Dreimal nahm die Freibeuterfraktion im Stadtrat nun Anlauf, die Informationsfreiheitssatzung so weit zu öffnen, dass auch Auskünfte zu Weisungsaufgaben möglich sind. Am Mittwoch, 19. Januar, scheiterte sie auch mit ihrer dritten Fassung des Antrags. Ein Antrag, der vor etlichen Monaten begann mit der Frage, welche Weisungen es in Leipzig eigentlich zum Abschleppen falsch geparkter Fahrzeuge gibt. Aber die Niederlage am 19. Januar ist nur eine halbe.
Auch wenn es Thomas Köhler (Freibeuterfraktion / Piraten) wie eine ganze Niederlage vorgekommen sein dürfte, dass nicht die dritte Fassung des Freibeuter-Antrags beschlossen wurde, sondern der erst kurz vor der Ratsversammlung freigegebene Verwaltungsstandpunkt.
Der ist mit jeder Menge Juristerei durchsetzt. Denn nicht ohne Grund wurde im Lauf der Debatte immer wieder auf das letztlich sehr komplizierte Verhältnis der Stadt zum gesetzgebenden Freistaat Bezug genommen. Was nämlich an Transparenz und Informationsfreiheit in Sachsens Kommunen möglich ist, das wird durch die Gesetzgebung des Freistaats eingeengt.
Transparenzrecht: keine Selbstverständlichkeit
Und wo Kommunen diese Grenzen verletzen, kann es zu Sanktionen durch die Landesaufsicht kommen. Mit ihrer nun zehn Jahre alten Informationsfreiheitssatzung ist Leipzig sowieso schon eine von den sächsischen Städten, die überhaupt ein solches Transparenzrecht für ihre Bürger anbieten. Es wird freilich nicht allzu weidlich genutzt. Aber das liegt weniger daran, dass die Leipziger/-innen nicht wissen wollen, was die Verwaltung so tut.
Es gibt ja auch andere Wege, Transparenz herzustellen. Und zu einem der beliebtesten Instrumente haben sich dabei die Einwohneranfragen entwickelt. Während die Informationsfreiheitssatzung oft von Betroffenen genutzt wird, die zu meist sehr speziellen und individuellen Problemen mit der Verwaltung Auskunft haben möchten.
Mit Falschparkern fing alles an
Aber mit dem Ersuchen, die Weisungsaufgaben im Ordnungsamt öffentlich zu machen, hat die Freibeuterfraktion natürlich ein Feld betreten, auf dem das Interesse der Öffentlichkeit sehr groß ist. Denn unter Wild- und Falschparkern leiden sämtliche innerstädtischen Gebiete.
Und abgelehnt hat das Verwaltungsdezernat den neuen Freibeuter-Antrag ja auch mit Verweis auf Rechtsprechungen im Bund, die eher die Strafprozessordnung betreffen. Etwas, was Thomas Köhler in seinem Einführungsvortag monierte.
Denn das war sehr weit hergeholt: Regelungen zu „personenbezogenen Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ gibt es ja schon. Darum ginge es im Freibeuter-Antrag ja auch nicht, eher darum, alle Informationen, die diesem wichtigen Schutz von Daten nicht unterliegen, ohne Einengung auch herauszugeben.
Aber Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning verwies dann doch noch einmal darauf, dass die Stadt lieber warten wolle. Und zwar genau auf das seit 2014 angekündigte Transparenzgesetz des Freistaats Sachsen. Das wurde im Herbst 2021 endlich auch zur Anhörung an die Kommunen und Verbände ausgegeben und jetzt für Spätherbst 2022 angekündigt.
Vorschläge sollen gesammelt und geprüft werden
Hörning erwartet sich davon durchaus weitergehende Regelungen, die auch für Leipzig ermöglichen, den Bürgern deutlich mehr Informationen zu geben. Und OBM Burkhard Jung betonte, dass Leipzigs Informationsfreiheitssatzung dann natürlich angepasst werden müsste.
Bis dahin, so Hörning, würde man alle Vorschläge sammeln und prüfen, um sie in der neuen Informationsfreiheitssatzung mit zu verankern. Aber so vorsichtig der Freibeuter-Antrag in Fassung 3 auch formuliert wäre: Er bliebe rechtswidrig. Auch wenn der Verwaltungsstandpunkt sogar feststellt: „Die Stadtverwaltung begrüßt das Ansinnen, die städtische Informationspolitik zu überprüfen und wo erforderlich zu optimieren.“
Warten auf die gesetzliche Grundlage
Aber da die gesetzliche Grundlage fehlt, müsse Leipzig warten. Das war der Grundtenor, der auch in Punkt 3 des Verwaltungsvorschlags steckt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten einer verbesserten Informationspolitik sich für die Stadt Leipzig aus dem nunmehr als Gesetzesentwurf vorliegenden Sächsischen Transparenzgesetz mit dessen Inkrafttreten ergeben und welche Umsetzungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene zu dieser Verbesserung geeignet und erforderlich sind.“
Und weiter: „Elemente dieser verbesserten Informationspolitik sind beispielsweise Vorgehen und Prozesse nach der Informationsfreiheitssatzung in weisungsfreien Aufgaben, eine mögliche Plattform und die Nutzung der Möglichkeiten des Sächsischen Transparenzgesetzes. Die Stadtverwaltung hat hierüber bis zum Ende des Jahres 2022 zu berichten.“
Da die SPD-Fraktion den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung stellte, wurde er dann auch abgestimmt und bekam eine knappe Mehrheit von 26:18 Stimmen bei 20 Enthaltungen.
„Ober schlägt Unter“: Kommt 2022 endlich der Landtagsbeschluss?
Auch im kurzen Beitrag von Christina März (SPD) merkte man, dass sich viele Stadträt/-innen hin- und hergerissen fühlten. Eigentlich wollen die meisten, dass es ganz im Sinn des Freibeuter-Antrags mehr Informationsrecht für die Bürger gibt.
Andererseits zehrt das Warten auf das sächsische Transparenzgesetz an den Nerven und die Unsicherheit steht noch immer im Raum, ob es 2022 tatsächlich noch vom Landtag beschlossen wird oder weiterhin auf der langen Bank schmort.
Aber Burkhard Jung brachte es recht flapsig auf den Punkt: „Ober schlägt Unter.“ Ohne ein belastbares Landesgesetz kann Leipzig die Informationsfreiheit nicht erweitern, ohne am Ende teure Gerichtsprozesse zu riskieren. Das Warten geht also weiter. Wer Stadtrat oder Stadträtin wird, braucht jede Menge Geduld.
Die Debatte vom 19.01.2022
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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