In allen deutschen Großstädten brennt ja aktuell die Hütte: Die Mieten schnellen in die Höhe, es gibt viel zu wenige bezahlbare Wohnungen und nicht nur in Berlin versucht die Regierung, Wege zu finden, die Mietpreisexplosion zu drosseln. Und gerade zahlungsschwächeren Bevölkerungsgruppen das Mieten und Wohnen in der Stadt noch zu ermöglichen. Und ein Instrument könnte das Vorkaufsrecht sein, wenn Wohnungsbestände auf den Markt kommen. Aber da wird es ganz und gar juristisch.
Und verzwickt sowieso, wie schon die Vorlage der Verwaltung selbst zeigte, die am 14. Oktober zur Beschlussfassung in den Stadtrat kam. Darin soll geregelt werden, wie die Stadt es Dritten ermöglichen kann, das Vorkaufsrecht der Stadt zu nutzen.
Wenn bezahlbares Wohnen auf der Strecke bleibt
Denn nur die Stadt hat dieses Vorkaufsrecht für die Absicherung elementarer sozialer Interessen – auch in den 2020 vom Stadtrat beschlossenen Gebieten mit sozialen Erhaltungssatzungen, gegen die ja gerade die konservativen Fraktionen im Stadtrat opponiert hatten. Denn natürlich geht es hier um Eigentum und um die so schön vom Grundgesetz formulierte Problemstellung: Inwiefern verpflichtet eigentlich Eigentum?
Das deutsche Baugesetz hat das nicht geregelt. Das sichert lediglich die Eigentumsrechte der Grundstücks- umnd Gebäudebesitzer. Sie haben auf dem deutschen Immobilienmarkt die Marktmacht. Und die teilweise heftigen Grundstücksspekulationen in den Großstädten und die in die Höhe schnellenden Grundstückspreise sprechen eine klare Sprache: Das Recht auf bezahlbares Wohnen kommt da nicht vor.
Welche Dritten dürfen das Vorkaufsrecht für die Stadt nutzen?
Das versuchen Städte wie Leipzig mit jenen wenigen Instrumenten überhaupt erst in Kraft zu setzen, die bislang überhaupt schon Fuß gefasst haben – wie zum Beispiel die sozialen Erhaltungssatzungen in jenen Ortsteilen, in denen das Wohnungsangebot gerade für zahlungsschwächere Bevölkerungsgruppen jetzt schon knapp ist und Gentrifizierung längst in Gang.
Aber da die Stadt nicht das Geld hat, um einfach so mal schnell aus der Hüfte alles zu kaufen, was an Hausbeständen auf den Markt kommt, braucht es einen rechtmäßigen Beschluss dazu, wie die Stadt es regelt, dass ausgewählte Dritte an Stelle der Stadt kaufen können.
Das steht zum Beispiel in der Verwaltungsvorlage mit dem Satz: „Der Stadt steht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ein Allgemeines Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung zu. Relevanz haben aufgrund des Satzungsziels jedoch nur mit Wohngebäuden bebaute Grundstücke. Aktuell bestehen diese in der Stadt Leipzig für 6 Gebiete: Alt-Lindenau, Lindenau, Connewitz, am Lene-Voigt-Park, Eisenbahnstraße sowie Eutritzsch. – Nach § 27a BauGB besteht die Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechtes zugunsten Dritter.
Infolgedessen beabsichtigt die Stadt Leipzig das Vorkaufsrecht in den o.g. Satzungsgebieten zukünftig vorrangig zugunsten Dritter auszuüben. Um im konkreten Vorkaufsfall innerhalb der gemäß BauGB zur Verfügung stehenden Frist von 3 Monaten handlungsfähig zu sein, wird deshalb ein Pool vorkaufsbegünstigter Dritter eingerichtet.“
Aber mit einiger Berechtigung hatten die Fraktionen von Linken, Grünen und SPD das Gefühl, dass man den Pool dieser Dritten in Leipzig einschränken sollte, möglichst auf Interessenten, die sowohl den Erhalt sozialer Mietkonditionen als auch den langfristigen Besitz der Gebäudebestände gewährleisten können – wozu nach ihrer Einschätzung nicht alle in Leipzig aktiven Immobilienakteure gehören sollten.
„Der vorliegende Pool vorkaufsbegünstigter Dritter wird auf LWB, Genossenschaften, Vereine und Unternehmen (GmbH) beschränkt“, schrieben sie dazu in ihrem Änderungsantrag.
Ein Punkt, über den dann insbesondere nach deutlicher Kritik von FDP-Stadtrat Sven Morlok heftig diskutiert wurde. Auch Thomas Köhler (Piraten), der wie Morlok in der Freibeuter-Fraktion sitzt, sprach dazu. Er hatte selbst einen kleinen Berg von Änderungsanträgen geschrieben, deren vierter dann freilich nur übrig blieb. Aber die rechtlichen Bedenken gerade zur Einschränkung der Rechtsform, (GmbH) teilten auch Baubürgermeister Thomas Dienberg und OBM Burkhard Jung.
Feilen am Beschluss vor laufender Kamera
Man merkte in dieser Debatte schon, dass das deutsche Baugesetzbuch eigentlich eher nicht die Interessen der Kommunen im Blick hat, mit allen Mitteln bezahlbare Mieten in der Stadt zu erhalten, sondern die Rechte der Bauherren priorisiert. Es wurde also sehr juristisch an diesem Tag. Und auch wenn dieser stark diskutierte 2. Antragspunkt am Ende von der Stadtratsmehrheit angenommen wurde, wird ihn Burkhard Jung prüfen lassen. Denn der Wille des Stadtrats mag vollkommen berechtigt sein – Gesetze kann er aber nicht aushebeln.
Und entsprechend heftig debattiert wurde auch der Punkt 7 aus dem Änderungsantrag: „Der Oberbürgermeister stellt sicher, dass alle zum Pool zählenden Dritten unverzüglich über einen Vorkaufsfall informiert werden, um ihr Interesse zur Ausübung des Vorkaufsrechts anmelden zu können. Alle zum Pool zählenden Dritten, die ein Interesse anmelden, erhalten die erforderlichen Unterlagen, um sich für einen Erwerb im Vorkaufsfall zu bewerben.“
Auch der wurde von der Stadtratsmehrheit positiv votiert. Aber auch den will Jung vorsichtshalber erst einmal in die Rechtsabteilung zur Prüfung geben.
Punkt 8 wurde dann eigentlich schon durch den Änderungsantrag von Thomas Köhler entschärft, den Linke, Grüne und SPD übernommen hatten. Aber auch an dem entzündete sich noch eine veritable Debatte, ob denn die Mieter überhaupt das Recht haben dürfen, in alle Unterlagen Einsicht nehmen zu können.
Und ob sie überhaupt ein Vorvotum abgeben dürfen und damit letztlich die Entscheidungshoheit des Stadtrates aushebeln. Da einigte man sich – wie man sieht vor laufender Kamera – darauf, aus dem Votum der Mieter eine Empfehlung zu machen.
Eine komplexe Materie
Herausgekommen ist dann ein Änderungspaket, das OBM Burkhard Jung großenteils punktweise abstimmen ließ, auch wenn das letztlich nichts daran änderte, dass die Stadtratsmehrheit für diese Änderungen genauso stimmte wie für die Vorlage der Stadt.
Das Ergebnis sah nachher so aus, wie man hier im Protokoll nachlesen kann.
Es kann also passieren, dass es zu den Beschlusspunkten 2 und 7 noch die Nachricht gibt, dass sie rechtlich so nicht machbar sind. Dann müssen wohl für beide Punkte neue, rechtssichere Formeln gefunden werden.
Ein schöner klassischer Fall, der zeigt, dass es juristisch sehr komplex werden kann, wenn Kommunen versuchen, die Fehlstellen irgendwie zu kitten, die der Gesetzgeber selbst geschaffen hat, indem er das Gestaltungsrecht von Kommunen beim Allgemeinwohl-Thema Wohnen radikal eingeschränkt hat. Was eigentlich kein Problem gewesen wäre, wenn der Bund dann wenigstens die Finanzierung eines sozialen Wohnungsbaus in ausreichernder Höhe weiter finanziert hätte.
Die Zeit ist knapp bemessen
Also fehlt es am nötigen sozialen Wohnungsbau. Und die Knappheit hat in allen Großstädten den logischen Folgeeffekt, dass der knappe verfügbare freie Wohnraum immer teurer wird. Logisch, dass da Ratsversammlungen – wie 2020 geschehen – die Verwaltung beauftragen, solche Satzungen für Vorkaufsrechte aufzulegen, denn die Zeit drängt.
Und sie bleibt auch knapp, wenn der Beschluss umgesetzt wird, denn die Frist, die der Gesetzgeber zur Ausübung des Vorkaufsrechts eingeräumt hat, beträgt nur drei Monate. Was für komplexe Prozesse da in Verwaltungen anlaufen, die in diesen drei Monaten eine Lösung finden müssen, ahnte man am 14. Oktober nur. Genauso wie den Druck, mit dem selbst noch in der Ratssitzung versucht wird, zu rechtssicheren Formulierungen zu kommen.
Die Debatte am 14. Oktober 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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