Die kommende Bundestagswahl dürfte spannend werden – auch in den beiden Leipziger Wahlkreisen. Etwas mehr als einen Monat vor der Wahl hat sich die LEIPZIGER ZEITUNG mit Kandidat/-innen aus dem südlichen Wahlkreis 153 zum Gespräch getroffen. Im zweiten Teil des Interviews mit Paula Piechotta spricht die Grünen-Kandidatin über Wege in die Klimaneutralität sowie Gesundheitspolitik und Faktenorientierung in der Coronakrise.
Bei der Klimapolitik wäre wohl ein rot-rot-grünes Bündnis am Ehesten gewillt, die Pariser Klimaziele zu erreichen, obwohl Bewegungen wie „Fridays for Future“ selbst bei diesen Parteien sagen, dass die Forderungen nicht ausreichend seien. Was für Kompromisse wären überhaupt bei Koalitionen mit CDU oder FDP denkbar?
Politik ist nur einer von vielen Wegen auf dem Weg in die Klimaneutralität. Auch der Weg über die Gerichte ist wichtig, wie man bei der Klimaklage gesehen hat. Gerichte können Parteien, für die Klimaschutz nicht ganz oben steht, zum Klimaschutz zwingen. Außerdem sind Akteure in Zivilgesellschaft und Wirtschaft wichtig, die die Mehrheiten in der Bevölkerung ändern können.
Eine Mehrheit der Bevölkerung ist für den Klimaschutz, was dazu führt, dass selbst CDU und FDP Lippenbekenntnisse in ihre Programme schreiben müssen. Was „Fridays for Future“ betrifft: Wir haben teilweise andere Auffassungen, sind aber in einem konstruktiven Dialog miteinander.
Zu Ihren Schwerpunkten im Wahlkampf gehört „gute Gesundheitspolitik“. In welchen Bereichen hat die Coronakrise die Schwachstellen im deutschen Gesundheitssystem aufgezeigt?
Ich würde erst einmal aufzählen, was gut funktioniert hat, denn darüber redet kaum jemand: die Rettungsdienste, die Koordination der Betten und der Einsatz vieler Beschäftigter im Gesundheitswesen.
Was nicht funktioniert hat: der öffentliche Gesundheitsdienst zum Beispiel. Wir haben gesehen, dass im Kliniksystem extrem viel Geld ist, aber auch sehr viel Geld verschwendet wird, und dass die Kontrollmechanismen nicht gut funktionieren. Das konnten wir bei den Leerhaltepauschalen für Klinikbetten und bei den Corona-Testzentren beobachten. Diese Probleme sind jetzt zum ersten Mal für ein größeres Publikum sichtbar geworden.Hinzu kommen die Arbeitsbedingungen. Viele, die zu Risikogruppen gehören, sind ganz normal weiter zur Arbeit gegangen und waren dabei großen Risiken ausgesetzt. Intern musste man beispielsweise sehr dafür kämpfen, dass Menschen mit Vorerkrankungen nicht mehr in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind.
Als zweiten wichtigen Punkt findet man auf Ihrer Homepage „faktenbasierte Entscheidungen“. Auch hier mit Blick auf die Coronakrise die Frage: Welche Entscheidungen der Bundes- oder Landesregierung waren nicht faktenbasiert?
Ein ganz aktuelles Beispiel: die Abschaffung der Maskenpflicht bei einer Inzidenz unter 10. Das war rein politisch motiviert. Wir sehen in Leipzig und Dresden, dass die Inzidenz schnell wieder über 10 war, und wir sehen deutschlandweit steigende Zahlen. Man sollte auf ein relativ mildes Mittel wie die Maskenpflicht in Innenräumen nicht verzichten.
Wo genau Infektionen stattfinden, lässt sich ja meistens kaum nachvollziehen. Und die Inzidenzen scheinen in Sachsen eher dort wieder zu steigen, wo relativ viele Menschen freiwillig noch Masken tragen. Ist es wirklich ein Fakt, dass die Aufhebung der Maskenpflicht zu steigenden Inzidenzen führt?
Das meinte ich nicht. Ich meinte, dass es nachgewiesen ist, dass die Maskenpflicht das Infektionsgeschehen reduzieren kann. Wir wissen außerdem, dass wir gerade in einer Situation sind, in der das Infektionsgeschehen tendenziell wieder zunimmt. In dieser Situation ist die Abschaffung meiner Meinung nach nicht faktenbasiert. Ich sage aber nicht, dass das zu steigenden Inzidenzen geführt hat.
Gibt es weitere Beispiele für Entscheidungen, die nicht faktenbasiert waren?
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Situationen, auf die bestimmte Landkreise anders hätten reagieren müssen, weil es bei ihnen dramatischer war als in anderen Landkreisen. Der jeweilige Landrat vor Ort hat dann aber gesagt: Das machen wir nur, wenn es ganz Sachsen macht. So etwas war nicht faktenbasiert, weil diese Problemregionen vor Ort stärkere Maßnahmen hätten treffen müssen.
Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.
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