Da ist so einiges schiefgegangen in der Bรผrgerbeteiligung in Leipzig in den vergangenen Jahren, obwohl Leipzig doch so gern Vorbild in Sachen Bรผrgerbeteiligung sein mรถchte. Aber immer dann, wenn es ernst wird, gibt es unรผbersehbare Probleme in der Kommunikation, werden engagierte Bรผrger frustriert oder findet Beteiligung unsichtbar fรผr die ร–ffentlichkeit statt. Am 15. Mรคrz war es Thema im Stadtrat.

Noch nicht als Lรถsungspaket. Dazu ist es noch zu frรผh, auch wenn Leipzig nun seit 15 Jahren Erfahrungen mit Bรผrgerforen gesammelt hat, wie Grรผnen-Stadtrat Tim Elschner am 15. Mรคrz in seiner Rede zu einer Vorlage aus dem Stadtplanungsamt feststellte. Einer Rede, in der er auf einige der defizitรคren Erscheinungen im Leipziger Bรผrgerdialog einging.

2017 starteten die Grรผnen ja sogar mal einen VorstoรŸ zu einer richtigen Bรผrgerbeteiligungssatzung, die Leipzig freilich bis heute nicht hat, sodass durchaus nicht klar ist, welche Schritte bei Beteiligungsverfahren tatsรคchlich gegangen werden und welche verbindlich sein mรผssen.

Von der ร–ffentlichkeit ganz zu schweigen, denn besonders schlecht, so konnte Elschner konstatieren, ist gerade die Kommunikation der Stadt zur Bรผrgerbeteiligung. Eine Kommunikation, die sehr viel dazu beitrรคgt, dass auch viele Leipziger/-innen das Gefรผhl haben, dass โ€žsie von der Politik nicht genug gehรถrt und ernst genommen werdenโ€œ.

Zwar haben sich einige Instrumente wie die Einwohneranfrage und die Petitionen inzwischen als beliebtes Mittel etabliert, mit dem sich Bรผrger/-innen mit ihren Anliegen zu Wort melden kรถnnen. Aber oft erfahren sie von anstehenden Ratsentscheidungen erst, wenn gar keine Zeit mehr fรผr eine Bรผrgerbeteiligung ist.

Und es ist auch nicht immer klar, welchen Weg der Beteiligung die jeweiligen ร„mter wรคhlen. Manchmal reicht aus ihrer Sicht eine Beratung im Ortschaftsrat oder Stadtbezirksbeirat, sodass die Leipziger/-innen gut beraten sind, die Tagesordnungen ihrer Beirรคte aufmerksam zu verfolgen. Manchmal eilen die Vorlagen nur durch die Ausschรผsse des Stadtrates oder beratende Beirรคte. Und beim Punkt โ€žBรผrgerbeteiligungโ€œ taucht dann in der Vorlage ein Kreuz bei โ€žnicht nรถtigโ€œ auf.

Vom Standpunkt der Demokratie muss das erst einmal kein Problem sein, denn die letztlich entscheidenden Gremien sind nun einmal der gewรคhlte Stadtrat und der ebenso demokratisch legitimierte OBM.

Das betonte auch Elschner, der durchaus auch von seinen Erfahrungen mit dem Deutschen Institut fรผr Urbanistik gGmbH (DIFU) aus den letzten Jahren berichtete, denn schon mehrfach zog die Stadt das DIFU hinzu, um die durchaus bekannten Konflikte mit der eigenen Bรผrgerbeteiligung zu thematisieren.

Denn natรผrlich gibt es nirgendwo einen belastbaren Handlungsleitfaden. Und mit direkter Demokratie hat das Ganze auch nichts zu tun. Aber eines hat sich in den 15 Jahren gezeigt: Bรผrgerbeteiligung findet nur dann Akzeptanz, wenn die Stadt tatsรคchlich transparent kommuniziert und nicht die Hรคlfte der notwendigen Informationen vorenthรคlt (wie bei der Diskussion zum PleiรŸemรผhlgraben an der Hauptfeuerwache) oder die Ergebnisse am Ende aufgrund polternder Medienberichterstattung auf den Kopf stellt (wie beim ersten Wettbewerb fรผr das Leipziger Einheits- und Freiheitsdenkmal passiert). GroรŸ angelegte Bรผrgerbeteiligung wie bei der Haushaltsaufstellung oder beim Lรคrmschutzaktionsplan sind mittlerweile etabliert und die Mitmachenden bekommen sogar ein Feedback.

Es gibt Beispiele fรผr geglรผckte Bรผrgerbeteiligung (wie beim Ausbau der Karl-Liebknecht-StraรŸe) und vรถllig verunglรผckte Prozesse wie beim Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK), wo sogar die qualifizierten Umweltvereine vรถllig frustriert den Tisch verlassen haben.

Es wird hรถchste Zeit, dass Leipzig da endlich zu einem Verfahren kommt, auf das sich die beteiligten Bรผrger wirklich verlassen kรถnnen.

Und dazu soll jetzt ein Projekt mit dem DIFU beitragen.

โ€žSystematisierung, Weiterentwicklung und Qualifizierung von kommunalen Beteiligungskonzeptenโ€œ, heiรŸt das Projekt, an dem sich mehrere deutsche Stรคdte beteiligen, um ihre Erfahrungen mit Bรผrgerbeteiligung mal zu bรผndeln. Leipzig kann noch bis April in das Projekt einsteigen.

Zwar hat der Stadtrat schon lรคngst beschlossen, dass er mal eine ordentliche Auswertung zu den stattgefundenen Bรผrgerbeteiligungen bekommt und ein Gremium zur Prozessberatung und -begleitung der Stadtverwaltung eingesetzt wird.

Aber: โ€žDie Beschlรผsse wurden grundsรคtzlich umgesetzt, eine Information des Stadtrates steht noch aus. Fรผr eine fundierte Bewertung der umgesetzten Bausteine und mรถgliche Empfehlungen zur Weiterentwicklung soll die Teilnahme am โ€šForschungsprojekt und Erfahrungsaustausch zur Systematisierung, Weiterentwicklung und Qualifizierung von kommunalen Beteiligungskonzeptenโ€˜ des Deutschen Instituts fรผr Urbanistik genutzt werden.โ€œ

Die am 15. Mรคrz zur Abstimmung gestellte Vorlage hรคtte die Verwaltung ja durchaus nutzen kรถnnen, um mal eine erste Bilanz vorzulegen. Aber die Gelegenheit hat man nicht genutzt, sondern will das lieber erst einmal in das DIFU-Projekt hineingeben, das aus zwei Bausteinen besteht.

Der erste: โ€žErfahrungsaustausch zwischen Stรคdten (Basismodul): dies umfasst den kommunalen Erfahrungsaustausch zu Themen und Prozessen der โ€šStrukturierten Beteiligungโ€˜. Themen- und Schwerpunktsetzungen erfolgen in Abstimmung mit den beteiligten Kommunen. Das Modul 1 stellt das Basismodul dar, an dem sich alle an dem Projekt mitwirkenden Stรคdte beteiligen. Geplant ist, dass an Modul 1 acht bis zwรถlf Kommunen teilnehmen. Dies stellt sicher, dass ein intensiver Erfahrungsaustausch und ergebnisorientierter Diskussionsprozess durchgefรผhrt werden kann.โ€œ

Modul 2: โ€žIn Modul 2 analysiert der Vertragspartner die Situation und Ausgangslage der โ€šStrukturierten Beteiligungโ€˜ vor Ort mittels Dokumentenanalyse und leitfadengestรผtzter Interviews. Basierend darauf wird in jeder Kommune ein individueller Workshop durchgefรผhrt. Im Ergebnis von Modul 2 wird fรผr jede der beteiligten Kommunen ein Bericht erstellt, der den Status Quo in der einzelnen Kommune darstellt sowie eine Weiterentwicklung des bisherigen Beteiligungsansatzes unterstรผtzt.โ€œ

Was man auch so lesen kann: Leipzigs Verwaltung traut sich selbst gar nicht zu, die eigene Arbeit mit Bรผrgerbeteiligung einschรคtzen zu kรถnnen. Das รผberlรคsst man lieber den Fachleuten vom DIFU.

Was dann mรถglicherweise auch die heftigen Kommunikationsprobleme zu zurรผckliegenden Beteiligungsprozessen erklรคren kรถnnte. Und Elschners Forderung nach einem echten Neuanfang stรผtzt. Denn eines steht jetzt schon fest, und so betonte es auch Elschner: Ohne transparente und ehrliche Kommunikation funktioniert das nicht.

Und gleichzeitig ist eine ehrliche Bรผrgerbeteiligung das Gebot der Stunde. Denn die Entfremdungsprozesse von der Politik und ihren oft nicht nachvollziehbaren Entscheidungen sind nicht nur in anderen Teilen Deutschlands zu beobachten, sondern auch in Leipzig. Die Zeiten, da sich Verwaltungen hinter Fachkompetenz verschanzen konnten, sind vorbei.

Andererseits โ€“ das betonte Elschner nicht so sehr โ€“ gehรถrt Leipzig zu den Stรคdten, die รผberhaupt schon Erfahrungen mit etwas mehr Bรผrgerbeteiligung sammeln konnten, wenn eben auch leider nicht systematisch. Weshalb es das DIFU war, das bei Leipzig anfragte, ob die Stadt nicht doch noch in das im Januar 2022 gestartete Projekt einsteigen mรถchte.

Mit der Stadtratsentscheidung vom 15. Mรคrz, bei der eine Mehrheit der Vorlage zustimmte und nur elf Stadtrรคte sich der Stimme enthielten, wird Leipzig nun Teil des Projekts. Und vielleicht helfen ja Elschners Mahnungen, dass auch Leipzig hinterher seine Bรผrgerbeteiligung strukturierter hinbekommt, transparenter und eben so, dass die Beteiligten diese nicht einfach nur als Alibi-Veranstaltung erleben, auf der sie zwar ein bisschen was sagen, aber nicht wirklich mitreden durften. Ergebnisse werden dann Mitte 2023 erwartet.

Die Debatte vom 15. Mรคrz 2022 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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