2019 war sich die Leipziger Ratsversammlung ziemlich sicher, dass Leipzig viel mehr Gewicht in der Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle bekommt, wenn dort der Oberbürgermeister sitzt und Leipzigs Interessen durchsetzen kann. Aber das hat so gut wie gar nicht geklappt. Nicht nur, weil OBM Burkhard Jung nur ein einziges Mal Zeit fand, an der Sitzung der Kommission teilzunehmen.

Tatsächlich fanden seit April 2019, als die Ratsversammlung mehrheitlich für die Entsendung des Oberbürgermeisters stimmte, nur vier Sitzungen statt – in den Corona-Jahren 2020 und 2021 jeweils nur eine, obwohl sich gerade in diesen beiden Jahren die Diskussion um die Flughafenerweiterung zuspitzte.Das Gremium selbst ist so zugeschnitten, dass die vom Fluglärm betroffenen Kommunen rund um den Flughafen praktisch immer in der Minderheitenposition sind, auch dann, wenn sie sich mal auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, was selten genug der Fall ist. Und die größte vom Fluglärm betroffene Stadt – Leipzig – ist genauso nur mit einem einzigen Sitz in der Kommission vertreten wie kleine Gemeinden direkt am Flughafen.

Diesen mühseligen Kampf gegen eine am längeren Hebel sitzende Flughafenlobby kann auch ein Bürgermeister auf sich nehmen, stellt jetzt die neue Vorlage aus der Verwaltung dazu fest. Und das wäre natürlich von der Sache her zuallererst der Umweltbürgermeister und in seiner Vertretung dann der Leiter des Amtes für Umweltschutz. Und wenn der nicht kann: der oder die Fluglärmschutzkoordinator/-in.

Umweltbürgermeister für Leipzig im Einsatz

Man habe ja versucht, den Beschluss der Ratsversammlung umzusetzen, heißt es in der Vorlage der Verwaltung:

„Die Stadt Leipzig hat nach der entsprechend des Beschlusses der Ratsversammlung vom 03.04.2019 zur Vorlage VI-A-06940 erfolgten Berufungsänderung im Jahr 2019 an allen regulären Sitzungen, Sondersitzungen sowie Arbeitsgruppentreffen der FLK teilgenommen. Der Oberbürgermeister konnte die Belange der Stadt Leipzig bisher in einer Sitzung vertreten.

Entsprechend der Geschäftsordnung der FLK hat bei seiner Verhinderung sein Stellvertreter, der Bürgermeister und Beigeordnete für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, die Teilnahme der Stadt Leipzig sichergestellt. Außerdem hat mit Zustimmung des Vorsitzenden der FLK die Fluglärmschutzkoordinatorin der Stadt Leipzig an den Sitzungen zur Beratung des Mitglieds der Stadt Leipzig teilgenommen.“

Und letzteres habe sich bewährt, heißt es in der Vorlage, die auch betont: „Bei kritischen Themen stimmt sich der Bürgermeister und Beigeordnete für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport selbstverständlich auch weiterhin mit dem Oberbürgermeister im Vorfeld der Sitzungen der FLK ab.“

Was sogar kleine Erfolge für Leipzig gebracht habe. So habe die Fluglärmkommission „dem Antrag der Städte Leipzig und Schkeuditz sowie der Gemeinden Rackwitz und Kabelsketal folgend (…) mit einstimmigem Beschluss in ihrer 57. Sitzung dem Freistaat Sachsen die Bestellung einer/eines Fluglärmschutzbeauftragten für den Flughafen Leipzig/Halle empfohlen. In der 58. Sitzung der FLK im Oktober 2020 hat das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) mitgeteilt, dass jene befürwortete Stelle im Rahmen der Haushaltsaufstellung angemeldet wurde. Umgesetzt wurde die Stelle zum 1. September 2021 als Stabsstelle in der Abteilung Mobilität des SMWA. Mit Herrn Jörg Puchmüller hat Sachsen seitdem einen Beauftragten für Fluglärmschutz.“

Bahnverteilung als Dauerthema

Und auch bei der Gleichverteilung der Startbahnen sei man ein kleines Stück weitergekommen: „Zur 58. Sitzung der FLK hat die Stadt Leipzig des Weiteren einen Antrag auf schnellstmögliche Ausführung der Maßnahmen des Umsetzungskonzepts zur Minimierung des Sicherheitsrisikos von Kreuzungsvorgängen gestellt, um die nördliche Start- und Landebahn so bald wie möglich im Nachtzeitraum auch für Starts nutzen und somit insgesamt alle Flugbewegungen am Flughafen Leipzig/Halle gleichmäßiger auf beide Start- und Landebahnen verteilen zu können. Diesem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt und die Deutsche Flugsicherung GmbH berichtet in den Sitzungen der FLK nun regelmäßig über den Fortschritt bei den Maßnahmen.“

Es gab zwar ausweislich der monatlichen Fluglärmreporte der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ keine wirkliche Veränderung in der Bahnnutzung. Die Startbahn Süd wurde auch 2021 zu über 90 Prozent genutzt und von einer Gleichverteilung von Starts und Landungen auf beide Bahnen kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Aber sichtlich freut sich Leipzigs Verwaltung hier schon, dass man wenigstens im Protokoll gewürdigt wurde.

Flughafenerweiterung – völlig offen

Und dann war da ja noch das dickste Problem, das den Flughafenanrainern noch mehr nächtlichen Fluglärm zu bescheren droht. Das war auch in der Fluglärmkommission Thema:

„Außerdem ist die aktive Mitarbeit der Stadt Leipzig in der Arbeitsgruppe der FLK zur Erarbeitung einer Stellungnahme hinsichtlich des Antrags der Flughafen Leipzig/Halle GmbH auf 15. Planänderung für das Vorhaben ‚Ausbau des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle, Start- Landebahn Süd mit Vorfeld‘ zu nennen. Die Arbeitsgruppe tagte unter Mitwirkung des Bürgermeisters und Beigeordneten für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport sowie der Fluglärmschutzkoordinatorin der Stadt Leipzig.“

Ob freilich die Einwände, die auch Leipzig zur Flughafenerweiterung abgegeben hat, irgendeine Berücksichtigung finden oder das Vorhaben gar zum Stoppen bringen, ist völlig offen.

Der Oberbürgermeister müsse in diesen Sitzungen also gar nicht dabei sein, formuliert die Vorlage: „Analog zum Beschlussvorschlag entsenden andere von Fluglärm durch den Flughafen Leipzig/Halle betroffene Kommunen bzw. Landkreise ebenso ihre entsprechenden Fachbeigeordneten bzw. Leiter/-innen der Umweltämter in die FLK (z. B. Stadt Halle, Landkreis Leipzig, Landkreis Nordsachsen, Saalekreis).“

Wenn dann auch die Fluglärmschutzkoordinatorin „zur fachlichen Unterstützung des stimmberechtigten Mitglieds der Stadt Leipzig“ an den Sitzungen teilnimmt, ist auch die fachliche Unterstützung gegeben.

Da kann man gespannt sein, ob sich die Ratsfraktionen, die 2019 so vehement dafür gestritten haben, den OBM in die Fluglärmkommission zu schicken, überzeugen lassen, dass auch der Umweltbürgermeister die Sache bestmöglich für Leipzig aushandeln kann.

Sollte die Ratsversammlung am 19. Januar dem Vorschlag zustimmen, könnte die neue Berufung „spätestens vor der ersten regulären Sitzung der FLK im Frühjahr 2022“ erfolgen.

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Im Luftverkehrsgesetz steht übrigens: “In die Kommission sollen nicht mehr als 15 Mitglieder berufen werden.”
19 Mitglieder sind zurzeit dabei (inkl. 2x IHK, die völlig überflüssig sind; Willkür lässt grüßen).

Allerdings sind das 9 Gemeinden plus 2 Vertreter der Bundesvereinigung gegen Fluglärm.
Müssten sich mit diesen 11 Mitgliedern nicht Mehrheitsverhältnisse schaffen lassen?

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