Dass oft genug der Eindruck entsteht, der Widerstand gegen das Nazi-Regime sei nur marginal gewesen, hat auch damit zu tun, dass die meisten Formen des Widerstands von der deutschen Geschichtsschreibung meist ignoriert wurden. Im Osten kümmerte man sich nur um den kommunistischen Widerstand, im Westen fokussierte man sich auf das Attentat vom 20. Juli 1944. Da fand zum Beispiel die Existenz jugendlicher Widerstandsformen wie der Leipziger Meuten überhaupt keine Erwähnung.
Was übrigens mehr Dimensionen hat als nur den auf diese Weise unsichtbar gemachten Widerstand. Denn hier geht es auch um einen anderen Blick auf eine Diktatur, die mit allen staatlich verfügbaren Mitteln jeden Widerstandsgeist zu brechen versuchte, hunderttausende Menschen ins KZ sperrte, umbrachte, terrorisierte und durch das Verschwindenlassen der Verfolgten auch versuchte, das Wissen um ihre Existenz auszulöschen.Die Ignoranz der Nachkriegshistoriker ist so gesehen eine meist ungewollte Fortsetzung dieses „Verschwindenlassens“, das ja bekanntlich moderne Diktaturen genauso „professionell“ betreiben wie der Staatsapparat des NS.
Besonders Sascha Lange hat sich ja mit Büchern wie „Meuten, Swings und Edelweißpiraten“ darum verdient gemacht, den lange vergessenen Protest der Leipziger Jugendgruppen wieder sichtbar zu machen und zum Teil der Leipziger Erinnerungskultur zu machen.
Und damit kommt ein neues Thema auf die Tagesordnung, das all jene schon kennen, die sich in den vergangenen Jahren um die Würdigung der ermordeten Sinti und Roma, der jüdischen ermordeten Mitbürger oder die Aufarbeitung der Zwangsarbeit in der NS-Zeit bemüht haben: Es fehlt eine im öffentlichen Raum sichtbare Würdigung.
Des Themas nahm sich jetzt das Jugendparlament der Stadt an und stellt jetzt den Antrag: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, bis Ende des ersten Quartals 2023 (…) auf dem Lindenauer Markt eine Stätte in Erinnerung an den Widerstand der Leipziger Jugend gegen die nationalsozialistische Diktatur zu errichten.“
Für die Gestaltung soll die Öffentlichkeit beteiligt werden, „besonders Kinder und Jugendliche. Das Denkmal sollte sich klar von alternativen Formen des Erinnerns und des Mahnens im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und dessen Opfern unterscheiden.“
Die Mitglieder des Jugendparlaments beeindruckt, wie kreativ und mutig sich die Jugendlichen damals gegen das rigide Regime engagierten: „Der Widerstand der Arbeiterkinder des Leipziger Westens ist ein Teil unserer Stadtgeschichte. In den letzten Jahren erfährt der Widerstand immer mehr Aufmerksamkeit durch Kunst und Kultur. Leider sucht man immer noch vergeblich nach einem Ort der Würdigung in Leipzig. Der Lindenauer Markt – als zentraler Platz im Stadtteil – stellt einen passenden Ort dar, die größte Gruppe der sogenannten ‚Meuten‘ stammte auch aus diesem Stadtteil. Da es sich um ‚jugendliche Geschichte‘ dreht, sollten gerade junge Menschen involviert sein, um einen Bezugspunkt zur Erinnerungskultur in Leipzig zu bieten.“
Der Antrag geht jetzt natürlich erst einmal ins Verfahren. Ein Verwaltungsstandpunkt ist natürlich auch noch zu erwarten, bis dann die Ratsversammlung über den Antrag beschließt.
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Keine Kommentare bisher
Najanaja, als die Leipziger Meuten vor ca fünfzehn Jahren in Erinnerung gerufen wurden, frage ich mich, wieviel da “dran” ist und wieviel überschwengliche Leipziger Heldenstadttümelei.
Der Wikipediaartikel fällt mir durch seinen massiven Tonfall auf. In jedem größeren Stadtteil gab es eine Meute mit mehreren Dutzend Mitgliedern? Während des Kriegs wurde auf Koffergrammophonen auf der Straße unverfrorene Swing-Musik (also Musik aus den VSA?) gehört? Ich kann das nicht glauben. Eine Meute von vielleicht zwanzig jungen Menschen für ganz Leipzig – ja. Aber nicht in jedem Stadtteil eine eigene Meute.
Die Verwaltung wäre hier gut beraten, sich Rat von Historikern einzuholen, die das Ganze gewissermaßen “reichsweit” einordnen könnten.