Die kommende Bundestagswahl dürfte spannend werden – auch in den beiden Leipziger Wahlkreisen. Etwas mehr als einen Monat vor der Wahl hat sich die LEIPZIGER ZEITUNG mit Kandidat/-innen aus dem südlichen Wahlkreis 153 zum Gespräch getroffen. Im ersten Teil des Interviews mit Nadja Sthamer spricht die SPD-Kandidatin über die Perspektive junger Menschen und persönliche Positionierungen bei Themen wie Wohnen, Mobilität und Klima.

Sie sind vermutlich noch nicht so bekannt wie beispielsweise Sören Pellmann als Bundestagsabgeordneter oder Jessica Heller als Stadträtin. Was sollten potentielle Wähler/-innen über Sie wissen?Ich bringe sehr viel Energie und den Willen für Veränderung mit. Ich scheue auch nicht davor zurück, unbequeme Positionen einzunehmen und bei meiner Meinung zu bleiben. Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass junge Menschen im Bundestag vertreten sind. Davon bin ich eine.

Ich möchte gerade für junge Menschen und junge Familien – das liegt mir persönlich als junge Mutter sehr nahe – Politik machen.

Bereits in der Bewerbungsrede für das Direktmandat sagten Sie, dass Sie die „Lebensrealität“ von jungen Menschen einbringen möchten. Wie sieht diese Realität aus und lässt sich das überhaupt verallgemeinern?

Ich sprach in dieser Rede davon, dass sich im Leben der meisten Menschen selten so viel verändert wie in der Zeit zwischen 18 und 35 Jahren. Da geht es um die Entscheidung, was ich nach der Schule mache, welche Ausbildung ich anfange und welchen Job ich wähle, und viele gründen auch noch eine Familie.

Das sind so viele Veränderungen innerhalb kurzer Zeit, die im Bundestag deutlich zu wenig Berücksichtigung finden.

Gibt es innerhalb der SPD gerade einen Trend, mehr junge Leute ins Parlament bringen zu wollen, oder sind Sie da eine Ausnahme?

Ich bin keine Ausnahme. Das ist ein bundesweiter Trend. Von den 299 Kandidierenden für ein Direktmandat sind mehr als 80 jünger als 35.

Für die SPD dürften eher die Landeslisten von Bedeutung sein. Gibt es dort junge Leute auf den vorderen Plätzen?

In Sachsen sind unter anderem die Plätze 4, 5 und 6 mit Menschen unter 35 Jahren besetzt. Bundesweit wurden etliche junge Kandidierende gut positioniert.

Inwiefern unterscheiden sich die Themen junger Menschen von jenen älterer Menschen?

Das will ich gar nicht gegeneinander ausspielen; das wäre nicht fair. Ich will ja nicht nur Politik für junge Menschen machen. Es gibt große Schnittmengen – zum Beispiel beim Thema Wohnen.

Wenn wir davon reden, dass die Mieten in Leipzig immer weiter steigen und dort, wo eigentlich bezahlbarer Wohnraum sein sollte, immer mehr Eigentumswohnungen entstehen, dann betrifft das junge Menschen ohne hohes Einkommen ebenso wie alleinstehende Rentner/-innen. Da sollten die Generationen zusammenstehen.

Bleiben wir mal bei politischen Inhalten. Ich gebe ein Stichwort und Sie sagen, welche Positionen und Forderungen Sie dazu haben. Punkt 1: Soziales.

Ich möchte, dass wir das solidarische Miteinander in unserer Gesellschaft stärken. Diejenigen, die finanziell schwächer gestellt sind, müssen mehr Unterstützung bekommen, und diejenigen, die mehr haben, müssen mehr für das Gemeinwesen leisten. Ich setzt mich vor allem für die Kindergrundsicherung ein.

Diese fasst alle bisherigen Leistungen für Familien zu einer Leistung zusammen und bemisst sich am Einkommen der Eltern. Damit werden Familien, die finanziell schwächer gestellt sind, sofort entlastet. Kinderarmut muss endlich beendet werden.

Wohnen?

Da ist viel zu tun im Leipziger Süden und in Leipzig insgesamt. Im Kern ist das eine soziale Frage. Auf Bundesebene müssen dringend einige Schritte eingeleitet werden, wie ein bundesweiter Mietenstopp, massiver Ausbau von sozialem Wohnungsbau, insgesamt Förderung von Neubau und generell eine neue Bodenpolitik.

In der Leipziger Südvorstadt haben wir einige Filetstückchen, die als Investmentobjekte vorgehalten werden und nicht bebaut werden – ich möchte, dass das ein Ende hat und dass solche Flächen perspektivisch in kommunale Hand zurückgeführt werden oder zumindest bebaut werden müssen.

Ebenfalls in Leipzig ein großes Thema: Mobilität.

In Leipzig sind ja die Ticketpreise gerade wieder gestiegen – das tut natürlich immer weh. Ich möchte Mobilität mit unterschiedlichen Aspekten verbinden, vor allem mit der Klimapolitik. Mobilität ist ein Faktor, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen, sich individuell klimaneutral zu verhalten.

Da geht es um sichere, schnelle Fahrradwege, aber auch darum, den ÖPNV auszubauen und bezahlbar zu machen. Deshalb fordern wir das 365-Euro-Ticket.

Das führt schon zum vierten Stichwort: Klima.

Ich finde es wichtig, Klimapolitik als soziale Frage zu begreifen. Es ist eine Frage, wie wir zukünftigen Generationen unsere Welt hinterlassen. Wir können nicht mehr warten und müssen ambitionierte Vorgaben machen. Ich habe in der Entwicklungszusammenarbeit ein Projekt in Äthiopien umgesetzt und dort gesehen, wie der Klimawandel vor Ort schon zuschlägt, während wir darüber nachdenken, wie viel Zeit wir uns noch lassen können.

Ich möchte, dass wir unsere Industrie schnell umbauen und die Verantwortung nicht auf das einzelne Individuum abwälzen. Die Politik ist in der Verantwortung.

Und schließlich: Wirtschaft.

Unsere Wirtschaft muss in der Lage sein, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Dafür müssen wir uns fit für die Zukunft machen, in Digitalisierung investieren und die Wirtschaft perspektivisch klimaneutral machen. Dabei wird oft die Frage gestellt, wer das alles bezahlen soll.

Die großen Player wie Amazon sollten die Steuern dort zahlen müssen, wo die Gewinne erwirtschaftet werden. Das wäre gerecht und dann hätte man ein deutliches Plus in der Kasse. Generell ist Wirtschaftspolitik aber nicht mein Kernthema.

Der zweite Teil des Interviews erscheint am Mittwoch, dem 17. August.

Auf dieser Seite sammeln wir alle Interviews mit den Kandidat/-innen.

In der aktuellen Print-Ausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG finden Sie einen Schwerpunkt zur Bundestagswahl.

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