Die Provokation ging in den vergangenen Jahren immer auf: Neurechte Verlage und Zeitschriften nutzten die Gelegenheit, nicht nur ihre Stände auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig zu platzieren, sie luden auch umstrittene Gastredner ein, bewarben die Auftritte in den social media und verkauften sich, wenn es Protest gab, als Opfer von Kampagnen. Als wenn ihr Auftritt nicht genau so geplant gewesen wäre: als provokante Kampagne. Aber auf der Leipziger Buchmesse haben diese Leute nichts zu suchen, findet die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.
Die Leipziger Buchmesse soll nach Vorstellungen der Messe-Geschäftsführung im Jahr 2022 wieder – wie geplant – vom 17. bis 20. März stattfinden. Ein Schwerpunkt soll die Vielfalt des Wortes sein.Grund genug, die Messe wirklich zum Raum des demokratischen Diskurses zu machen, findet die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. Mit dem Antrag „Rassistische und nationalistische Agitation auf der Buchmesse nicht unwidersprochen lassen!“ startet die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat nun erneut den Versuch, neurechte Verlage von der Messe auszuschließen.
Dies sei vor allem nach den Debatten um die Frankfurter Buchmesse (hier beim NDR) wichtig: Die Messe soll im wahrsten Sinne des Wortes ein Ort der Vielfalt sein und nicht Schauplatz für jene, die Vielfalt vehement bekämpfen.
„Auch auf der nächsten Buchmesse wollen sich einschlägige neurechte Akteure wie das Compact-Magazin oder der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek präsentieren“, erklärt dazu Linke-Stadträtin Juliane Nagel. „Die vergangenen Messen haben gezeigt, dass Verlage dieser Couleur immer wieder Zonen der Bedrohung und Angst auf der Messe erzeugen und mit ihren Publikations- und Veranstaltungsangeboten Demokratie- und Menschenfeindlichkeit Raum geben.“
Im Oktober 2021 sagten erstmals eine Reihe von Autor/-innen die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse aufgrund der Präsenz von extrem rechten Aussteller/-innen ab.
„Dies wollen wir für die Leipziger Buchmesse nicht riskieren“, betont Nagel. „Wir fordern den Oberbürgermeister daher im Rahmen seiner Gesellschafterfunktion in der Leipziger Messe GmbH auf, darauf hinzuwirken, dass neurechten Verlagen, die sich programmatisch gegen Menschenrechte und demokratische Prinzipien richten, keine Teilnahme als Aussteller/-innen und Veranstalter/-innen mehr ermöglicht wird. Er soll sich außerdem diesbezüglich beim Freistaat Sachsen als weiterem Gesellschafter starkmachen.“
Und auch eine persönliche Stellungnahme wünscht sich die Linksfraktion.
„Ungeachtet dessen sollte der OBM sich klar zur Teilnahme neurechter Akteure positionieren und mit der Messe GmbH eine Strategie der kritischen Auseinandersetzung mit deren demokratie- und menschenfeindlichen Positionen entwickeln“, meint Juliane Nagel.
„Uns ist klar, dass Ausschlüsse allein nichts bringen. Gerade in Sachsen braucht es angesichts der starken Verbreitung rechter Denkweisen und der Verachtung von Rücksichtnahme durch Querdenker/-innen und Co. starke Zeichen und meinungsstarke demokratische Bildungsangebote. Gerade die Buchmesse ist dafür prädestiniert!“
Auch in Leipzig geht der Streit schon länger, weil ab 2016 neurechte Verlage begannen, die Buchmesse als Plattform zur Werbung für ihre Produkte zu nutzen.
„In einem Offenen Brief forderten im Jahr 2016 zahlreiche gesellschaftliche und politische Akteur/-innen aus Leipzig die Messe auf, die Compact Magazin GmbH von der Buchmesse auszuladen. Im Jahr 2017 protestierten Aussteller/-innen, Autor/-innen und Besucher/-innen gegen die Präsenz von Compact auf der Messe. Im Jahr 2018 unternahm die Fraktion Die Linke flankiert durch eine breite Kampagne unter dem Label ‚Verlage gegen rechts‘ ebenfalls den Versuch des Ausschlusses neurechter Verlage“, listet der Antrag der Linksfraktion auf.
„Leider verliefen die Bemühungen ergebnislos – Neonazis und neurechten Akteur/-innen gelang ein weiteres Mal, die Umgebung um ihre Stände zur Angstzone zu machen. Wer sich dort aufhielt, musste damit rechnen, von Szenegängern oder verlagseigenen Sicherheitsleuten bepöbelt und gefilmt zu werden. Der Antaios-Verlag und Compact veranstalteten auf der Messe zudem Diskussionsrunden mit rassistischen und demokratiefeindlichen Autor/-innen wie Akif Pirinçci oder Jürgen Elsässer.“
Aber auch, warum sich der Protest verstärkt hat, begründet der Linke-Antrag und zitiert dazu aus einer Publikation des Miteinander e. V. im Nachgang zur Frankfurter Buchmesse 2021, wo es heißt:
„Verlage der extremen Rechten hat es auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig immer gegeben. Verändert aber hat sich deren Auftreten und ihre Wahrnehmung. An die Stelle der alleinigen Präsentation von Büchern und Autor/-innen ist das Unterfangen getreten, gezielt die Anhängerschaft zu mobilisieren und die eigenen Veranstaltungen als politische Bühne zu nutzen. Dabei kommt es zu Formen der Raumnahme, die weit über herkömmliche Lesungen hinausgehen.“
Womit das Muster der Neurechten sichtbar wird, gerade jene Räume des demokratischen Diskurses, wo das friedliche Miteinander möglich war, regelrecht zu besetzen und als Bühne für die eigene Propaganda zu nutzen.
Dafür sind aber auch Buchmessen nicht gedacht. Das schreckt nicht nur Autor/-innen ab, die sich nicht mehr sicher fühlen, sondern auch Besucher/-innen, die eines ganz bestimmt nicht suchen auf einer Buchmesse: die Begegnung mit aggressiv auftretenden rechten Akteuren.
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