Am Donnerstag, 14. Oktober, ging es noch einmal so richtig haushalterisch trocken zu, ging es um die โ€žรœbertragung von Ansรคtzen fรผr Aufwendungen und Auszahlungen im Ergebnishaushalt aus dem Jahr 2020 nach 2021 (Nacherfassung VII-DS-02787)โ€œ, also um weitere Posten von Geldern, die die Stadt 2020 nicht hat ausgeben kรถnnen, obwohl das Geld so im Haushalt verplant war. Eigentlich das Steckenpferd von Linke-Stadtrat Steffen Wehmann. Aber der kam ein Minรผtchen zu spรคt zur Sitzung.

Sodass dann Linke-Stadtrรคtin Franziska Riekewald in seine Rolle schlรผpfte und seine Rede vorlas, die Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew ein klein wenig Blauรคugigkeit vorwarf. Denn als ganz hohes Ziel hat Bonew ja den schรถnen Traum, die investiven Haushaltsausgabenreste binnen fรผnf Jahren gen Null zu fรผhren. Was bei zeitweise fast 400 Millionen Euro, die sich aufgehรคuft haben, schon erhebliche Anstrengungen braucht.

Alte Probleme gelรถst, neue schon da

Und in seiner eigenen Stellungnahme ging Bonew dann ja auch darauf ein, dass er die Sache als Finanzbรผrgermeister nur bedingt steuern kann. Die Entscheidungen, welche Gelder ausgegeben werden, fallen ja in den Dezernaten. Und die wissen ja oft selbst nicht, wann sie endlich mal Geld ausgeben kรถnnen. Auch darauf ging Bonew ein: Vor fรผnf Jahren waren die Probleme beim Geldausgeben noch ganz andere als heute.

Damals fehlten im Leipziger Rathaus die Planer, die die Projekte endlich zur Umsetzung bringen konnten. Als markantes Beispiel nannte Bonew den Schulhausbau, wo Leipzig unรผbersehbar einen Zahn zugelegt hat, weil es jetzt Planer/-innen hat. Dafรผr gibt es im Jahr 2021 auf einmal das Problem, dass die Stadt ihre Projekte nicht am Markt platzieren kann, weil sรคmtliche Baufirmen schon rappelvolle Auftragsbรผcher haben. Auch so muss ein Projekt in den nรคchsten Haushalt verschoben werden.

Entwicklung der investiven Ausgabereste im Leipziger Haushalt. Grafik: Stadt Leipzig
Entwicklung der investiven Ausgabereste im Leipziger Haushalt. Grafik: Stadt Leipzig

COVID-19 machte einen Strich durch die Rechnung

Aber die Liste, die Bonew auch der neuen Vorlage beigegeben hat, zeigt ja, dass es auch in anderen Dezernaten Schwierigkeiten gibt, geplante Investitionen umzusetzen. Da konnte zum Beispiel Dienstkleidung fรผr die Feuerwehr nicht gekauft werden. Grund dafรผr u.a.: โ€žAngemeldete Lehrgรคnge fรผr die Brandmeisteranwรคrter konnten zwecks Corona, Landesfeuerwehrschulen waren geschlossen, nicht stattfinden und sollen 2021 nachgeholt werden.โ€œ

Die Pandemie hat also das Einkleiden neuer Brandmeister verhindert. Und fรผr das Internationale Turnfest konnten Gelder schlicht nicht ausgegeben werden, weil es 2021 einfach wegen Corona nicht stattfinden konnte.

Wesentlich prekรคrer fand Wehmann, dass 12 Millionen Euro zum strategischen Ankauf von Grundstรผcken nicht genutzt wurden. Darauf ging Bonew zwar nicht ein, aber auch hier geht es um den Spagat zwischen Angebot und Nachfrage. Wenn Grundstรผcke, die fรผr stรคdtische Planungen in Frage kommen, nicht auf den Markt kommen, kann Leipzig auch nicht kaufen. Und dazu kommt die massive Spekulation gerade mit innerstรคdtischen privaten Grundstรผcken, die die Bodenpreise in Hรถhen treiben, wo auch Liegenschaftsรคmter lieber die Finger davon lassen.

Jahresbindung der Ausgaben als Problem

Im Grunde zeigt auch diese Nachtragsvorlage nur, dass das Geldausgeben in einer Stadtverwaltung kein Automatismus ist und es erhebliche Schwierigkeiten gibt, die Ausgaben an die Jรคhrlichkeit zu binden, die der sรคchsische Gesetzgeber vorgegeben hat.

HeiรŸt: Die vom Stadtrat mit der Haushaltssatzung beschlossenen Summen mรผssten eigentlich alle auch im entsprechenden Haushaltsjahr ausgegeben werden. Weil der Gesetzgeber aber weiรŸ, dass das bei vielen Posten โ€“ wie etwa BaumaรŸnahmen โ€“ so gut wie unmรถglich ist, gibt es einen engen Rahmen, welche Gelder dann ins nรคchste Jahr als investive Ausgabenreste รผbertragen werden dรผrfen โ€“ und welche schlichtweg verfallen.

Wobei die Linksfraktion noch einen ร„nderungsantrag eingebracht hat, weil sie nicht einverstanden damit war, dass zwei kleine Posten einfach so verschwinden sollten:

โ€žDie Mittel fรผr den Erwerb von Dienstkleidung und Schutzkleidung im Bereich abwehrender Brandschutz und Rettungsdienst in Hรถhe von insgesamt 82.344,24 Euro werden รผbertragen und 2021 zur Verfรผgung gestellt.

Die Mittel fรผr die Jugendfeuerwehr (Aufwendungen fรผr Veranstaltungen) werden vollstรคndig in Hรถhe von 107.276,89 โ‚ฌ รผbertragenโ€œ, lautete im Wesentlichen ihr ร„nderungsantrag.

Die Landesdirektion hat das letzte Wort

Zu dem dann FDP-Stadtrat Sven Morlok berechtigte Zweifel anmeldete, ob das nun rechtmรครŸig sei. Eher nicht, meinte Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew. Aber es sei ja Unfug, die Gelder einfach zu streichen, bloรŸ weil man 2020 nicht kaufen konnte. Denn wenn die Kleidung doch verfรผgbar ist, fehlt dann auf einmal das Geld, so Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt.

Auch wenn der Stadtrat dem ร„nderungsantrag der Linksfraktion mit 40:4:4 Stimmen zustimmte, steht die Frage im Raum, die auch OBM Burkhard Jung nicht wirklich beantworten konnte, denn rechtmรครŸig ist aus seiner Sicht nur die Vorlage der Verwaltung.

Die bekam dann mit 39:0:10 Stimmen etwas zurรผckhaltendere Zustimmung. Hier war es vor allem die Linksfraktion, die sich enthielt. Auch in einem kleinen Protest gegen die damit auch vollzogenen Kรผrzungen. Denn natรผrlich ist das Geld, das nicht ins Haushaltsjahr 2021 รผbertragen wird, fรผr die aufgefรผhrten Projekte erst einmal weg. Und in der Regel gibt es dafรผr im Doppelhaushalt 2021 / 2022 auch keine Ersatzhaushaltsposten. Aus diesem Ansatz kam ja der ร„nderungsantrag der Linken.

Am Ende hat dann wohl die Landesdirektion Sachsen das letzte Wort, die โ€“ wie Torsten Bonew anmerkt โ€“ mit Argusaugen รผber die Leipziger Haushalte wacht. Der Freistaat sitzt also quasi mitten drin in allen Leipziger Haushaltsberatungen und sorgt dafรผr, dass hier ja niemand zu viel Geld ausgibt.

In fรผnf Jahren auf null?

Dabei hat Leipzig โ€“ wie ja Bonews Vorlagen zu den investiven Haushaltsausgabenresten zeigen โ€“ eher das Problem, die geplanten und vom Stadtrat auch beschlossenen Gelder auch in der jeweiligen Jahresscheibe auszugeben. Und zwar so groรŸe Schwierigkeiten, dass der Berg der investiven Ausgabenreste in den letzten Jahren immer weiter anwuchs und Bonew mit dem Finanzausschuss beriet, wie man diesen Riesenberg รผberhaupt abbauen kรถnnte.

โ€žDa sind wir auf einem guten Wegโ€œ, sagte Bonew am 14. Oktober. Der Berg schmolz erstmals um 20 Millionen Euro.

Aber das hat die tatsรคchlichen Probleme in den Dezernaten noch nicht behoben. Mittlerweile bremst ein รผbersรคttigter Markt massiv. Bis zum Juni, so Steffen Wehmann, hรคtten die Dezernate auch erst wieder 17 Prozent der zur Verfรผgung stehenden 700 Millionen Euro ausgeben kรถnnen.

Und alle Erfahrung sagt, dass in der zweiten Jahreshรคlfte auch keine 50 Prozent verbaut und investiert werden. Es wird also ganz und gar nicht leicht, den Berg der Ausgabenreste binnen fรผnf Jahren abzubauen. Wehmann sieht eher eine Endsumme von 150 Millionen Euro als sportliches Ziel.

Die Debatte vom 14. Oktober 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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