Am 8. Dezember in der Ratsversammlung ging es auch um eine scheinbar ganz kleine Vorlage – um 2.000 Euro Zuschuss für den Eine Welt e. V., der für Leipziger das „Netzwerk Leipzig handelt fair“ koordiniert, ein Projekt, mit dem sich Leipzig immer wieder auch den Titel Fairtrade Town sichert. Ein Projekt, das auch vom Bund gefördert wird – aber nur, wenn die Kommune auch einen Anteil beisteuert. Aber darum ging es dem AfD-Stadtrat Roland Ulbrich nicht, der in seiner Rede seine ganze Verachtung über menschliche Hilfsbereitschaft auskippte.

Und der damit ein weiteres Mal zeigte, dass die Rechtsaußen-Fraktion im Leipziger Stadtrat die Ratsversammlungen nur als weitere Bühne zur Verbreitung ihrer rechtsradikalen Ressentiments betrachtet. Denn mit der Vorlage der Verwaltung hatte seine Rede überhaupt nichts zu tun. Stattdessen etikettierte er den Eine Welt e. V. gleich mal mit dem ideologischen Code „Gutmenschenverein“.Ein rechtspopulistischer Topos, mit dem die dahintersteckende Gesinnung verbrämt wird, wie auch Wikipedia feststellt: „Der Begriff ‚Gutmensch‘ wirke hier als Code, um in diesem Denkmuster sprechen zu können und verstanden zu werden, ohne die eigene Gesinnung deutlich formulieren zu müssen.“

Nur dass sich die anderen Stadtratsfraktionen von diesem Versuch, eine Vorlage in eine moralisierende Debatte ausufern zu lassen, nicht mehr ködern lassen.

Wessen Aufgabe ist denn die Rettung der Welt?

Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung reagierte trocken, als er Ulbrichs Rede mit dem Satz konterte: „Herr Ulbrich, stellen Sie sich vor: Ich möchte ein guter Mensch sein.“

Was ja auf freundliche Weise auch die Feststellung impliziert, dass Herr Ulbrich kein guter Mensch sein möchte.

Was dann FDP-Stadtrat Sven Morlok aufnahm, der von der AfD-Fraktion nicht mal eine andere Äußerung erwartet hätte. Und von Roland Ulbrich schon gar nicht. „Was können wir denn von jemandem erwarten, der den versuchten Massenmord in der Synagoge in Halle als Sachbeschädigung einstuft – als Jurist?“

Und mit Bezug auf die Vorlage der Verwaltung erklärte Morlok dem Rechtsaußen dann auch noch, dass er wohl völlig danebenliegt, wenn er behauptet: „Die Rettung der Welt ist nicht Aufgabe einer Kommune.“

Wessen dann? Wo soll die Rettung der Welt anfangen, wenn nicht in der Kommune? Eine Frage, die natürlich die AfD nie beantworten wird, weil ihr die Rettung der Welt völlig egal ist. Die Formel tauchte ja in Ulbrichs Rede nur als rhetorische Figur auf, um dem Eine Welt e. V. eine Rolle zuzuschreiben, die der gar nicht einnimmt und von sich behauptet.

Der Verein kämpft seit drei Jahrzehnten darum, dass der Faire Handel in Leipzig wahrgenommen wird und die Leipziger/-innen einen Anlaufpunkt haben, wo sie sich über Fairen Handel informieren und fair gehandelte Produkte auch kaufen können.

Erst seit 2011 ist die Stadt selbst wirklich Partner, seit es um den Titel Fairtrade Town geht und auch die Stadtratsmehrheit darauf dringt, dass die Verwaltung selbst beim Einkauf auf faire Beschaffung achtet.

Sven Morlok klärt die AfD auf

Von all dem kam in Ulbrichs Rede gar nichts vor. Der redete lieber von einem „Moralisten-Projekt“, obwohl es dabei um fairen und echten Handel geht, bessere Erzeugerpreise und natürlich die Chance von Produzenten in den Erzeugerländern, mit ihrer Produktion tatsächlich ein tragfähiges Geschäft aufzubauen, sodass die Werterzeugung vor Ort bleibt und weniger Menschen in die Not geraten, abwandern zu müssen.

Gar nach Deutschland, wo eine menschenverachtende Partei wie die AfD gegen Zuwanderung und „schleppende Abschiebungen“ wettert, wie Morlok dem Vorredner unter die Nase rieb.

Auch Morloks Rede war an diesem Tag ein kleines Glanzstück demokratischer Genauigkeit, mit dem man den Unterstellungen der AfD beikommen kann, die augenscheinlich nicht mal verstanden hat, dass ein fairer Handel auch die Fluchtursachen mindert, die Millionen Menschen zur Wanderung zwingen. „Nachdenken hilft“, schob Morlok noch nach.

Und wen dann AfD-Frau Sylvia Deubel gefragt haben und dabei erfahren haben will, dass Fairer Handel gar nicht hilft, die Fluchtursachen zu lindern, verriet sie bei ihrem Einwurf am Mikrophon nicht. Wahrscheinlich dürfte die Quellenprüfung im Hörensagen landen.

Wobei es darum eben nur beiläufig ging. Denn wenn Leipzig wirklich vorankommt auf dem Weg zu einer Faitrade Town,  einer Stadt, in der faire Beschaffung die Regel und nicht – wie heute noch – die Ausnahme ist, wird das sehr vielen Menschen in anderen Ländern sehr wohl eine Existenzgrundlage verschaffen. Und ganz nebenbei auch einiges für den Klimaschutz bewirken.

Roland Wöller und sein Gerede vom „Linksterrorismus“

Und die Vorlage der Verwaltung zielte eben nicht darauf, dem Eine Welt e. V. Geld zuzuschanzen, das andere Vereine und Geschäftstreibende in Leipzig ebenso gut gebrauchen können. Es ging schlicht um die Fortsetzung eines geförderten Projekts, bei dem der Eine Welt e. V. nicht mehr aktiv sein kann, wenn nicht wenigstens seine Unkosten im „Netzwerk Leipzig handelt fair“ gedeckt sind.

„Im Falle einer Ablehnung muss der Verein die Fördermittel ausschlagen, da eine Beteiligung der Kommune vom Fördermittelgeber erwartet wird“, heißt es in der Vorlage.

„Die über viele Jahre erfolgreiche zivilgesellschaftliche Multiplikatorentätigkeit könnte nicht fortgeführt werden. Ohne die unterstützende Arbeit der Projektstellen des Vereins würde darüber hinaus auch die Reichweite und der Zielerreichungsgrad der städtischen Fördermittelstelle deutlich reduziert.“

Dass Ulbrich dann auch noch gleich Gewalt und Sachzerstörung in Connewitz beschwor, als wenn das irgendetwas mit der Arbeit des Eine Welt e. V. zu tun hätte, sorgte für ziemlich starkes Gemurmel im Saal. Und als er dann auch noch die jüngste Äußerung von Sachsens Innenminister Roland Wöller vom „gefährlichen Linksterrorismus“ aufgriff, den Wöller ausgerechnet in Leipzig verortet, wurde auch deutlich, dass Wöller letztlich wieder nur den verbal so radikalen Rechten in Sachsen Futter geliefert hat.

Und das in einem Moment, wo der Rechtsextremismus sich gerade in Sachsen weiter radikalisiert hat und Rechtsradikale mit Fackeln als „Querdenker“ vorm Haus der Sozialministerin stehen oder in ihren Foren den Ministerpräsidenten bedrohen.

Ulbrichs Rede hatte tatsächlich nichts, aber auch gar nichts mit der Vorlage zu tun, die die AfD dann letztlich auch ablehnte, weil sie auch das Thema nicht begreift. Das jedenfalls wurde in Ulbrichs Rede sehr deutlich.

„Die Vorlage behandelt die anteilige Kofinanzierung des Fördermittelprojekts ‚Fairer Handel und faire Beschaffung in sächsischen Kommunen‘ des Eine Welt e. V. Leipzig“, beschreibt die Vorlage das Anliegen. „Dadurch stärkt die Stadt Leipzig die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Akteure im Bereich des fairen Handels und der fairen Beschaffung, ermöglicht dem Verein die Akquise von Fördermitteln des Bundes und gewinnt wichtige Kooperationspartner und Multiplikatoren zu Wirtschaftsunternehmen, Vereinen und Verbänden.“

Ein Anliegen, das die Stadtratsmehrheit schon lange teilt. Und für 53 Stadträt/-innen war es am 8. Dezember selbstverständlich, dem Eine Welt e. V. die 2.000 Euro zuzubilligen, damit er die Netzwerkarbeit für die Stadt fortsetzen kann.

Dagegen stimmten nur die neun Stadträt/-innen von der AfD, die weder gute Menschen sein wollen noch etwas für fairen Handel übrighaben.

Die Debatte vom 8. Dezember 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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