Städte, die zukunftsfähig sein wollen, müssen ganz anders geplant werden als das bis jetzt geschieht. Der wertvolle Raum muss wesentlich besser genutzt werden, ohne Klima- und Artenschutz zu vernachlässigen. Eine Kunst, die Leipzigs Stadtplaner bislang nicht beherrscht haben. Das soll sich ändern mit dem neuen Stadtentwicklungsplan Wohnen. Aber der Teufel steckt im Detail.
„Mehrfachnutzungen von Flächen, Schutz von Grün- und Freiräumen, kompakte Planung von Eigenheimstandorten – der neue Stadtentwicklungsplan Wohnbauflächen reagiert auf die wachsende, enger werdende Stadt und zeigt neue Perspektiven auf“, hört man jetzt aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters.
„Demnach kann der Bedarf für den Geschosswohnungsbau bis ins Jahr 2040 mit den bereits vorhandenen Bauflächen gedeckt werden. In der inneren Stadt ist geplant, gezielt die Mehrfachnutzung von Gebäuden und auf Freiräumen zu ermöglichen. Neue Flächen für Eigenheime sollen als vielfältige, kompakte Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser realisiert werden und fehlende Angebote in den Bestandssiedlungen ergänzen.“
Dies geht aus dem Stadtentwicklungsplan (STEP) Wohnbauflächen hervor, den Oberbürgermeister Burkhard Jung jetzt auf Vorschlag von Baubürgermeister Thomas Dienberg auf den Weg gebracht hat. Der Stadtrat entscheidet abschließend darüber.
Baubürgermeister Dienberg sagte dazu: „Leipzig wächst weiterhin, jedoch soll dies nachhaltig und maßvoll geschehen. Sollten wir neue Wohnbauflächen für Eigenheime ausweisen, dann nur als Abrundungen von bestehenden Siedlungen. Mit Leipzigs Nachbarkommunen müssen wir noch stärker in die Abstimmung gehen, damit deren Neubausiedlungen so wenig wie möglich zusätzlichen Autoverkehr generieren.“
Die Wünsche der Eigenheimbauer
Und trotzdem macht die Vorlage ausgerechnet bei Flächen für den Eigenheimbau Druck.
Die Verwaltung rechnet das so vor: „Der Leipziger Wohnungsmarkt ist bereits heute in Teilbereichen angespannt – nicht zuletzt aufgrund des starken Einwohnerwachstums der vergangenen Jahre. Der Analyse zufolge steht dem Flächenpotenzial für den Geschosswohnungsbau von insgesamt 41.500 Wohneinheiten bis 2030 eine Nachfrage von 13.900 Wohneinheiten gegenüber, bis 2040 werden weitere 25.300 Wohnungen gebraucht. Dieser Bedarf kann also mit den vorhandenen Flächen für Geschosswohnungsbau gedeckt werden. Für den Einfamilienhausbau ergeben sich hingegen zusätzliche Bedarfe von rund 1.500 Wohneinheiten gegenüber dem vorhandenen Flächenangebot.“
Den angespannten Wohnungsmarkt aber gibt es bei preiswerten Mietwohnungen für Familien und Singles. Hier werden also Äpfel mit Birnen zusammengeworfen. Denn dass die Flächen für 41.500 Wohneinheiten im Geschossbau vorhanden sind, heißt ja nicht, dass die bezahlbaren Wohnungen hier auch gebaut werden.
Tatsächlich suggeriert die Vorlage eine völlig andere Priorität: Dass Leipzig im Wettbewerb beim Eigenheimbau mithalten muss, weil sonst die Interessenten ins Umland abwandern. Dass das mit ganz zentralen Zielen der Stadtentwicklung kollidiert, ist dem Baudezernat durchaus bewusst.
Weshalb die Verwaltung nun vorschlägt, diesen Bedarf anteilig auszugleichen, indem geeignete Erweiterungsflächen zur Arrondierung von Siedlungsstrukturen innerhalb der Stadtgrenzen ausgewiesen werden, teilt die Stadt mit.
In der Vorlage wird das so formuliert: „Zum Umgang mit dem festgestellten Bauflächenbedarf für den individuellen Wohnungsbau schlägt die Verwaltung vor, den realen Flächenbedarf nur anteilig durch Flächenneuausweisungen geeigneter Erweiterungsflächen zur Arrondierung von bestehenden Siedlungsstrukturen innerhalb der Leipziger Stadtgrenzen auszugleichen.“
Auch im Umland gehen wertvolle Flächen verloren
Ein Vorschlag, der auch seine Tücken hat. Denn auch das führt zu Flächenverlust gerade bei landwirtschaftlich genutzten Flächen. Und es befeuert die Politik von Kommunen im Leipziger Umland, weitere Baufelder für Eigenheimbau freizugeben. Es konterkariert also das gern zitierte Bestreben, den Flächenverlust endlich auf Null zu reduzieren und keine wertvollen Böden mehr für exzessive Wohnbebauung freizugeben.
Ganz zu schweigen von den Folgeproblemen im Pendlerverkehr, denn das Modell Eigenheim ist direkt mit dem Mobilitätskonzept Pkw verknüpft.
Ein Problem, dem die Leipziger Verwaltung nicht ausweichen kann. Denn dass sie um das Flächenproblem weiß, wird deutlich, wenn sie meldet: „Angesichts vorhandener Flächenpotentiale wird zudem empfohlen, sich mit den Umlandkommunen abzustimmen, um gemeinsam eine flächen- und verkehrssparende Siedlungsentwicklung anzustreben. Hierzu arbeitet die Stadt Leipzig bereits zusammen mit den Umlandgemeinden an den Grundlagen für ein gemeinsames Wohnbauflächenentwicklungskonzept.“
Aber Eigenheimbau ist nun einmal per definitionem nicht „flächen- und verkehrssparend“. Auch die Umlandkommunen können es sich nicht leisten, immer neue landwirtschaftlich genutzte Flächen für den Eigenheimbau zu opfern.
Aus Sicht der Leipziger Verwaltung ist die Vorlage sogar schon ein Kompromiss:
„Vor dem Hintergrund der Debatte zu Standorten für den Einfamilienhausbau in großen Städten soll mit dem STEP Wohnbauflächen ein Kompromiss beschlossen und in die weitere Diskussion gegeben werden. Gleichzeitig möchte sich die Stadtverwaltung mit dem Entwicklungsplan einen Prüfauftrag für ein Integriertes Flächenkonzept abholen:
Denn mit Blick beispielsweise auf Klimaschutz, Klimawandel, nachhaltige Landwirtschaft oder die Energiewende sowie ein anhaltendes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ergeben sich strategisch notwendige Mehrbedarfe an Platz, die zu Flächenkonkurrenzen innerhalb des Stadtgebietes führen können. Die Bedarfe für den Wohnungsbau sollen hierbei gleichrangig mit den genannten Aspekten abgewogen und untersucht werden.“
Die Gefahr eines erheblich erhöhten MIV-Verkehrsaufkommens
Aber selbst dieser Kompromiss löst den Konflikt nicht, der dahinter steckt, auch wenn die Vorlage davor warnt, die Vorlage nicht zu beschließen. Denn: „Der mittelfristige Bedarf für neue Wohnbauflächen im individuellen Wohnungsbau und langfristig bei starkem Bevölkerungswachstum im Geschosswohnungsbau kann im Stadtgebiet von Leipzig nicht mehr gedeckt werden. Die Bevölkerung wird in stärkerem Maße ihren Bedarf nach Bauflächen für den individuellen Wohnungsbau in der Region decken, wodurch die Gefahr eines erheblich erhöhten MIV-Verkehrsaufkommens entsteht.“
Das aber ist die Fortsetzung der alten Politik der autogerechten Stadt. Und das mit einem Verweis auf „die Bevölkerung“, die Bedarf an individuellem Wohnungsbau hat.
Von welcher Bevölkerung redet das Baudezernat hier?
Das macht zum Beispiel die „Bürgerumfrage 2020“ deutlich. Es geht um eine kleine Gruppe Besserverdienender, für die das Eigenheim zum Lebensstil gehört. Man kann es sich leisten und leistet es sich auch. Mit den Worten aus der Bürgerumfrage:
„Das Wohnen im selbstgenutzten Wohneigentum ist einkommensabhängig. Wie Tabelle 3-1 zu entnehmen ist, liegt der Anteil selbstgenutzten Wohneigentums bei einkommensstarken Haushalten erheblich höher als bei Haushalten mit geringerem Einkommen. AbAbbildung 3-3 (siehe oben, d. Red.) verdeutlicht, dass die Wohneigentumsquote für mittlere Einkommen linear mit wachsendem Haushaltseinkommen ansteigt. Ab Einkommen von 3.500 bis 4.000 Euro liegt die Eigentumsquote bei 25 Prozent, am oberen Rand der erfassten Haushaltseinkommen bei 50 Prozent.“
Während Leipziger mit einem Monatseinkommen bis 2.300 Euro zu 92 Prozent in einer Mietwohnung leben und nur zu 5 Prozent in einem eigenen Haus, sind es bei den Besserverdienenden ab 3.200 Euro noch 69 Prozent, die zur Miete wohnen, aber 22 Prozent im eigenen Haus.
Dass das in der Abbildung 3-3 nicht so auffällt, liegt daran, dass der Bereich bis 1.000 deutlich gestaucht ist.
Aber ob das Modell Eigenheim überhaupt noch zukunftsfähig ist in Anbetracht von Klimawandel und Mobilitätswende, diskutiert die Vorlage nicht. Das wird dann möglicherweise die Ratsversammlung nachholen. Denn mit dem 2019 ausgerufenen Klimanotstand verträgt sich die Vorlage nicht wirklich.
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