Am 19. Januar ging es in der Ratsversammlung ja auch um die mรถgliche รberarbeitung der Informationsfreiheitssatzung der Stadt, wenn dann endlich mal das Transparenzgesetz des Freistaats Sachsen beschlossen ist. Dann wird es vielleicht auch leichter, Weisungen aus der Stadtverwaltung anschauen zu dรผrfen. Manchmal aber reicht schon das beharrliche Nachfragen im Stadtrat, um ein unverstรคndliches Verwaltungshandeln zu รคndern. Ein paar erstaunliche Auskรผnfte an die Freibeuter.
Die haben ja nun seit รผber einem Jahr Druck gemacht zu erfahren, was denn nun in den Weisungen des Ordnungsamtes zum Umgang mit falsch geparkten Kraftfahrzeugen steht. Ein Vorgang, der schon deshalb immer dubioser erschien, weil die Verwaltung zwischenzeitlich auch ihre Argumentationsschiene รคnderte.
Was natรผrlich das Misstrauen schรผrt: Gab es also ganz unterschiedliche Anweisungen? Und wie geht das Ordnungsamt jetzt nach dem groรen Aufruhr im Stadtrat damit um?โMit dem Verwaltungsstandpunkt VII-A-00898-VSP-01 zu unserem Antrag โAbschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugenโ wurde vom Ordnungsamt der Stadt Leipzig eine fehlerhafte Rechtsgrundlage kommuniziert. Durch das von der Stadt Leipzig beauftragte Rechtsgutachten wurde eine andere Rechtslage festgestelltโ, stellte die Freibeuter-Fraktion gleich mal in der Einfรผhrung ihrer neuesten Anfrage zu diesem Thema fest.
Hat das Ordnungsamt seine Praxis also inzwischen geรคndert?
Die Antwort liest sich wie ein schรถner amtlicher Ausweichversuch: โDie Arbeitsanweisung des Ordnungsamtsleiters โAbschleppen und Verwahren verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeugeโ wurde im April 2021 mit der Anlage โEntscheidungshilfe zum Anordnen von Abschleppmaรnahmen im Rahmen der kommunalen Verkehrsรผberwachung des ruhenden Verkehrs in der Stadt Leipzigโ von Prof. Dr. Dieter Mรผller versehen. Entsprechend der in der Arbeitsanweisung getroffenen Festlegung, kann die Entscheidungshilfe bei der Abwรคgung des Einzelfalls herangezogen werden.โ
Augenscheinlich herrschte da vorher also tatsรคchlich so einiges an Unklarheit. Und wahrscheinlich nahmen viele Ordnungsamtsmitarbeiter/-innen die Entscheidungshilfe dankend zur Kenntnis. Denn natรผrlich verhรคlt man sich bei der Kontrolle des abgestellten Verkehrs doch eine Ecke anders, wenn man weiร, dass die Amtsleitung hinter einem steht, wenn man die Fahrzeuge der Verkehrssรผnder etwas rigoroser abschleppen lรคsst. Jeder Ordnungsamtsmitarbeiter ist immer nur so mutig wie die Amtsleitung. Anders kann man es nicht formulieren.
Eine Entscheidungshilfe fรผr die Ordnungsamtsmitarbeiter/-innen
Und die Entscheidungshilfe ist jetzt im Umlauf, bestรคtigt das Ordnungsamt:
โDie Arbeitsanweisung und die Entscheidungshilfe, die in zwei Fassungen existiert, wurden im amtsinternen Intranet verรถffentlicht. Zudem wurde die Entscheidungshilfe in der sogenannten Praktikerfassung allen mit Abschleppvorgรคngen befassten Bediensteten des Ordnungsamtes รผber die o. g. Arbeitsanweisung zur Kenntnis gegeben. Die aktenkundige Belehrung der gemeindlichen Vollzugsbediensteten ist erfolgt. Es ist ein jรคhrlicher Belehrungsturnus verfรผgt. Darรผber hinaus haben die Beschรคftigten die Mรถglichkeit fรผr Rรผckfragen im Rahmen einer Fortbildungsmaรnahme mit dem Verfasser am 6./7. Oktober 2021 genutzt und kรถnnen diese auch schriftlich an ihn weiterleiten lassen.โ
Fast kรถnnte man meinen: Nichts anders hat sich die Freibeuter-Fraktion mit ihrem beharrlichen Begehren ja gewรผnscht.
Und das Verblรผffende ist: Die kleine Amtshilfe zeigte sofort Wirkung, auch wenn das Ordnungsamt auf diese Frage der Freibeuter erst einmal einen kleinen Fluchtversuch unternimmt: โWurden โgeneralprรคventive Maรnahmenโ zur Erhรถhung der Verkehrssicherheit durch Abschleppen/Umsetzen von verkehrsbehindernd parkenden Kfz durchgefรผhrt oder sind solche fรผr das Jahr 2022 geplant?โ
Der kleine Fluchtversuch liest sich so: โWie bereits in der Antwort zu Frage 1 dargelegt, ist jeder Fall, bei dem eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorliegt, vor Einleitung einer Vollzugsmaรnahme einer Einzelfallprรผfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser kรถnnen auch generalprรคventive Aspekte berรผcksichtigt werden. Statistisch ist keine Unterscheidung hinsichtlich dieses Kriteriums mรถglich.โ
Solche โgeneralprรคventiven Maรnahmenโ gab es sehr wohl โ man denke nur an den wirksamen Zugriff in Anger-Crottendorf. Aber natรผrlich lassen sie sich aus der Gesamtstatistik nicht herausfiltern โ vor allem, weil vor allem mit weichen Maรnahmen wie Ermahnungen gearbeitet wurde.
Eine deutliche Zunahme der angeordneten Abschlepp-Vorgรคnge
Aber wahrscheinlich liegt der grรถรere Effekt tatsรคchlich schlicht in der sachgerechteren Anwendung der StVO beim Abschleppenlassen falsch geparkter Kfz.
Denn hier zeigte sich schon im ersten Jahr eine erstaunliche Wirkung, wie das Ordnungsamt mitteilt:
โIm Jahr 2021 wurden durch die gemeindlichen Vollzugsbediensteten insgesamt 4.344 Abschleppmaรnahmen angeordnet. Im Vorjahr waren dies 3.661. Der Anstieg der Zahlen ist insbesondere vor dem Hintergrund beachtlich, dass im Jahr 2020 die Einsatzkrรคfte der kommunalen Verkehrsรผberwachung unter Corona-Bedingungen nur eingeschrรคnkt ihrer originรคren Aufgabe nachgehen konnten und die Gesamtzahl der erfassten Verkehrsordnungswidrigkeiten mit 242.618 im Vergleich zum Jahr 2020 (264.915 Fallerfassungen) deshalb geringer ausfiel.
Man kann demnach, mit gewisser Vorsicht, davon ausgehen, dass das von vornherein als Arbeitshilfe gedachte Gutachten von Prof. Dr. Mรผller seine beabsichtigte Wirkung erzielte, den Auรendienstbeschรคftigten die Ermessensausรผbung zu erleichtern.โ
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Es gibt 2 Kommentare
โDie Arbeitsanweisung des Ordnungsamtsleitersโ, mehr muss ich nicht wissen. Gottseidank ist das bald vorbei.
@Uwe Es parken sicherlich viel mehr kritisch. Aber ein Umsetzungsvorgang kostet richtig viel Zeit. Das Rumstehen, warten und nichtstun mag niemand. Hinzu kommt eine dรผnne Personaldecke.
Eine Quote von knapp 1,8% Abschleppmaรnahmen bei festgestellten Ordnungswidrigkeiten ist ein Witz! Kann mir doch keiner erzรคhlen, dass 98% aller Falschparkungen unkritisch sindโฆ