Es passiert in letzter Zeit immer öfter, dass man beim Checken der großen Nachrichtenseiten über Sätze und Geschichten stolpert, bei denen man stutzt. Da wird über die eigene Stadt berichtet – aber die Geschichte stimmt irgendwie nicht. So ging es uns jüngst auch mit einer Geschichte über Stadtbeleuchtung im „Spiegel“. „Folge hoher Strompreise: Städte sparen bei der Straßenbeleuchtung“, hieß die. Und Leipzig kam auch drin vor. Irgendwie.
Dass das große deutsche Nachrichtenmagazin hier wohl selbst nicht recherchiert hat, sondern nur eine dpa-Meldung verwurstet hat, kann man am Autorenkürzel sehen. Im Artikel des „Spiegel“ kann man dann den etwas wunderlichen Satz lesen: „In Leipzig und Dresden sollen die Straßen weiterhin etwa acht Stunden in der Nacht beleuchtet werden. Kürzere Betriebszeiten seien nicht geplant.“
Mehr steht zu Leipzig nicht drin.
Aber die Aussage widerspricht so ziemlich allem, was wir in den vergangenen Jahren zur Leipziger Stadtbeleuchtung erfahren und berichten konnten. Von einer 8-Stunden-Regel war nie die Rede. Und Strom gespart werden soll auf ganz andere Weise – nämlich über einen Masterplan Licht, mit dem die komplette Stadtbeleuchtung auf sparsamere LED-Beleuchtung umgestellt werden soll. 2019 wurde der Masterplan vorgestellt.
Ein ehrgeiziges Projekt. „Bis die ganze Stadt flächendeckend mit LED-Leuchten ausgestattet ist, wird es wohl mindestens zehn Jahre dauern, wie Michael Mahler vom Verkehrs- und Tiefbauamt, Abteilung Stadtbeleuchtung, betont. Von den über 54.000 Leuchten im Stadtgebiet sind bislang erst zehn Prozent mit LED-Leuchten ausgestattet“, schrieben wir damals.
Und nutzten jetzt natürlich die Gelegenheit, wieder nachzufragen, wie es um das Projekt steht.
Und das Ergebnis ist etwas ernüchternd. Denn mit den derzeit vom Stadtrat bereitgestellten Mitteln wird es die Abteilung Stadtbeleuchtung nicht bis 2030 schaffen, die ganze Stadt auf LED umzustellen, sondern erst bis 2065.
Was dem Masterplan widersprechen würde. Wenn der umgesetzt werden soll, braucht es deutlich mehr Geld. Aber der Effekt ist schon bei den 21 Prozent, die schon umgestellt wurden, sichtbar. Die Anschlussleistung konnte – bei steigender Leuchtenzahl – um 15 Prozent gesenkt werden.
Da die Fragen aus der Abteilung Stadtbeleuchtung des Verkehrs- und Tiefbauamt sehr ausführlich beantwortet wurden, bringen wir hier Fragen und Antworten komplett.
Wie hat sich der Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung in Leipzig seit 2011 entwickelt? Bitte Gesamtmenge pro Jahr angeben.
Die Anschlussleistung der öffentlichen Beleuchtung betrug 2011 5,967 Megawatt, bei einem Leuchtenbestand von 52.541 Stück. Sie wurde bis 2022 auf 5,105 Megawatt reduziert, bei einem Leuchtenbestand von nun 55.157 Stück.
Der Stromverbrauch wurde von 2011 bis 2022 um 14,4 % gesenkt, bei einer Zunahme der Leuchten von 5 %.
Wie weit ist der Umbau zur LED-Beleuchtung fortgeschritten und wann ist mit größeren Fortschritten bei diesem Umbau zu rechnen? Beim bis 2020 ablesbaren Tempo von gerade einmal 500 bis 1.000 Lampen pro Jahr dürfte Leipzig erst um das Jahr 2080 herum komplett umgestellt sein. Ist geplant, das zu forcieren? Oder hat die Abteilung Stadtbeleuchtung dafür gar nicht die Kapazitäten?
Beim Neubau von Straßenbeleuchtungsanlagen werden generell nur noch LED Leuchten eingesetzt, gegenwärtig beträgt der Anteil an der Straßenbeleuchtung bereits 21 %. Bei einer Umrüstung von ca. 1.000 Leuchten pro Jahr würde die Umstellung 2065 abgeschlossen sein. Die Umrüstung kann mit eigenen Montagefachkräften und mit Fremdfirmen abgedeckt werden, die Geschwindigkeit ist aber letztlich (auch) eine Frage verfügbarer Haushaltsmittel.
Welcher jährliche Etat steht für den Umbau der Technik zur Verfügung und wie viele Lampen kann man davon tatsächlich von herkömmlichen Lampen auf LED umstellen? Wie hoch müsste der Etat tatsächlich sein, um die Umstellung tatsächlich schneller voranzutreiben? Braucht es dafür einen Extra-Stadtratsbeschluss?
Für den jährlichen Betrieb, die Wartung und Instandhaltung (dazu gehören Tiefbauleistungen für Kabelreparaturen, Austausch defekter Lichtmaste, Mastprüfungen, Austausch und Erneuerung von Sachaltschränken und Schadensbeseitigung) wurde 2021 ein Etat von 1,25 Millionen Euro bereitgestellt.
Aus diesem Etat erfolgte auch ein begrenzter Austausch mit LED Leuchten. In den letzten drei Jahren wurden zudem jährlich 150.000 Euro zusätzlich für die Umstellung auf LED Leuchten bereitgestellt, womit ca. 300 Leuchten / a auf LED umgerüstet werden konnten.
Um die Umstellung zeitnah, z. B. in 10 Jahren bis 2032 abzuschließen, müssten pro Jahr 4.357 Leuchten umgerüstet werden. Über die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel entscheidet letztlich der Stadtrat mit seinem Beschluss über den jeweiligen Doppelhaushalt der Stadt, in dem, wie ausgeführt, alle Investitionserfordernisse der Stadt abgewogen berücksichtigt werden müssen.
Gegenüber dpa hat die Stadt angegeben, dass man an der Einschaltzeit der Straßenbeleuchtung nichts ändern wolle und die Lampen acht Stunden in der Nacht brennen sollen. Was ja Unfug ist, falls dpa das wirklich richtig wiedergegeben hat. Wie genau ist das Schaltregime der Leipziger Straßenbeleuchtung tatsächlich eingerichtet? Richtet es sich nicht eher nach Sonnenauf- und -untergang? Und wenn ja: In welcher zeitlichen Abhängigkeit?
Ja, der Betrieb der Straßenbeleuchtung erfolgt nach einem „Brennkalender“. Im Gesamtjahr ist die Beleuchtung 4.029 Stunden in Betrieb, wobei die Ein- und Ausschaltung mit entsprechender Sensorik nach Sonnenauf- und Sonnenuntergang gesteuert wird. Die Anstrahlungsanlagen werden mit Beginn der Dunkelstunden in Betrieb genommen und 24:00 Uhr ausgeschaltet. Ihre Betriebszeit beträgt 1.738 Stunden im Jahr.
Und welche Bestrebungen gibt es, die nächtliche Lichtbelastung in Leipzig spürbar zu reduzierten?
Um die nächtliche Lichtbelastung weiter zu reduzieren, werden im Neubau und in der Umrüstung nur noch abgeschirmte LED Leuchten eingesetzt, sodass kein Licht mehr in oder oberhalb der Horizontale abgestrahlt wird. In der Planung wird der tatsächliche Beleuchtungsbedarf festgestellt, um die Lichtleistung möglichst gering zu wählen.
Mit der Zentralsteuerung der Straßenbeleuchtung wird in den verkehrsschwachen Zeiten von 22 bis 6 Uhr eine Leistungsreduzierung bei dafür geeigneten Leuchten durchgeführt. Die Energieeinsparung beträgt hier beim konventionellen Leuchtmittel (Natriumdampf-Hochdrucklampen – gelb oranges Licht) 30 % und bei den LED-Leuchten 50 %.
Mit dem Einsatz dynamischer Lichtsteuerungen wird es zudem in dafür geeigneten Bereichen zukünftig möglich sein, in den verkehrsschwachen Dunkelstunden die Beleuchtung auf eine Grundbeleuchtung abzusenken und z. B. Radwegen mit Leuchten und entsprechender Sensorik auszurüsten und nur bei Bedarf zu beleuchten.
Es gibt 6 Kommentare
An die (Einspar-)Möglichkeiten von 100% solarer LED-Straßenbeleuchtung denkt in Leipzig offenbar niemand?! Sicher nicht flächendeckend, aber punktuell auf jeden Fall sinnvoll, wenn man Qualitätsprodukte einsetzt. In der Region haben manche Kommunen die Vorteile schon begriffen und Projekte umgesetzt.
Prinzipiell ist es gut und richtig, dass Mimi auf den Lebenszyklus eines Produktes hinweist.
Das wird leider allzu oft vergessen im Wahn des Fortschritts oder des Höher-Schneller-Weiter.
Auch ich fahre bspw. ein Auto, was schon einige Jahre auf dem Buckel hat, ABER umwelttechnisch vertretbar, da entsprechend nachgerüstet. Der energie- und materialintensive Herstellungszyklus eines Gefährts verbietet es eigentlich, solch ein Gerät schon nach ein paar Jahren abzustoßen.
Nun kann es sein, dass der wirtschaftliche Fußabdruck eines Gegenstands recht lange anhält, der ökologische Fußabdruck aber schon vorher zu groß wird (z.B. Lichtverschmutzung, Stromkosten / -herstellung).
Das ist natürlich teils etwas ideologisch, aber nicht nur. Dann sollte man natürlich handeln, um den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Eine Straßenlaterne stand z.B. damals noch nicht unter dem Einfluss des Klimawandels.
Inwieweit neue Dinge dann auch so wirtschaftlich und nachhaltig sind, sollte man vorher gründlich prüfen.
Hier wird oft zu schnell geschossen und Unsinn getan.
Da ist der Einwand berechtigt ob der Haltbarkeit von LED-Leuchten oder den zunehmenden Problemen der erforderlichen Elektronik.
Ich finde das schon gut, dass auf den Energiebedarf neuer Geräte hingewiesen wird. Also den der Herstellung. Selbst beim Glühlampenverbot fand ich es ehrlich gesagt kritisch, dass man ein einfaches Prinzip (Metalldraht im Glaskolben) ablöst durch Dinge, in denen elektronische Netzteile werkeln, teils mit EM-Strahlung, die gern mal Radios oder Messtechnik stören. Anfangs zumindest war das so, und auch heute noch nervt das Flimmern mancher günstiger Lampen. Das Problem der Quecksilber-Sparlampen gibts ja dann auch noch.
Aber gut, das Thema ist durch, LED unterm Bett, LED überall. Halten tun die interessanterweise auch nicht ewig, egal ob es Kontaktprobleme an der LED selbst oder ausgefallene Elektronik als Ursache ist.
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Wenn Straßenlampen überall hinstrahlen, dann würde ich das mal als Thema des Designs ansehen, denn als prinzipbedingte Verschwendung. Egal ob Peitschenlampe in der BRD, oder die LBL-Leuchte hier bei uns…der Zweck war schon eher, dass gerichtetes Licht auf die Straße kommt. WENN man mal etwas wie Mastaufsatzleuchten benutzte (bei uns zum Beispiel die RSL), dann war der dekorative Zweck im Vordergrund, und die seitliche Abstrahlung des Lichtes gewollt. Ja, da haben sich die Prioritäten geändert beim Naturschutz, aber mit LED-Leuchtmitteln hat das eigentlich nichts zu tun. Beide Techniken können gerichtet oder streuend eingesetzt werden.
@Mimi, im Prinzip sind die Natriumdampflampen schon effizient, aber sie hängen an alten Masten, die auch nur eine begrenzte Lebensdauer haben.
Ebenfalls ist zu bedenken, dass die alten Lampen gerne überall hin abstrahlen, was eine enorme Lichtverschmutzung der Umgebung zur Folge hat.
Es ist also auch im Sinne der Sicherheit und Gesundheit nach und nach die kompletten Leuchten auszutauschen.
Was Sie auch vergessen haben: Auch beim Austausch der alten Leuchtmittel durch baugleiche werden Rohstoffe und Energie benötigt.
Gegen jede Neuerung zu speckern, dass man ja noch was altes hat, ist ein bisschen wie VW Bus ohne Kat zu fahren, weil finnischer Atomstrom so böse ist.
Sie schmeißen bestimmt auch alle den Kühlschrank auf den Müll, weil es einen neune energiesparenderen auf dem Markt gibt?
Beachten Sie bitte das es gilt die gesamte Herstellungsenergie ALLER zu ersetzender Teile einzusparen bevor sie sich wieder im Bereich der Wirtschaftlichkeit bewegen. Das kann unter Umständen auch den Leuchtkörper oder gar den Mast beinhalten. Wenn das Ersatzleuchtmittel z.B. eine andere Lichtstromdichte aufweist, werden ggf. die Anforderungen an die Helligkeit auf den Verkehrswegen nicht mehr. Für einen Austausch gegen LED brauchen Sie mindestens neue Elektronik die Sie bei Ihrer Bilanzierung berücksichtigen sollten.
Wenn man den Gedanken anders herum aufnimmt und auf Grund der möglichen Ersparnis den vertretbaren Aufwand ermittelt, anhand der Angaben der Verwaltung zur Leistung, Einsparung, Anzahl und Betriebszeit, folgt im Schluss:
!!! eine Reduktion um 21W (Anschlussleistung) oder 18,5% je Leuchte. !!!
Zum Vergleich: Beim Austausch Glühbirne zu LED haben wir von einer Reduzierung um 80-90% geredet. Zeigt also wie effizient Na-Dampflampen sind.
Bei einer angenommenen Lebensdauer von 75.000h ergibt sich über das Leben einer Leuchte (ca. 19 Jahre für die “Dauerbrenner”, die “Effektbeleuchtung” nach 43 Jahren) eine Einsparung von 1.576kWh. Das wiederum kann man umrechnen, über die spez. Kohlendioxid-Emission zur Stromerzeugung (De/2020 = 366g/kWh Wikipedia) in ein Äquivalent von ca. 1,2t CO2.
Oder ein etwas greifbarerer Vergleich: Die selbe Energie die im Durchschnitt für die Produktion von ca. drei Tonnen Flüssigstahl (Einschmelzenergie, Summe Strom und Erdgas) benötigt wird. Wird nach meiner Abschätzung knapp, zumindest wenn Sie jetzt noch Rohstoffe brauchen und die alten erst entsorgen müssen. Dabei sind wir jetzt noch gar nicht auf solche Details wie die Fragen von Christian eingegangen. Die heiße Luft aus dem Masterplan und sonstige Dienstleistungen bitte nicht vergessen.
Kleiner Tipp, falls Ihnen das mit den Anfragen beim Amt zu langatmig wird: Wenden Sie sich doch mal an den fachkundigen Lehrstuhl Ihrer ortsansässigen Fachhochschule in der Wächterstraße. Dort gibt es (oder gab es, ASFAIK) bereits im Grundstudium eine Vorlesung in Beleuchtungstechnik, bei der Ihnen die Studenten jedes Jahr bestimmt ein dutzend an Berichten zur Umrüstung der Straßenbeleuchtung Leipzigs auf LED bescheren. Da wird schon der ein oder andere brauchbare dabei sein.
Interessante und teils erfreuliche Antworten.
Eine nachträgliche Frage wäre noch erhellend:
Nämlich, ob und wie die neuen LED-Leuchten auch einen Leuchtmittelwechsel erfahren können oder ob die Ungewissheit, wie das funktionieren soll, den LED-Umbau rechts überholen wird?