Eigentlich war es ein ganz einfaches Anliegen, das Michael Neuhaus da für die Linksfraktion in einen Antrag gegossen hatte: Zwei wichtige Punkte in der Leipziger Baumschutzsatzung einfach mal nachzuschärfen. Aber Eingriffe in Satzungen haben ihre Tücken. Auch wenn es nur um ein brennendes Thema der Zeit geht: den massiven Baumschwund in der Stadt.
Das Thema stand schon in der Februar-Ratsversammlung auf der Tagesordnung und wurde da schon rauf und runter diskutiert – und dann vertagt, weil man die Feinheiten dann doch nicht in der Ratsversammlung klären konnte.
Und weil auch Stadträte wie Norman Volger von den Grünen, die dem Anliegen nur zu gern zugestimmt hätten, lieber rieten, die Entscheidung zu vertagen und nachzufeilen. Weil nichts peinlicher ist, als ein gutes Anliegen in der Ratsversammlung scheitern zu sehen, weil das juristische Kleinklein nicht funktioniert.
Dass es mit Leipzigs Baumschutzsatzung sowieso Probleme gibt, war ja auch schon in anderen Zusammenhängen Thema. Und dass das eigentlich noch viel drängender zu lösen wäre, machte dann am 13. April, als die nunmehr dritte Fassung des Linke-Antrags auf den Tisch kam, Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek deutlich.
Es fehlt nämlich an Kontrollen. Dass Leipzig so ein massiv negatives Saldo beim Bäumenachpflanzen hat, hat genau damit zu tun: Es fehlen die Leute, die vorher schon mal alles an (geschütztem) Baum- und Strauchbestand registrieren, was auf dem künftigen Baugrundstück steht. Und es fehlt an Leuten, die kontrollieren, dass alle zum Nachpflanzen angewiesenen Gehölze auch zeitnah wieder neu gepflanzt werden. Möglichst auf demselben Grundstück.
Wer macht den Druck zum Nachpflanzen?
Dabei schafft das nicht mal die Stadt. Denn Bauherren können sich ja freikaufen von einer Nachpflanzung, indem sie die von der Satzung vorgesehene Ausgleichszahlung an die Stadt leisten. Dann muss die Stadt für das Geld irgendwo anders entsprechend Bäume pflanzen.
Was sie auch nicht schafft.
Darum ging es Linke-Stadtrat Michael Neuhaus, der sich nun mit der dritten Fassung abgemüht hat, die am 13. April an seiner Stelle Volker Külow vorlas. Insbesondere die Stelle mit dem Nachpflanz-Zeitraum hatte er noch einmal nachgeschliffen, denn oft ist es schier unmöglich, schon in der nächsten Pflanzsaison nach Baubeginn wieder einen neuen Baum zu setzen. Weshalb die Formulierung jetzt spätestens auf die übernächste Pflanzsaison verweist.
Den Beschluss hielt Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal sogar für überflüssig. Das alles hätte man auch verwaltungsintern mit einer simplen Handlungsanweisung umsetzen können.
Aber das hilft eben nichts, wenn das Thema längst im Stadtrat angekommen und im Ausschuss intensiv diskutiert wurde. Dann bleibt der Ratsversammlung nur, es quasi per Beschluss anzuweisen, dass das Umweltdezernat so zu handeln hat – nämlich mit einem Satzungsbeschluss, in dem nicht nur der zwingend einzuhaltende Nachpflanzzeitraum drinsteht, sondern auch endlich die Kosten für Nachpflanzungen angepasst werden.
Denn die 1.900 Euro pro Baum sind eine Summe, die vor zehn Jahren mal galt. Inzwischen, so hatte Neuhaus ja im Februar schon festgestellt, liegen die Kosten für eine Baumpflanzung bei durchschnittlich 2.300 Euro.
Wie muss eine Satzungsänderung aussehen?
Dass dann die Diskussion am 13. April doch noch einmal ausführlicher wurde und ein schönes Lehrstück für die Kompliziertheiten von Stadtratsarbeit wurde, wenn es um juristische Genauigkeit geht, lag nicht am wirklich überflüssigen Änderungsantrag der AfD-Fraktion, die kraft ihrer oberflächlichen Beschäftigung mit dem Thema den Linke-Antrag einfach aus dem Rennen kegeln wollte. Es lag wirklich eher an der Frage, wann und wie der Stadtrat eine Satzungsänderung beschließen könnte.
Auch wenn FDP-Stadtrat Sven Morlok lieber der Äußerung von Heiko Rosenthal gefolgt wäre und deshalb den Verwaltungsvorschlag zur Abstimmung stellte. Das hätte dann die Regie einfach wieder in die Hände des Umweltdezernats gelegt.
Der Verwaltungsstandpunkt aber hätte das Anliegen nur auf einen Punkt reduziert: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Anpassung der Ausgleichszahlungen gemäß § 10 Abs. (5) der Baumschutzsatzung an die allgemeine Preisentwicklung seit der letzten Anpassung der Ausgleichszahlungen vorzunehmen und bis zum Ende des zweiten Quartals 2022 dem Stadtrat in Form einer entsprechenden Änderungsfassung der Anlage 4 zu § 10 der Baumschutzsatzung zur Beschlussfassung vorzulegen.“
Mit der Festlegung eines Nachpflanz-Zeitpunktes aber haderte das Amt für Stadtgrün und Gewässer. Es erklärte zwar auch, warum. Aber Jürgen Kasek hat recht: Leipzig fehlt tatsächlich eine spürbare Konsequenz beim Nachpflanzen der so emsig gefällten Bäume.
Weil die juristischen Feinheiten aber am 13. April nicht geklärt werden konnten, gab es diesmal etwas, was so durchaus ein Novum in Leipzigs Ratsversammlungen ist: Eine ausführliche Diskussion am 13. April und die Abstimmung des zweiten Teils des Antrags der Linksfraktion in der Fortsetzung der Ratsversammlung am 14. April.
Am 13. April wurde auf Antrag von Morlok noch der Verwaltungsstandpunkt abgestimmt und mit 23:33 Stimmen abgelehnt. Der AfD-Antrag fand sowieso nur bei der blauen Fraktion Zustimmung und scheiterte damit mit 10:47 Stimmen.
Punkt 1 des Linke-Antrags fand noch am 13. April die nötige Mehrheit von 34:24 Stimmen. Der zweite Punkt, in dem es dann um die Kostenanpassung ging, ging dann am 14. April flott über die Bühne und fand mit 33:19 Stimmen die nötige Mehrheit.
Und so beschloss der Stadtrat etwas, was aus Sicht von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal „nicht falsch, aber auch nicht erforderlich“ war. Und wahrscheinlich gerade deshalb aber erforderlich war. Denn die bisherige Praxis erzählt eben leider auch von einem amtlichen Zögern und Zaudern, das nicht wirklich der Dringlichkeit des Baumerhalts in Leipzig entspricht.
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mehr als logisch, dass die Ersatzpflanzung und damit die (teilweise) Kompensation der Ökosystemleistung bestmöglich schon vor Rodung vorhanden sein sollte. Ein Baum ist ja nicht nur die CO²-Senke, sondern Abkühlinstrument gegen sich immer weiter aufheizende Ballungsräume und schlussendlich relevanter Nahrungs- und Lebensraum von Tieren.