Die Corona-Pandemie hat in Leipzig dafür gesorgt, dass sein wichtigstes Organ – der Stadtrat – in den digitalen Raum wechselt. Die Grünen-Fraktion stellte bei der Online-Sitzung am Donnerstag, dem 18. November, einen Antrag zur Abstimmung, der dies auch für Gremien des Stadtrates und nicht nur in Pandemie-Zeiten ermöglichen sollte. Beschlossen wurde letztlich ein Änderungsantrag der Freibeuter-Fraktion.

Vor der Ratsversammlung hatten die Grünen ihren Antrag noch leicht abgeändert und die Möglichkeit zur digitalen Teilnahme auf beratende Gremien beschränkt. Einen Antrag, der auch beschließende Gremien mit einbezog, hatte die Stadtverwaltung mit Blick auf die sächsische Gemeindeordnung als rechtswidrig eingeschätzt.

Mehr Diversität

Grünen-Stadträtin Sophia Kraft nannte Diversität in Parlamenten als einen Grund für die Initiative. Wenn es bestimmten Personengruppen nur schwer möglich sei, an Sitzungen teilzunehmen, könnten diese nicht repräsentativ sein. Sie nannte Eltern mit Kindern oder Personen, die Angehörige pflegen, als Beispiele. Präsenzsitzungen im Rathaus, die sich über Stunden ziehen, könnten für solche Menschen ein Hindernis darstellen.Auf Bedenken seitens der Verwaltung, dass bei digitaler Teilnahme nicht sichergestellt werden könne, dass sich bei nichtöffentlichen Sitzungen nur Befugte im Raum aufhalten, entgegnete Kraft: Es sei auch bei Präsenzsitzungen möglich, etwa via Smartphone Unbefugte daran teilnehmen zu lassen; außerdem hätten die Stadträt/-innen eine Vertraulichkeitserklärung unterschrieben.

Freibeuter gegen Einschränkung

Die Freibeuter-Fraktion sympathisierte mit dem Vorschlag, störte sich jedoch an einer Einschränkung: Digital sollte laut Grünen-Antrag nur teilnehmen können, wer „besondere Gründe wie gesundheitliche Einschränkungen oder Einschränkungen durch Sorgearbeit“ geltend machen könne. Die Fraktion stellte deshalb einen Änderungsantrag, der diese Einschränkung nicht enthielt.

Danach wurde es etwas unübersichtlich. Weil Kraft erklärt hatte, die Änderung zu übernehmen, meldete sich Sören Pellmann aus der Linksfraktion zu Wort: Dort habe man Bedenken, ob der Änderungsantrag mit der sächsischen Gemeindeordnung vereinbar sei, weshalb man nicht zustimmen wolle. Dem Antrag der Grünen hätte man jedoch zugestimmt, sagte Pellmann. Daraufhin gab Kraft bekannt, dass ihre Fraktion doch den eigenen Antrag zur Abstimmung stelle.

Jung bevorzugt Präsenz

Letztlich alles egal, sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sinngemäß: Beide Anträge seien nach Einschätzung der Verwaltung aus rechtlicher Sicht in Ordnung. Er selbst sei jedoch kein Anhänger digitaler Sitzungen. Er plädiere für Präsenz, wann immer es möglich sei. Sich in der Debatte in die Augen zu schauen, sei ihm wichtig. „Vielleicht bin ich da altmodisch.“

Der Änderungsantrag der Freibeuter erhielt 33 Ja-Stimmen und 20 Nein-Stimmen. Sobald eine Lösung für die digitale Teilnahme gefunden wurde, soll diese mindestens sechs Monate erprobt werden. Anschließend ist eine Evaluierung geplant.

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