Die kommende Bundestagswahl dürfte spannend werden – auch in den beiden Leipziger Wahlkreisen. Etwas mehr als einen Monat vor der Wahl hat sich die LEIPZIGER ZEITUNG mit Kandidat/-innen aus dem südlichen Wahlkreis 153 zum Gespräch getroffen. Im ersten Teil des Interviews mit Paula Piechotta spricht die Grünen-Kandidatin über Wahlkampf in deprimierenden Zeiten und einen „echten Wechsel“ in der Bundesregierung.
Die Weltlage ist gerade wieder ziemlich deprimierend. Gleichzeitig müssen Sie einen fröhlichen, optimistischen Wahlkampf führen. Ist das manchmal schwierig zu vereinen?
Das zieht dich manchmal ganz schön runter und das spürt man auch, wenn man mit Leuten redet. Die einen kommen auf dich zu und sagen, dass es die Klimakrise gar nicht gibt, und die anderen sagen: Wir werden alle sterben und die Zivilisation bricht in zehn bis 20 Jahren zusammen. Das auszuhalten, ist krass anstrengend. Auch wenn die Aussicht, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, schlecht ist, darf man nicht resignieren. Jedes Zehntel Grad, das nicht darüber liegt, ist ein großer Gewinn.Es ist ja spannend, dass sich auch in der Klimabewegung viele mit diesen psychologischen Fragen beschäftigen. Es gibt eigene Seminare für depressive Klima-Aktivist/-innen und Klima-Forscher/-innen. Resignieren zu wollen, ist zutiefst menschlich, aber auch kontraproduktiv, wenn es darum geht, Gesellschaft und Klima zu retten.
Gehören Sie eher zu jenen, die nur noch versuchen wollen, das Schlimmste zu verhindern, oder möchten Sie eher ein positives Bild von einer Welt zeichnen, die auch in einigen Jahrzehnten noch lebenswert ist?
Weder noch. Die Menschheit bietet Beispiele für beides. Es ist wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass die Zukunft davon abhängt, was wir heute entscheiden. Alle Szenarien sind denkbar. Deshalb ist es nicht egal, ob man etwas unternimmt oder nicht. Trotzdem muss man ehrlich sein und die Punkte benennen, die jetzt schon in Gang gesetzt wurden.
Sind Sie auch der Meinung, dass die kommende Bundesregierung wohl die letzte sein wird, die die nötigen Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaziele zumindest einleiten kann?
Wenn wir weiterhin so emittieren, wie es aktuell der Fall ist, hat Deutschland sein CO2-Budget in neun Jahren aufgebraucht. Das sind etwas mehr als zwei Legislaturperioden – dann wäre es definitiv so, dass man eigentlich nur noch reagieren kann.
Deshalb finde ich die Forderung, dass wir jetzt handeln müssen, formell absolut haltbar – das ist keine Wahlkampffloskel der Klimabewegung. Es bezieht sich aber nicht nur auf die deutsche Bundesregierung, sondern auf die Weltgemeinschaft.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass es einen „echten Wechsel“ in der Bundesregierung geben müsse. Eine Regierung ohne CDU und ohne SPD scheint allerdings schwer vorstellbar.
Die Große Koalition ist an einem toten Punkt angekommen. Das hat sich auch kürzlich in der Afghanistan-Krise gezeigt. Sie ist nicht mehr in der Lage, die Vielzahl der anstehenden Aufgaben mit ihrer Art der Politik zu lösen.
Die CDU ist zutiefst kaputt und die SPD ist immer nur so gut wie ihr Koalitionspartner. Wir müssen auch über Amtszeitbegrenzungen nachdenken. Ich glaube, dass die 16 Jahre von Angela Merkel dazu geführt haben, dass so viel liegen geblieben ist. Es braucht ein progressives Bündnis, das anders regiert.
Wäre eine Regierung schon progressiv, wenn die Grünen daran beteiligt wären, oder gäbe es dafür noch andere Voraussetzungen?
Progressiv wäre ein Bündnis mit der SPD, zu zweit oder noch mit einer dritten Partei. Selbst eine Regierung mit der FDP wäre progressiver als Schwarz-Rot-Gelb. Es sind zum aktuellen Zeitpunkt so viele Bündnisse denkbar wie niemals zuvor zu diesem Zeitpunkt vor der Wahl.
Der zweite Teil des Interviews erscheint am Montag, dem 23. August.
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