Auch das gibt es: Ein Stadtrat zieht seinen Antrag zurück, weil er zu viele Angriffe aus der Bevölkerung gegen die Mitarbeiter der Leipziger Stadtverwaltung erlebt. Natürlich geht vieles nicht voran in der Stadt. Das hat Gründe – fehlende Gelder, fehlende Fördermittel, aber auch nicht besetzte Stellen. Die „Einsparungen“ vergangener Jahre holen Leipzig immer wieder ein – selbst bei der eigentlich simplen Frage, ob der Triftweg in Marienbrunn nun eine Fahrradstraße werden kann.
Denn nichts anderes hatte Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) beantragt, nachdem wir in unserer (natürlich wieder unvollständigen) Serie zum HauptnetzRad auch den Triftweg in Marienbrunn thematisiert haben.„Der Oberbürgermeister prüft im Triftweg in Marienbrunn im Abschnitt von der Zwickauer Straße bis zur Connewitzer Straße die Einrichtung einer Fahrradstraße oder anderer Maßnahmen zur Verhinderung von Durchgangsverkehr und legt bis zum Ende des 2. Quartals 2022 einen Prüfbericht vor“, hatte sich Kumbernuß gewünscht. Und das auch entsprechend begründet.
„Schon vor einigen Jahren wurde der schadhafte Radweg am Triftweg in Richtung Probstheida entwidmet, dieser aber nach wie vor als solcher genutzt. Durch die geplante und hoffentlich zeitnahe Umgestaltung des ehemaligen Radweges (Anpflanzung von Bäumen, Blumenesche ‚Louisa Lady‘ [Fraxinus ornus] mit cremeweißen und zartduftenden Blüten) ist davon auszugehen, dass die Fahrbahn des Triftweges verstärkt von Fahrradfahrenden genutzt wird, bieten ihnen die Poller an der Connewitzer Straße doch Sicherheit gegenüber Konkurrenz durch übermäßigen motorisiertem Individualverkehr.
Durch diesen Antrag soll den Radfahrenden mehr Sicherheit gegeben werden, da viele von ihnen momentan weiterhin den ehemaligen Radweg nutzen und fürderhin die Straße nutzen werden. Dies gilt neben Familien und Erholungssuchenden (in der Nähe befinden sich unter anderem der Silbersee, Kleingartenvereine und das Probstheidaer Wäldchen) auch für Minigolfspielende, Fans und Fußballspielende des 1. FC Lokomotive Leipzig und Menschen, die mit dem Fahrrad über Meusdorf und Liebertwolkwitz das Leipziger Umland erkunden wollen.“
SBB Süd wünscht sich Bürgerbeteiligung
Der Antrag wurde auch im Stadtbezirksbeirat Süd emsig diskutiert, der gleich einen Änderungsantrag schrieb. Denn auch dort fand man die Umgestaltungspläne der Stadt nicht wirklich durchdacht.
„Die bisher angedachten Umgestaltungsmaßnahmen, wie Baumpflanzungen auf der Südseite des Triftweges unter Inanspruchnahme des vorhandenen und neben dem Fußweg verlaufenden Fahrradweges mit seiner stadtteilübergreifenden Funktion lassen keine nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung erkennen“, formulierte der Stadtbezirksbeirat seine Kritik.
„Auch die beidseitigen Fußwege besitzen neben der Funktion eines Hauptfußweges für die angrenzenden Stadtquartiere eine Verbindungsfunktion zwischen Straßenbahn- und Bushaltestellen in der Zwickauer Straße sowie dem Fußballstadion, Kleingärten und Flächen für Großgrün an der Probstheidaer / Connewitzer Straße. Eine größere Anzahl von PKW-Stellflächen ist im Triftweg ebenfalls unverzichtbar, da die Anliegerstraßen in den angrenzenden niedriggeschossigen Siedlungen kaum Platz für solche bieten sowie die Versorgungsfahrzeuge gehindert sind.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auch die Himmelsrichtungen bei der Anlegung der Großgrünflächen im Triftweg berücksichtigt. Bei der nördlichen mehrgeschossigen Zeilenbebauung des Triftwegs wurde zugunsten breiter Vorbeetflächen mit Großgrün auf der Südseite nur ein schmaler Innenhof auf der Nordseite angelegt. Umgekehrt wurde an der südseitigen Zeilenbebauung ein breiterer Innenhof mit Großbäumen auf der Südseite angelegt. Auf der Nordseite dieser Bebauung wurden hingegen nur Fußweg, Radweg und Fahrbahn mit Parkstreifen angelegt, da offensichtlich schon zu dieser Zeit in unseren Breiten die Sonne selten im Norden stand.“
Hierfür brauche es also eine „zukunftsfähige Straßentraumgestaltung für die Funktion als Wohngebietssammelstraße“ mit vorheriger Bürgerbeteiligung, fand der Stadtbezirksbeirat.
VTA wollte wirklich prüfen
Und das Verkehrs- und Tiefbauamt fand den Antrag von Thomas Kumbernuß gar nicht so falsch, im Triftweg die Einrichtung einer Fahrradstraße wenigstens zu prüfen.
Kurz und knapp schrieb es dazu: „Dem Antrag wird zugestimmt.“
Aber da muss es dann trotzdem einige wenig erfreuliche Vorfälle und Angriffe gegeben haben. Von wem, sagte Thomas Kumbernuß in seiner kurzen Rede zum Antrag nicht, nur dass diese heftigen Angriffe völlig unangemessen sind. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass bis heute 26 Stellen im Verkehrs- und Tiefbauamt unbesetzt sind. Was nun einmal der Grund dafür ist, dass viele Planungen nicht zeitnah fertig werden.
Mit Menschen in der Verwaltung sollte auch deshalb fair umgegangen werden, findet Kumbernuß. Um ihnen jetzt weitere Angriffe zu ersparen, zog er am 9. Februar seinen Antrag einfach zurück.
Und nun?
Da ja sowieso weitere Fahrradstraßen in Leipzig geprüft werden sollen, dürfte der Triftweg damit keinesfalls von der Tagesordnung sein. Denn da das VTA zugestimmt hat, dürfte es eher kein Problem sein, „bis zum Ende des 2. Quartals 2022 einen Prüfbericht“ vorzulegen.
Wobei man jetzt schon davon ausgehen kann, dass der automobile Widerstand gegen Fahrradstraßen in Leipzig nicht nachlassen wird. Es ist dieselbe Gemengelage, mit der schon 2012/2013 die Anlage der damals geplanten Fahrradstraßen für Jahre ausgebremst wurde. Die Sicherheitslage für Fahrradfahrer hat das nicht verbessert, im Gegenteil. Und die tatsächlich existierenden Probleme bleiben weiter ungelöst.
Die Rede von Thomas Kumbernuß (Die PARTEI)
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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Es gibt 6 Kommentare
Ja, DIE LINKE sympatisiert auch in anderen SBBs gern mit der erst kürzlich erwachten sehr lauten Auto-Verein-Lobby und verweigert sich einer Gestaltung in die Zukunft hinein. Auch da gibt es ein “Niveau der „Zustandsbewahrer“-Diskussionsbeiträge”, wie von Ellen beschrieben. Keine Ahnung was bei dieser Partei los ist.
Dass Bäume der Luftreinhaltung, dem (Verkehrs-)Lärmschutz, dem Schutz der Überhitzung in Straßenschluchten etc. dienen und
der Anblick älterer, stabiler Bäume sich auch positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt,
darüber sollte man nicht streiten sollen.
Was nun, wenn eine Straße als ungeordneter Auto-Parkplatz für ein weites Einzugsgebiet fungiert?
Früher durfte man nur beidseits für längs parken. Irgendwann wurde auf einer Seite, das Schrägparken ohne Markierung eingeführt, in der langgezogen Kurve dann kreuz und quer. Wenn das (ssw) Längsparken dafür weggefallen wäre, wären die Ein-und Ausparkvorgänge und damit der “fließende” Verkehr incl. Radfahrer wohl sicherer.
Zu den Bäumen gab es 2016 eine Bürgerbeteiligung der Stadt(1*). Da wurde der Wunsch zu Straßenbäumen im Triftweg geäußert.
Im Rahmen einer lebenswerten Stadt hat nun das VTA einen Straßenbaum-Pflanz-Plan erarbeitet.
3 Trompetenbäume am Eingang der Straße, 25 Bäume “Fraxinusornus (Blumenesche) ‘Louisa Lady'” im zweiten Teil der Straße in nordöstlicher Ausrichtung.
Ausführlich wird, in der Präsentation(2*), vorgestellt am 29.9.21 im SBB Süd (*3), der Aufwand solch einer Planung erläutert.
Da müssen für die tiefgehenden Baumwurzeln, Leitungspläne eingeholt und berücksichtigt werden.
Die Feuerwehr muss im Notfall auch zwischen den Bäumen hindurch, zur Notrettung in den oberen Geschossen, anleitern können.
Behinderungsfreie Zugänge gewährleistet.
Freien “Denkmalschutz”-Blick auf Gebäude sichern.
Gleichzeitig ist das eine “Gemeindestraße / Bestandteil des Nebenstraßennetz” (ohne außerörtlichen KfZ-Durchgang, Ende abgepollert) und eine “IR IV innergemeindliche Radverkehrsverbindung”.
Wichtig als Verbindung für Rad- und Fußverkehr in Ost-Westlicher Richtung.
Dafür ist der (praktisch nicht mehr vorhandene, verkehrsunsichere) Radweg zu schmal und durch sich öffnende Autotüren gefährlich.
Logisch wäre nun, auf einem “Parkplatz mit Tempo 30” dem Fahrradverkehr auf der Straße, Vorrang zu gewähren.
Und nun(!) wird ein Verein wach, und der Hr. Schlegel stellt in dessen Auftrag einen Änderungsantrag(4*),
die Radwege auf dem Fußweg grundhaft auszubauen.
Also, den verkehrsunsicheren, zu schmalen auf der Längsparkerseite.
Und verhindert damit auch die aufwendig vorgeplanten und finanziell gesicherten Baumpflanzungen.
PS: Wenn mensch dann irgendwas liest, dass “Bäume im Nordschatten nicht wachsen”, weswegen da schon früher keine gepflanzt wurden, als Begründung gegen Fahrradverkehr, stelle ich mir das restliche Niveau der “Zustandsbewahrer”-Diskussionsbeiträge entsprechend vor.
Interessant wäre die Meinung der Hausbewohner, vor deren Fenstern es dann grünt und blüht.
Und der Menschen, die dann leisen Fußes, die Durchwegung nutzen.
1*)
leipzig.de/umwelt-und-verkehr/umwelt-und-naturschutz/baeume-und-baumschutz/buergerbeteiligung
dort
static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/67_Amt_fuer_Stadtgruen_und_Gewaesser/Baeume_Baumschutz/Stadtbaeume/Praesentation_Strassenbaum-Forum-29.11.2016.pdf
2*)Die Präsentation:
Praesentation SBB Strassenbaumpflanzungen Triftweg.pdf 29.9.21
https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/to010?12–attachments-expandedPanel-content-body-rows-10-cells-2-cell-link&SILFDNR=2000228&refresh=false
3*) Top Ö 9.2 SSB Süd am 29.9.21
Vorstellung Baumpflanzungen
Erstpflanzungen im Triftweg auf der Südwestseite zwischen Lerchenrain und Elfenweg sowie im Mündungsbereich zur Zwickauer Straße (28 Pflanzungen im ehemaligen Radweg)
ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/to010?0–attachments-expandedPanel-content-body-rows-10-cells-2-cell-link&SILFDNR=2000228&refresh=false
4*) Der Änderungsantrag in der Stadtratsversammlung 9.2.22, der durch Rückzug des Hauptantrages nicht zur Abstimmung kam:
ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2003227&refresh=false
@nuhn: Danke für die Aufklärung, ja, so ist das wohl.
@C.
Der Hauptkritikpunkt der Einwohner ist ja:
Statt ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln wird der ehemalige Fahrradweg auf der Nordseite des Triftwegs einfach mit Bäumen bepflanzt, damit der Baumpflanzplan der Stadt erfüllt werden kann.
Das ist einfach und billig für die Stadt, löst aber kein Problem.
Ich war bei der SBB-Sitzung dabei.
Herr Kumbernuß weiß nichts von der Vorgeschichte dieses und anderer Projekte in Marienbrunn. Er hat den Antrag gestellt, weil er “öfter mal mit dem Fahrrad durch den Triftweg fährt”. Er wohnt nicht in Marienbrunn und ist nicht von den Entscheidungen der Stadt betroffen. Wohl aber die anderen Teilnehmer der Diskussion.
Es gab in der Sitzung keinerlei Ausfälle und Angriffe auf die Mitarbeiter der Stadt. Die Diskussion war emotional aber immer fair. Dafür hat schon die Sitzungsleiterin gesorgt.
Herr Kumbernuß hat in der Sitzung nur rumgejammert, dass ja die Mitarbeiter der Stadt nicht kritisiert werden dürfen, weil ja
-Stellen nicht besetzt sind
-sie “ja sogar teilweise studiert haben”, sie also schlau sind und wissen, was sie tun. Das erinnert mich an früher: “Laßt mal die Genossen machen, sie wissen schon, was sie tun”. “Die Partei hat immer recht.”
Es ist schade, daß er den Antrag zurückgezogen hat. Das zeigt mir, daß er keinerlei Interesse an dem Thema hat. Solche Politiker braucht niemand. Erst sich hinstellen mit einem Antrag und dann der Rückzug.
Die Einwohner werden an dem Thema dranbleiben. Sie müssen schließlich mit den Auswirkungen der Stadtratsbeschlüsse leben.
Es ist schade, dass nicht klar wird, warum genau Herr Kumbernuß seinen Antrag zurückgezogen hat.
Klar sind jedoch folgende Dinge:
1. der sogenannte “Radweg” (oder was einmal ein Radweg war) auf dem Triftweg wird nicht, wie beschrieben, von vielen Radfahrenden genutzt. Ich wohne dort in der Nähe und sehe dort höchst selten Personen fahren. Warum auch: die Oberfläche ist ausgesprochen schadhaft (daher ist er auch entwidmet) und spätestens an den Kreuzungen wird es aufgrund der Führung hinter den parkenden Fahrzeugen unübersichtlich.
2. Die Parksituation im Triftweg ist – wie in vielen anderen Leipziger Vierteln – chaotisch. Kreuzungen sind quasi nie regelkonform beparkt und auch vor abgesenkten Bordsteinen und auf Sperrflächen stehen regelmäßig Fahrzeuge. In die kleineren Nebenstraßen hätte die Feuerwehr aufgrund der regelwidrigen Beparkung insbesondere in den Abend- und Nachtstunden Probleme, hineinzufahren. Das Ordnungsamt wird nicht tätig. Zwei schnell umzusetzende Maßnahmen wären hier, Parkflächen zu markieren, da durch die derzeit nicht markierten Parkflächen viel Platz verschenkt wird, und die Kreuzungen abzupollern.
3. Eine Fahrradstraße auszuweisen, brächte außer einer Alibifunktion nichts. Dies kann man auf den bereits als Fahrradstraßen ausgewiesenen Straßen (z.B. auf der Beethovenstraße und am Ring) gut beobachten. So lange andere Fahrzeuge, die keine Anlieger oder Rettungsfahrzeuge sind, nicht durch bauliche Maßnahmen vom Befahren der Straße abgehalten werden, wird die Straße weiterhin von allen befahren. Radfahrende werden weiterhin bedrängt, zu dicht überholt und fühlen sich unsicher.