„Teile und herrsche“ bzw. „divide et impera“ ist eines der zynischen Prinzipien, die Niccolò Machiavelli in seinem Buch „Il Principe“ („Der Fürst“) dem Fürsten Lorenzo di Piero de’ Medici empfahl, um seine Macht zu sichern. Denn wer die politischen Gegner zersplittert, kann sie in aller Ruhe einzeln besiegen. Genau so scheint das aktuell die sächsische Regierung am Flughafen Leipzig / Halle zu machen.

Die große Stadt Leipzig möglichst ausschalten, die Gemeinden direkt am Flughafen mit finanziellen Versprechungen ködern und dann die Ausbaupläne für den Flughafen durchziehen – gegen die Einsprüche der Kommunen, die schon jetzt unter dem Fluglärm leiden.

Selbst der Leipziger OBM erfuhr den Deal erst aus der Zeitung

Am 19. Mai wurde das in der Fortsetzung der Ratsversammlung Thema. Und natürlich hofften sowohl Linke-Stadträtin Marianne Küng-Vildebrand als auch die Grünen auf irgendeine erhellende Antwort. Denn bei den 40 bis 45 Millionen Euro, die in einem entsprechenden Artikel der LVZ am 11. / 12. Mai erwähnt wurden, die für eine Schwimmhalle in Schkeuditz und den Straßenausbau rund um den Flughafen bereitgestellt werden sollten, ist für die Stadt Leipzig nichts vorgesehen.

Und so bestätigte es auch OBM Burkhard Jung auf die Dringliche Anfrage von Marianne Küng-Vildebrand hin: „Es gibt keine Beteiligung der Stadt Leipzig an den Kompensationszahlungen.“

Und es gibt auch keine Gespräche. Keiner der an der von der LVZ erwähnten internen Runde beteiligten Staatsminister hat Kontakt mit Burkhard Jung aufgenommen. Auch er habe von dem Deal erst aus der Zeitung erfahren.

Ein Projekt wie von vorgestern

Die Stadt Leipzig wird also deutlichst gemieden von den Herren, die in trautem Verein mit den großen Frachtfluggesellschaften den Ausbau dieses umweltschädlichen Verkehrsprojektes immer weiter vorantreiben. Ohne Rücksicht auf die Region und auf die Anwohner. Ein Projekt, das im Angesicht der Klimakrise und der überfälligen Wende auch in der Transportlogistik geradezu vorgestrig wirkt. Von den massiven Subventionen dieses klimaschädlichen Flughafens ganz zu schweigen.

Aber wie sehr die Verantwortlichen die Stadt Leipzig meiden bei ihrem Versuch, ihre Ausbaupläne auf Teufel- komm-raus durchzuziehen, machte dann die Grünen-Anfrage deutlich. Insbesondere Bert Sander hatte wissen wollen, wann und wie oft der Flughafenbeauftragte Hermann Winkler in Leipzigs Stadtverwaltung vorgesprochen hat.

Ein Mittler, der gar keiner ist?

„Der Flughafen Leipzig/Halle bestellte im Vorfeld des geplanten Flughafenausbaus 2020 Herrn Hermann Winkler als Regionalbeauftragten. Herr Hermann Winkler, aktuell im Ehrenamt Präsident des Sächsischen Fußballverbands, versteht sich als ‚Ansprechpartner für [alle mit dem Flughafenbetrieb zusammenhängenden] Fragen der Bürgerinnen und Bürger der Umlandgemeinden, der Interessenvertretungen und der Verantwortlichen in den Kommunen.‘ Der Regionalbeauftragte des Flughafens verfolgt das Ziel, ‚eine offene und transparente Kommunikation [zu befördern], um Kompromisse unter Beachtung verschiedener Zielstellungen zu finden’“, hatte Sander in der Anfrage formuliert.

Doch Hermann Winkler habe – wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal Auskunft gab – nur ein einziges Mal bei ihm vorgesprochen: am 26. April 2021 zu einem halbstündigen Kennenlerngespräch. Ohne weitere Inhalte oder Absprachen. Was den Verdacht der Bürgerinitiativen, die seit Jahren gegen den wachsenden Fluglärm kämpfen, bestätigt: Winkler ist nicht wirklich dazu da, die Kommunikation zwischen Flughafen und Anrainern zu verbessern.

Flughafenausbau per Hinterzimmer-Politik

Eher ist sein Amt ein Feigenblättchen für eine Flughafenpolitik, die in Hinterzimmern – wie dem von der LVZ erwähnten – stattfindet und mit Ministern, die sich eher als Vertreter des Flughafens und der dortigen Frachtfluggesellschaften verstehen als der sächsischen Wähler/-innen.

Und SPD-Stadtrat Andreas Geisler äußerte wohl berechtigterweise auch seine Verwunderung darüber, dass die in der Zeitung versprochenen Millionen für den Straßenausbau am Flughafen dem vor drei Jahren vorgestellten Nordraumkonzept entsprechen, das der Freistaat dann aber komplett gecancelt hat. Werden die Kommunen am Flughafen jetzt also mit den Millionen geködert, die ihnen vor drei Jahren vorenthalten wurden?

Logisch, dass auch Burkhard Jung nur seine Irritation äußern kann. Denn so deutlich wurde auch ihm noch nie vor Augen geführt, dass der Flughafenausbau auf ganz und gar nicht transparenten Wegen hinter verschlossenen Türen vorangetrieben wird.

Ob er nun in der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrates der Mitteldeutschen Flughafen AG mehr erfahren hat, ist noch offen. Denn aus diesen Sitzungen darf er ja eigentlich nicht plaudern. Was natürlich ein ideales Spielfeld für Leute ist, die auf Kosten der Bürger und mit den von Machiavelli so detailliert geschilderten Prinzipien teilen und herrschen und ganz allein die Interessen privater Nutznießer durchdrücken, denen die Nachtruhe der Menschen im Einfluggebiet genauso schnurzegal ist wie die Klimakrise.

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Es gibt 4 Kommentare

Ok, die möglichen Auswirkungen sind größer. Ich verstehe Ihren Punkt. Aber das “Verfahren” an sich, also das Umstimmen der tendenziell Betroffenen per Geldzuwendung, das ist doch in beiden Fällen das gleiche. Aber für den einen Zweck nennt man es vielleicht “kollektive Beteiligung der Akteure”, im anderen Fall ist es mit komplett negativen Beschreibungen garniert. Finde ich Quatsch.

Ich sehe da den Unterschied, dass ein Flughafenausbau beträchtlich den Lärm und auch die Verschmutzung in einem sehr großen Gebiet erhöht.
Einerseits meint die Stadtverwaltung, man könne keinen Weg im Auwald teeren, der von tausenden Radfahrern täglich genutzt wird, weil es Naturschutzgebiet ist.
Andererseits ist es kein Problem, wenn immer mehr Flugzeuge direkt darüber fliegen. Worst Case (außer Absturz): es müssen wegen einer Notsituation Tonnen von Kerosin über dem Auwald abgelassen werden.

Das ist doch schon ein “kleiner” Unterschied zu den Auswirkungen eines Windrad oder einer Photovoltaik-Anlage.

Ich lese bei diesem Thema immer wieder Begriffe aus dem Bereich kaufen, bestechen, korrumpieren und so weiter.
Aber wo besteht für euch der Unterschied zu einem Dorf, dem das Windrad vor der Haustüre oder die riesen Solaranlage schmackhaft gemacht werden sollte? Wie viele Bürgerinitiativen gab es wohl schon, die mit Beteiligungen am Einspeiseumsatz der Protest “weggekauft” wurde?
Entschädigungen oder von mir aus “Meinungsverstärker” im monetären Sinne sind doch eine übliche Sache, wenn ich das richtig verstehe.

Diese Konstellation ist von vornherein link.
Leipzig sitzt mit im Aufsichtsrat, ist aber betroffen. Und der OBM darf nichts erzählen.

Man kann nur sehnlichst hoffen, dass sich die betroffenen Kommunen (die gewählten Volksvertreter) nicht veralbern lassen bevor sie am Nasenring vorgeführt werden. Zurückgehaltene Gelder oder beispielsweise plötzliches Schwimmhallengeld, was in Leipzig mal eben nicht zugesagt wurde, zeugen von korrumpierter Politik und übermäßig wirtschaftsfreundlichen Entscheidungen.

Kann man mit Kompensationszahlungen die Umweltschädlichkeit / Gesundheitsbeeinträchtigungen eines Flughafens ausgleichen?
Ich denke – nein. Dieser Bestechungsversuch spricht Bände!

Was hier passiert, hätte ich heutzutage in Sachsen nicht für möglich gehalten. Vor allem werden jegliche demokratischen Spielregeln mit Füßen getreten und das Ansehen dieser Prozesse wird unwiderruflich beschädigt.
Wen wundert es, wenn Politik nur noch mit Verdrossenheit in Verbindung gebracht wird?

Ich hoffe, man wehrt sich.
Und lässt die Flughafenerweiterung gemeinsam verrecken.
Der Flughafen ist groß genug.
Und es gibt dort auch genügend Arbeitsplätze.

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