickelt wird.โ€œ

Das Beste wรคre natรผrlich, es wird zu einem Soll-Punkt in jedem Bauantrag. Sodass auch Bauherren langsam lernen, dass Naturschutz eben nicht nur diese quengeligen Naturschutzvereine etwas angeht. So hat das eben viel zu lange nicht funktioniert.

Und augenscheinlich haben da inzwischen auch ein paar Stadtrรคt/-innen mehr verstanden, worum es eigentlich geht. Diesmal bekam der Antrag mit 33:22 Stimmen eine deutliche Mehrheit.

Und natรผrlich fand die Entscheidung postwendend ein positives Echo bei denen, die Jahr fรผr Jahr um das Leben der Wildvรถgel in Leipzig kรคmpfen.

Freude und Bedauern beim NABU Leipzig

Der NABU Leipzig begrรผรŸt den am 15. Juni von der Ratsversammlung gefรคllten Beschluss und hofft auf eine konsequente und rasche Umsetzung, teilt er mit, bedauert allerdings, dass mit diesem Beschluss eine zeitnahe Lรถsung des Problems nicht erreicht werden kรถnne.

Deshalb fordert der NABU Leipzig einen 4-Punkte-Plan gegen Vogelschlag, welcher kurzfristig umzusetzende MaรŸnahmen enthรคlt:

1.    proaktive Information von Bauherren
2.    Sofortprogramm fรผr Wartehรคuschen
3.    vorbildhafter Vogelschutz an stadteigenen Gebรคuden
4.    Berรผcksichtigung von Vogelschutz bei Ausschreibungen und Architekturwettbewerben

Was hinter den Forderungen des NABU steckt, berichten wir im nรคchsten Beitrag.

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