Die kommende Bundestagswahl dürfte spannend werden – auch in den beiden Leipziger Wahlkreisen. Etwas mehr als einen Monat vor der Wahl hat sich die LEIPZIGER ZEITUNG mit Kandidat/-innen aus dem südlichen Wahlkreis 153 zum Gespräch getroffen. Im zweiten Teil des Interviews mit Sören Pellmann spricht der Linke-Kandidat über die Krise seiner Partei, eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene und Sachlichkeit im Wahlkampf.
Die Linkspartei liegt in Wahlumfragen aktuell nur bei sechs bis sieben Prozent. Woran liegt das?
Das liegt zum einen an dem lähmenden Streit, über den wir gerade gesprochen haben, zum anderen aber auch daran, dass die Linkspartei im Vergleich zu anderen Parteien medial deutlich weniger wahrgenommen wird. Das ist auch eigenes Verschulden. Außerdem sind es die Verluste bei den letzten Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Bei den Kommunalwahlen 2019 haben wir im ostsächsischen Raum bis zu zwei Drittel unserer Mandate verloren. Dadurch sind wir in der Fläche nicht mehr so verankert wie früher.
In manchen Gegenden gibt es Rechtsaußen und die Feuerwehr, vielleicht noch die CDU. Aber die Linke kommt da gar nicht mehr vor. Dass Personen, die in den Großstädten wohnen, im ländlichen Raum kandidieren, finde ich wenig glaubwürdig. Man wird wie ein Fremdkörper betrachtet.
Das heißt, dass Sie sich gewünscht hätten, dass beispielsweise in Nordsachsen jemand anderes kandidiert als Philipp Rubach aus Leipzig?
Es ist ein Nachteil, dass er in Leipzig wohnt und dort kandidiert, aber er ist trotzdem eine ausgezeichnete Wahl. Philipp Rubach ist ein junger, dynamischer Typ, der sympathisch rüberkommt und für das Ostdeutsche steht. Das ist ja gerade bei den jungen Menschen nicht mehr das große Thema. In Nordsachsen zieht so etwas.
Bezüglich der niedrigen Umfragewerte stellt sich auch die Frage, warum die Linke nicht davon profitiert, dass der Kapitalismus dank Corona- und Klimakrise selbst immer stärker in die Krise gerät.
Wir haben zwei Blöcke, die insgesamt in den Umfragen relativ stabil sind: einerseits Linke, SPD und Grüne, andererseits die konservativ-rechten Parteien. Die Zahlen verschieben sich eher innerhalb dieser Blöcke. Uns gelingt es nicht, die Nichtwähler/-innen und ehemaligen Linke-Wähler/-innen zu überzeugen. Die haben uns vielleicht 30 Jahre lang gewählt und sind jetzt frustriert, weil wir in der Opposition nichts erreichen würden.Als ich vor 26 Jahren in die Partei eingetreten bin, habe ich gesagt: Mitregieren? Um Gottes Willen, bloß nicht! Jetzt stellt sich aber die Frage, ob man es in Regierungsbündnissen schaffen kann, mehr linke Politik umzusetzen. Thüringen und Berlin sind dafür gute Beispiele. Wir sind gut beraten, das auch mit Blick auf die Bundestagswahl mitzudenken.
Laut den meisten Umfragen hätte Rot-Rot-Grün auf Bundesebene keine Mehrheit.
Ich will zumindest Offenheit dafür signalisieren. Insbesondere die Grünen sagen ja immer wieder, dass es unseretwegen nicht klappt. Nach 16 Jahren mit Angela Merkel gibt es zumindest die Chance, dass sich an den Farbspielen mal etwas ändert.
Gibt es auch die Chance, dass es die Linke gar nicht erst in den Bundestag schafft?
Das halte ich für ausgeschlossen. Es gibt ja noch den Rettungsanker der Direktmandate. Davon benötigt man drei, wenn man die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft. Im Moment liegen wir in vier Wahlkreisen vorne – dieser in Leipzig und drei in Berlin. Aber ich glaube auch, dass die Umfragewerte wieder deutlich steigen werden.
Die Tendenz geht aber in die andere Richtung. Was macht Sie da so zuversichtlich?
Das sind die Rückmeldungen in der eigenen Blase, in anderen Bundesländern und im Bund – jetzt ist überall angekommen, dass im Herbst wieder eine Wahl ansteht und dass das unsere Chance ist. Bis dahin kann noch viel passieren.
Abschließend würde ich gerne noch einmal in den Leipziger Wahlkreis zurückkehren. Sie wollen das Direktmandat verteidigen, die CDU hätte es gerne zurück und Paula Piechotta von den Grünen scheint auch sehr scharf darauf zu sein – erwarten Sie einen aggressiven Personen-Wahlkampf im Süden?
Ich wünsche mir mehr Sachlichkeit in der Debatte. Ich habe Paula Piechotta bei mehreren Veranstaltungen erlebt. Mal hat sie gesagt, dass sie Rot-Rot-Grün komplett ablehnt; mal hat sie gesagt, dass sie es sich vorstellen kann. Den ersten rot-rot-grünen Koalitionsvertrag in Thüringen hatte sie ja mitverhandelt. Ich habe mal bei den Sprecher/-innen der Grünen in Leipzig und Sachsen nachgefragt: Es gibt keine Koalitionsaussage für Sachsen, also auch keine anti-linke Aussage. Im Stadtrat arbeiten SPD, Linke und Grüne zusammen. Das möchte ich nicht aufs Spiel setzen.
Ist es trotzdem grundsätzlich in Ordnung, dass sich Kandidat/-innen von SPD, Linkspartei und Grünen gegenseitig kritisieren?
Ja, aber die Kritik muss sachlich begründet sein. Dann sollte man nicht behaupten, ich würde gegen Klimaschutz stimmen. Und auch nicht behaupten, ich sei nicht im Wahlkreis präsent, so wie Jessica Heller von der CDU das getan hat. Meine Gegnerinnen sind nicht Paula Piechotta von den Grünen oder Nadja Sthamer von der SPD. Meine Gegnerin ist Jessica Heller, weil sie das Direktmandat für die CDU zurückerobern möchte.
Sie wird die einzige Person sein, die ich bei Wahlkampfforen angreife. Was sie auf ihren Flyern fordert, könnte fast unser Wahlprogramm sein: bessere Bezahlung für die Pflege, besserer Betreuungsschlüssel – dafür mag Frau Heller stehen, aber im Wahlprogramm der CDU steht etwas ganz anderes drin. Das ist nicht kompatibel zueinander und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich in einer Fraktion mit mehr als 200 Abgeordneten damit durchsetzen würde.
Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.
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