Einmal im Jahr bricht auf Leipzigs Straßen der Krieg aus, dann wird geballert, geböllert und geknallt, dass es nicht nur kracht, sondern auch ein toxischer Feinstaubnebel durch die Straßen zieht. Der Krach beginnt meist schon Stunden vor Mitternacht – und hört oft erst im Morgengrauen des 1. Januar auf. Und dann sind da ja auch noch die vielen Feuerwerke, die mitten im Jahr die Tiere erschrecken. Gab es da nicht einen Handlungsauftrag an die Stadtverwaltung?
Den gab es wohl. Und die Grünen-Fraktion hat jetzt mal nachgefragt, was daraus geworden ist und ob es überhaupt ein Fitzelchen Hoffnung gibt, dass das Geknalle und Geballer irgendwann mal weniger wird – räumlich und zeitlich. Aber was das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport jetzt darauf antwortet, macht nur bedingt Hoffnung. Im Präsidium des Deutschen Städtetages führte der Handlungsauftrag an den OBM zumindest erst einmal nicht weiter.
Städtetag: Ein generelles Verbot ist nicht notwendig
„In der 438. Sitzung des Präsidiums des Deutschen Städtetages, welchem der Oberbürgermeister Burkhard Jung als Präsident angehört, wurde folgender Beschluss zum künftigen Umgang mit Silvesterfeuerwerk mehrheitlich getroffen“, teilt das Ordnungsdezernat mit.
„Demnach sieht das Präsidium des Deutschen Städtetages die Gefahren für Menschen und Tiere sowie die Umweltbelastung durch Feinstaub, die durch das Abbrennen und den unsachgemäßen Gebrauch von Feuerwerk entstehen. Die Belange des Tier- und Naturschutzes sollten in die Regelungen der Ersten Sprengstoffverordnung ausdrücklich mit aufgenommen werden. Zudem sollten die Regelungen insgesamt klarer gefasst werden. Das kann helfen, die Anwendung der Verordnung zu erleichtern. Das Präsidium stellt weiterhin fest, dass die Regelungen der Ersten Sprengstoffverordnung sowie die Möglichkeiten des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts ansonsten ausreichend sind, um den Gefahren durch Silvesterfeuerwerk mittels punktueller Verbote auf kommunaler Ebene zu begegnen. Ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerken wird als derzeit nicht notwendig erachtet.“
Wie kann man Feuerwerke im Stadtgebiet einschränken?
Dass auch das mit den „punktuellen Verboten“ seine Schwierigkeiten mit sich bringt, wird deutlicher, wenn das Ordnungsamt eine Antwort auf die Grünen-Frage versucht, wie „im gesamten Stadtgebiet pyrotechnische Erzeugnisse der Kategorie F2 ganzjährig untersagt werden können.“
„Ein Verbot pyrotechnischer Erzeugnisse der Kategorie F2 ganzjährig und im gesamten Stadtgebiet war bereits damals ebenfalls nicht möglich“, teilt das Ordnungsdezernat mit Bezug auf frühere Anfragen im Stadtrat mit.
„§ 24 Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz sieht lediglich eine Regelung für pyrotechnische Erzeugnisse der Kategorie F2 in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind, und für pyrotechnische Erzeugnisse der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden vor. Eine Ermächtigung zum Erlass eines Abbrennverbotes im gesamten Stadtgebiet ist nicht enthalten. Die gesetzliche Grundlage ist weiterhin unverändert, weshalb zu keinem anderen Ergebnis gekommen werden kann. Im Fall einer Änderung der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz erfolgt eine erneute Prüfung.“
Beschränkungen gibt es per Gesetz bereits
Einschränkungen gibt es dann weiterhin eigentlich nur noch in Parks und Naturschutzgebieten: „Für den Bereich der öffentlichen Park- und Grünanlagen obliegt dem Amt für Stadtgrün und Gewässer die Aufgabe, Genehmigungen zur Nutzung öffentlicher Grünflächen über den Gemeingebrauch hinaus, zum Beispiel für Veranstaltungen, zu erteilen. Insofern benötigt es hierfür keines Verbotes, da alle Nutzungen über den Gemeingebrauch hinaus bereits verboten sind und lediglich mittels Genehmigung erlaubt werden können. In Folge des Beschlusses vom 09.07.2020 wurde das Amt für Stadtgrün und Gewässer entsprechend informiert, um Feuerwerke über die Nutzungserlaubnis (hier keine Genehmigung für Feuerwerke als flächenverwaltendes Amt) zu beschränken.“
Beschränken heißt: Dort dürfen keine Feuerwerke abgebrannt werden. Auch zum Schutz der dort lebenden Tiere. Und das gilt erst recht für die Naturschutzgebiete in der Stadt.
Ein Kriterienkatalog zur Einschränkung
Ansonsten sind die Flächen, auf denen in der Stadt Feuerwerke entzündet werden dürfen, eigentlich auch rechtlich schon beschränkt.
„In Folge des Beschlusses vom 09.07.2020 wurden die Polizeidirektion Leipzig, das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, das Amt für Stadtgrün und Gewässer, das Amt für Umweltschutz, die Branddirektion und das Verkehrs- und Tiefbauamt befragt und gebeten, Kriterien zu übersenden, welche ein entsprechender öffentlicher Platz erfüllen müsste“, teilt das Ordnungsdezernat mit. „Infolgedessen wurde ein entsprechender Kriterienkatalog erstellt. Dieser enthält die folgenden Kriterien:
– keine Kirchen, Krankenhäuser, Kinder- und Altersheime sowie besonders brandempfindliche Gebäude oder Anlagen in der unmittelbaren Nähe
– keine Eisenbahnanlagen, Flughäfen, Bundeswasserstraßen oder Seeschifffahrtsstraßen in der unmittelbaren Nähe
– möglichst nicht an einer hoch mit Luftschadstoffen belasteten Straße
– außerhalb naturschutzrechtlich geschützter Gebiete
– genügend freie Fläche, dass bei der zu erwartenden Personenzahl die Sicherheitsabstände entsprechend der Herstellerangaben eingehalten werden können und zu jeder Zeit Rettungskräfte Zugang zu dem Platz haben
– freier Himmel ohne überstehende Äste, Oberleitungen etc.
– umliegend eine weitgehend offene Bauweise, um eine gute Durchlüftung zu gewährleisten
– möglichst ohne direkt angrenzende Wohnbebauung
– der Platz muss eine gebundene Deckschicht besitzen, d. h. es sind nur Plätze in Pflasterbauweise bzw. asphaltierte Flächen geeignet
– nicht in dichtbesiedelten Gebieten.”
Feuerwerke auf markierte Plätze konzentrieren?
Weiter heißt es: „Das Büro für Ratsangelegenheiten wurde im November 2020 gebeten, anhand des Kriterienkataloges die Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte zu beteiligen und diese entsprechende Vorschläge für Plätze übermitteln zu lassen. Diese sollten dann noch einmal konkret geprüft werden und in der Folge durch ein entsprechendes Beteiligungsverfahren durch die Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte bestätigt werden.“
Das klingt alles zumindest danach, als gäbe es bald eine Liste von Plätzen, auf denen Feuerwerke künftig konzentriert werden können, sodass sie nicht einfach immer irgendwo mitten im Wohngebiet losböllern müssen. Der Rest ist dann wahrscheinlich ein Lernprozess der Leipziger/-innen, dass Feuerwerke außerhalb der Silvesterfeiern eigentlich nur unvernünftig sind, in Zeiten zunehmender Dürren auch noch brandgefährlich. Und ob die Silvesterböllerei auch so vernünftig ist, ist wohl auch eher eine offene Frage.
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