Genau genommen ist es ein Skandal. Seit sechs Jahren planen die Stadträt/-innen für eine rasant gewachsene Stadt neue Schwimmhallen in Leipzig, diskutieren moderne Mehrzweckbauten und suchen Standorte im Leipziger Süden, vor allem aber im Leipziger Osten. Am Otto-Runki-Platz wurden sie fündig und stellten frohgemut nach dem Beschluss im Stadtrat Förderanträge an das Land Sachsen. Im April 2020 folgte dann die erste Absage. Mit dem Beschluss vom heutigen 22. Juli 2021 helfen sogenannte kommunale „Ausgabereste“ in Höhe von 6,197 Millionen Euro dabei, dass vielleicht ab 2024 junge Menschen im Leipziger Osten das Schwimmen erlernen.

Es gab einmal zwischen dem Freistaat und den Kommunen so etwas wie ein logisches Verständnis. Wenn eine Kommune bereit ist, für ein wichtiges Vorhaben die Hälfte des benötigten und stets knappen Geldes selbst in die Hand zu nehmen, wird sie sicher genau überlegt haben, warum. Die neuen Regeln heißen: Nein von oben, Begründung gibt es keine, selbst wenn es um Schülerinnen und Schüler geht, die Schwimmen lernen sollen und eine weitere Stätte für Vereinssport und Besucherbaden.Eine dringend benötigte Investitionen in die Infrastrukturen einer Stadt, die in den letzten Jahren um fast 100.000 Einwohner angewachsen ist. Wie schon bei den Schulbauten und den Kitas hängt auch der Bau neuer Sportplätze, Schwimmhallen und Freizeitanlagen dem Bedarf massiv hinterher.

Nicht grundlos also fiel in der heutigen Ratsversammlung durchaus öfter der Name „Wöller“, Roland, Dr. mit Vornamen, sodass Jens Lehmann (CDU) bei seiner Zustimmung zum Neubau auf dem Otto-Runki-Platz anmerkte, er habe den Namen des Parteikollegen nun neunmal gehört.

Denn es war das Innenministerium Sachsens und sein Minister, die hier in der Zuständigkeit für Sportförderung den Plan ablehnten, eine Schwimmhalle mit 25-Meter-Bahnen und einer kleinen Besuchertribüne mit 200 Sitzplätzen für etwa 26.000 Bewohner der Stadtteile Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf und im kreisförmigen Umfeld bis Anger-Crottendorf für weitere 47.000 potenzielle Besucher/-innen samt Stadtteilbibliothek zu bauen.

Vom Nutzen für die Jüngsten, die dann im Schulschwimmen an der Eisenbahnstraße mehr als nur das bloße über Wasser bleiben erlernen können und im gleichen Haus Bücher vorfinden, ganz abgesehen. Denn eine richtige Bibliothek soll im Kombibau zu Gesamtkosten von rund 13 Millionen Euro auch noch Platz finden. Doch weitergehen kann es so wohl nicht, weitere Bauprojekte wird Leipzig nicht ständig im Alleingang finanzieren können.

Führte am 22. Juli für den Urlauber Burkhard Jung durch die Sitzung: Finanzbürgermeister Torsten Bonew. Foto: LZ
Führte am 22. Juli für den Urlauber Burkhard Jung durch die Sitzung: Finanzbürgermeister Torsten Bonew. Foto: LZ

Die Debatte und eine Generalkritik am Freistaat

Für den einführenden Adam Bednarsky (Die Linke) war kurz vor der Sommerpause dann auch ein bisschen Tag der Abrechnung. Selbstverständlich brauche es die Schwimmhalle am Otto-Runki-Platz. „Wir haben Jahr für Jahr gehofft, dass der Freistaat Sachsen und die Landesregierung diese Selbstverständlichkeit mit uns teilt.“ Nun müsse die Stadt Leipzig also den Anteil von 6 Millionen Euro übernehmen, der eigentlich vom Freistaat kommen sollte.

Im Vergleich eine durchaus imposante Zahl „Die Stadt Leipzig gibt für alle investiven Maßnahmen im Sport pro Jahr anteilig 2,5 Millionen Euro aus.“ Die Nicht-Förderung der Schwimmhalle sei zudem nur die „Spitze des Eisberges in der Nicht-Förderung des Freistaates beim Sport“, so Bednarsky.

Letzte Woche habe der Innenminister Roland Wöller die investive Sportförderung in Höhe von 20,5 Millionen Euro für das Jahr 2021 bekannt gegeben. „Was bedeutet das für den Leipziger Sport? Ganz konkret erleben wir bei genau fünf in Leipzig für 2021 eingeplanten Großmaßnahmen ein Streichkonzert. Bei drei von fünf Maßnahmen entfällt die Förderung durch den Freistaat komplett und bei einer weiteren zum Teil.“

Also 1,5 von fünf – der Drei-Fußballfelder-Plan des Roten Stern kam ebenso unter die Räder, wie Gelder für die BSG Chemie, was alle Projekte „akut gefährdet“, so der Linken-Stadtrat. Hinter vorgehaltener Hand munkelt man hier auch politische Motivationen, ausgerechnet jenen beiden Leipzig Clubs keinen Cent zu gewähren, die als weltoffene und eher linke Vereine gelten.

Für Bednarsky als Vorstandsmitglied beim Roten Stern auch ein Zeichen, dass man die Bedarfe im Jugend- und Kinderfußball Leipzigs auf Landesebene völlig unterschätzt.

Besonders aber – und hier schloss sich der Bogen zum abgelehnten Schwimmhallenprojekt – seien die Förderrichtlinien des Freistaates im Sport eine Art „Black Box“, so der sportpolitische Sprecher seiner Fraktion. „Keiner kann in Leipzig den Vereinen Auskunft geben, wie die Vereine dem Freistaat ihre Bauprojekte schmackhaft machen sollen.“

Mit seiner Kritik an den unklaren Förderkriterien sollte Bednarsky im Verlauf der weiteren Debatte nicht allein bleiben, offenbar war auch anderen die gutsherrliche Art der Fördermittelvergabe sauer aufgestoßen. „Es kann jedenfalls nicht sein, dass Leipzig ständig in der Fördermittelvergabe übergangen wird“, so der Einstiegsredner gegen Ende seiner Generalkritik.

Denn ob sich der Freistaat an der zweiten geplanten Schwimmhalle im Leipziger Süden beteiligen möchte, ist noch gänzlich offen.

Christopher Zenker (SPD) machte nach einem kleinen Rückblick auf die einzelnen Abschnitte der Beratung durch die Jahre 2016 bis heute noch einmal auf die Vorteile des Standortes für die neue Schwimmhalle aufmerksam: „Im Leipziger Osten und dennoch zentrumsnah und verkehrlich gut angebunden“, so Zenker. Geplant war einst, die Schwimmhalle 2022 eröffnen zu können, nun muss Heiko Rosenthal noch ein wenig länger warten, eine neue Badehose vorzuführen.

Er habe ja, so Zenker, „mit Herrn Wöller gemeinsam vom Startblock 3 und 4 mit einer Arschbombe oder Paketsprung die Schwimmhalle eröffnen“ wollen. Nun muss Rosenthal bis 2024 warten, „und Herr Wöller bleibt außen vor“, so der SPD-Fraktionsführer unter dem Gelächter einiger im Rat. Nun also muss die Stadt den Bau zu 100 Prozent selbst finanzieren.

Christopher Zenker (SPD). Screen Livestream

Als eine „Bombe“ bezeichnete Zenker auch die Entscheidungen, die nach der Ablehnung der Schwimmhalle für „die Sportvereine folgten, die nun ihre Großprojekte nicht mehr stemmen können. Vor allem die Allwetterplätze sind dringend nötig, um in einer wachsenden Stadt vor allem neue Jugendliche und Kinder in die Vereine aufnehmen zu können.“ Nun werden teilweise Aufnahmestopps in den Vereinen stattfinden.

Wöller habe 2023/24 die nächste Chance „für den Sport im nächsten Doppelhaushalt des Landes auch für andere Projekte in Sachsen zu kämpfen, denn dann plant die Stadt den nächsten Schwimmhallenbau im Leipziger Süden.“

Michael Schmidt (Die Grünen) machte anschließend noch die Zusammenhänge in den Planungen und die entsprechenden Verzögerungen deutlich. Im Vorlauf sei auch eine weitere Schwimmhalle im Leipziger Nordwesten, während sich auch die im Süden bereits verzögert habe, wie auch die am Runkiplatz.

So stieg auch der Druck für Leipzig auf die eigenen Planungen. „Man stelle sich vor, wir hätten da die Bibliothek gebaut und die Schwimmhalle wäre nicht gekommen. Das wäre dann so ziemlich das Gegenteil von dem Kompromiss gewesen, die Schwimmhalle mit einer anderen Nutzung zu kombinieren“.

Einen Zukunftsaspekt in Zeiten knapp werdenden Baulandes und dem Mangel an Grünflächen in der Stadt gab der Grüne dann ebenfalls zu bedenken: „Der Freistaat hat sich auf die Fahnen geschrieben, durch eine Verbesserung der Förderrichtlinien solche Mehrzweckbauten zu ermöglichen“.

Eine Maßnahme, die dann das kombinierte Bauen in die Höhe ermöglichen könnte, statt die Gebäude je nach Zweck nebeneinanderstellen zu müssen, nur weil es verschiedene Fördertöpfe des Landes betrifft. Diese neuen Förderrichtlinien gibt es bis heute nicht.

Jens Lehmann (CDU, Stadtrat, MdB) verschenkte seine fünf Minuten Redezeit am Ende, fachlich sei von den Vorrednern alles gesagt. Um dann anderen Ministerien die Schuld für die mangelnde finanzielle Ausstattung der Sportförderung indirekt in die Schuhe zu schieben – Herr Wöller sei ja „nicht der einzige in der Landesregierung“.

Jens Lehmann (CDU). Screen Livestream

Angesichts der 20,5 Millionen Euro für die investive Sportförderung in Sachsen bei einem aktuellen Jahreshaushalt von 21,5 Milliarden Euro (21/22 pro Jahr im Durchschnitt) eher ein schlechter Scherz von Lehmann, der also auf das Budgetgezerre zwischen den Ministerien anspielte. Und vielleicht vergaß, wer dabei stets den Hut aufhat: das CDU-besetze Finanzministerium.

Man fremdele zwar noch immer ein wenig mit dem Otto-Runki-Platz, werde aber als CDU zustimmen, so Lehmann in seiner knappen Wortmeldung abschließend.

„Ich würde ja fast sagen, Heiko, Du kannst die Badeshose schon mal einpacken – aber das verkneif ich mir jetzt“, kommentierte der heute sitzungsleitende Finanzbürgermeister Torsten Bonew das einstimmige Votum des Rates zum Bau einer Schwimmhalle am Otto-Runki-Platz Richtung Heiko Rosenthal.

Der Beschluss

Die Stadt Leipzig wird sich also mit 6,197 Millionen Euro an der Finanzierung zum Bau der Schwimmhalle durch die Sportbäder Leipzig GmbH auf dem Otto-Runki-Platz beteiligen. Der Betrag wird über die Jahre 2021 bis 2024 in Tranchen von 717.000 bis 2,4 Millionen Euro an die Sportbäder GmbH gezahlt, um die Errichtung voranzubringen.

Die Sportbäder Leipzig GmbH hat seit Ende 2020 alle baurechtlichen und planerischen Voraussetzungen für einen zügigen Baubeginn vorgelegt, das Baurecht ist bereits erteilt. Es kann also losgebaut werden.

Die Debatte vom 22. Juli 021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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