Auch wenn die Corona-Pandemie lange Zeit die meisten Themen in den Schatten gestellt hat, zeigen die jรผngsten Unwetterereignisse in Deutschland einmal mehr die Brisanz des Klimawandels auf. Zwei Monate vor der Bundestagswahl stellt sich die Frage, wie die Parteien mit dieser Herausforderung umgehen wollen.

In seiner Beurteilung klammert Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum fรผr Umweltforschung (UFZ) in Leipzig die AfD von vornherein aus: โ€žMan muss nicht mehr รผber die Grundfrage diskutieren, ob es Klimawandel gibt.โ€œ Alle anderen Parteien hรคtten Klimaschutz erfreulicherweise in ihren Programmen verankert.

Die Union bekennt sich im Kapitel โ€žNeuer Wohlstand โ€“ mit nachhaltigem Wachstum zum klimaneutralen Industrielandโ€œ zum novellierten Klimaschutzgesetz โ€“ Treibhausgasneutralitรคt bis 2045, Emissionssenkung bis 2030 um 65 Prozent. Konkrete MaรŸnahmen dafรผr sind jedoch im Programm nicht zu finden. โ€žInsgesamt fehlen hier eklatant Elementeโ€œ, so Schwarzes Einschรคtzung.

Auch die SPD bekennt sich zu den derzeitigen Klimaschutzplรคnen der Regierung. Bis 2040 soll dafรผr der Strom vollstรคndig aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Klare Ausbauziele fรผr diese werden aber auch im Programm der Sozialdemokraten nicht benannt. AuรŸerdem setzt die SPD auf โ€žgroรŸe Mengen Wasserstoffโ€œ und auf mehr Tempo beim Ausbau von Bahnstrecken und Ladesรคulen fรผr Elektroautos.

Die FDP ist davon รผberzeugt, dass Klimapolitik nicht รผber Regulierung, sondern mit Anreizen fรผr Innovationen funktioniert. So sprechen sich die Liberalen gegen Tempolimits und Fahrverbote aus. Jรคhrlich teurere Emissionszertifikate wรผrden auf dem freien Markt klimafreundliche Technologien vorantreiben. Schwarze findet auch hier deutliche Worte: โ€žDie รผbereinstimmende Meinung der Wissenschaft wird bei der FDP ignoriert: Dass es neben der Marktregulierung noch andere Steuerungsmechanismen fรผr Klimaschutz braucht.โ€œ

Die Leipziger Zeitung, Ausgabe 93. Seit 30. Juli 2021 im Handel. Foto: LZ

Im Gegensatz zu Union und SPD wollen die Grรผnen die Emissionen um 70 Prozent bis 2030 reduzieren. Die CO2-Bepreisung soll angehoben werden und in Form eines โ€žEnergiegeldesโ€œ an alle Bรผrger/-innen zurรผckflieรŸen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien bildet eine der Prioritรคten โ€“ der Kohleausstieg soll schon bis 2030 erfolgen.

โ€žDie Grรผnen gehen jedoch kaum auf den Ausbau des Energienetzes und vor allem die Speicherung einโ€œ, so Schwarze. Das Thema Landwirtschaft und Verkehrswende sei hingegen sehr gut ausbuchstabiert.

Obwohl fรผr die Linke Klimagerechtigkeit im Mittelpunkt steht, รผberrascht die Partei mit Zielen, die sogar die der Grรผnen รผbertreffen. Deutschland soll demnach schon 2035 klimaneutral werden โ€“ vor allem รผber den Ausbau erneuerbarer Energien und des ร–PNV, welcher perspektivisch gesehen fรผr alle kostenlos werden soll.

Wie bei allen anderen Parteien fehle auch hier eine ausreichende europรคische Perspektive, die Senkenpolitik, Flexibilitรคtsoptionen und Negativemissionen einbezieht, so Schwarze.

โ€žKein Wahlprogramm ist perfekt โ€“ Umweltforscher beurteilt die klimapolitischen Ziele der Parteienโ€œ erschien erstmals am 30. Juli 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 93 der LZ finden Sie neben GroรŸmรคrkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehรคndlern.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der โ€žCoronakriseโ€œ haben wir unser Archiv fรผr alle Leser geรถffnet. Es gibt also seither auch fรผr Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. รœber die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstรผtzen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tรคgliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikรคufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den tรคglichen, frei verfรผgbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit fรผr Sie.

Vielen Dank dafรผr.

Empfohlen auf LZ

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Antonia Weber รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Die Bundestagswahl ist in einem Monat, nicht in zwei. Bitte rechtzeitig aus dem Bett kommen.

Dass von den Parteien, die nicht originรคr aus der Umweltpolitik kommen (neben den Grรผnen gibt es ja noch andere, durchaus auch โ€œalteโ€ Umweltparteien), nichts Gescheites zu erfahren ist, verwundert mich nicht. Die CDU ist in der Dampflokwirtschaftswunderzeit steckengeblieben. Die SPD kapiert sowieso nichts, ich weiรŸ echt nicht, was die den ganzen Tag machen. Die Linken sind halt auf das Soziale fokussiert, Klima ist offensichtlich nicht ihr Ding.

Die FDP โ€“ am interessantesten โ€“ รผbersieht in ihrer Logik von โ€œfreiwilligen Anreizenโ€ geflissentlich, dass die CO2-Abgabe ein erheblicher und sehr unfreiwilliger Markteingriff darstellt. Jรผngst war die Rede, dass die Braunkohleverstromung deshalb ein vorzeitiges (=sehr baldiges, nicht 2038(?)) Ende finden kรถnnte. Die FDP-Theoretiker sollten sich der Realitรคt zuwenden und helfen, ein Wahlprogramm zu schreiben, das zur Wirklichkeit passt.

In der Tat irritiert mich bei den Grรผnen die Technikglรคubigkeit in puncto Speicherung. Ich finde sie รผberall in Interviews und Zeitungsartikeln mit grรผnen Politikern.

Liebe Grรผne: Bitte unterhaltet Euch mal mit Ingenieuren, mit Chemikern und mit Physikern, รผber den Stand der Technik bei Energiespeicherung. Bitte.

Fรผr die anderen: Speicherung von Energie ist ein Monsterproblem!

Wenn wir in Deutschland gezwungen wรคren, jetzt und sofort massenhaft Energie zu speichern, dann mรผssten wir mehrere Drei-Schluchten-Dรคmme bauen.

Und in real: Norwegen hat sich schon dagegen verwahrt, die Fjorde als Staudammspeicher umzuโ€bauenโ€. Norwegen will nicht der Akku Europas sein.

Meiner Meinung nach kommen wir an einer smarten Lรถsung von โ€œjust-in-timeโ€ Energieerzeugung und Energieverbrauch erstmal nicht vorbei. Und mรถglichst dezentral sowieso (energieautarke Gebรคude oder gar Stรคdte). Stromtrassen sind eine dumme Lรถsung โ€“ bei einer Stรถrung wรผrden halbe Bundeslรคnder im Dunkeln sitzen.

Aber das alles scheint bei den Grรผnen (mittlerweile die Alternative fรผr diejenigen Wรคhler, die die FDP zu trutschig finden) nicht prรคsent zu sein. Sind total fixiert auf ein technisches Wunder โ€œEnergiespeicherungโ€.

Schreiben Sie einen Kommentar