12 Millionen Euro an den aktuellen Eigentümer bei einem einst zehnfach geringeren Kaufpreis und die Aussicht auf noch deutlich mehr Kosten in den kommenden Jahren. So lautete heute der Ratsbeschluss, den „Kohlrabizirkus“ ohne ein wirklich bestehendes Entwicklungskonzept zu kaufen. Aber eben auch: Erhalt des Eissports in Leipzig, des Clubs „Institut für Zukunftsfragen“ und viele gute Ideen für das Areal. Das allein wird dennoch nicht reichen, da wird dann wohl nach Kaufabschluss die „Leipziger Entwicklungs- u. Vermarktungsgesellschaft mbH“ (LEVG) als neuer Eigentümer ranmüssen. Durch die „Alte Messe“ hat das stadteigene Unternehmen durchaus Erfahrungen mit weit größeren Projekten.
Denn eben diese wird nicht nur heute wohl genau zugehört haben, was da im Stadtrat beraten und nun mit 49 Ja-Stimmen bei drei Gegenstimmen und sieben Enthaltungen beschlossen wurde. Allen Redner/-innen zum Kauf des „Kohlrabizirkus“ war dabei wohl klar, dies ist nur der Auftakt rings um das Gelände im Leipziger Süden.Statt dem eigentlich zuständigen Baudezernenten Thomas Dienberg führte Heiko Rosenthal (Umwelt, Ordnung und Sport) in die Debatte ein. Als Sportbürgermeister freue es ihn sehr, das Thema einleiten zu können, der „Kohlrabi gehört schlichtweg zur Stadt“, so Rosenthal, bevor es um den Eishockeysport im Zirkus ging. Dieser hat mit der heutigen Entscheidung und den „Exa Icefighters“ eine langfristige Perspektive, wie auch das „Institut für Zukunftsfragen“ und öffentliches Eislaufen für alle Leipziger/-innen.
Damit waren die sicheren Informationen zur Zukunft des weithin sichtbaren Doppelkuppelgebäudes und die umliegenden Flurstücke so weit erzählt. Rosenthal beschrieb anschließend die nächsten Schritte. Nach Abschluss des vorverhandelten Kaufvertrages zwischen der Vicus Group AG und der Stadt geht das Grundstück in die stadteigene LEVG als Sacheinlage in die Kapitalrücklage im Wert des Kaufpreises von „12 Millionen Euro zuzüglich 550.000 Euro Nebenkosten“ ein und soll anschließend von dieser bewirtschaftet und konzeptioniert werden.
Heißt auch: Die LEVG muss anschließend überhaupt erst einmal ein Nutzungskonzept und eine Langfristplanung für die kommenden Jahre erarbeiten und wird dabei sicher noch so einige bauliche Hürden feststellen. Der 1927 bis 1929 errichtete Kuppelbau diente (anfangs mit drei Kuppeln geplant) als Großmarkthalle und wurde unter der Leitung des bis heute maßgeblichsten Baubürgermeisters Leipzigs, Hubert Ritter, (u. a. Grassi-Museum, Westbad, Lößniger „Rundling“ und Kroch-Hochhaus am Augustusplatz) errichtet.
Und ist natürlich denkmalgeschützt. Ein Umstand, der stets Mehrkosten bedeutet, müssen doch bei Sanierungen viele Teile originalgetreu ersetzt werden. Vielleicht auch der Grund, warum sich die LEVG sicherlich das heute ebenfalls im Rat angesprochene Konzept der Vicus Group AG noch einmal anschauen wird, obwohl diese letztlich feststellen musste, dass ihr „Hive Park“ mit Klettersport, Trampolinvergnügen und Eissport doch nicht umsetzbar war.
Für eine Auslastungsmöglichkeit hingegen sprechen die geplanten Neubauten in der Umgebung und der Einzugsbereich Leipzig für alle Unternehmen vor Ort. Zudem soll das Grundstück von Beginn an weitervermarktet werden, wobei die Erlöse daraus der Sanierung dienen sollen.
Im Juli 2021 gab es dann noch gute Nachrichten vom Land Sachsen. Burkhard Jung assistierte dazu seinem Sportbürgermeister: Man habe sich beim Freistaat der Studie eines Gutachters angeschlossen, nach der es auf dem Gelände keine Umwelt-Altlasten (wie beispielsweise Giftstoffe im Boden o. Ä.) gäbe.
Dennoch, so Rosenthal am Ende seiner Einführung, gehen im ersten Schritt erst einmal 3,5 Millionen Euro in den Brandschutz auf dem Gelände.
Weitfliegende Ideen am Start
Thomas (Kuno) Kumbernuß (Die PARTEI) blickte mal in eine rosige Zukunft. Kultur, Clubs, Musikveranstaltungen, Sportevents und der Ligabetrieb der „Exa Icefighters“ – der Stadtrat geriet für sein Naturell regelrecht ins Schwärmen. „Ja, 12 Millionen Euro sind eine Menge Holz“, aber für Kumbernuß gut angelegt.
Tobias Peter (Grüne) spielte dann, neben dem Wunsch, dass sich der „Kohlrabizirkus“ nun rasch zum nächsten „Place to be“ entwickeln möge, noch einmal ein bisschen „Hätte, hätte – Fahrradkette“. Bei einem früheren Kauf wäre das ganze Gelände deutlich preiswerter zu erwerben gewesen. „Der Kaufpreis ist enorm und er schmerzt“, sprach Peter die Gedanken wohl aller Stadträt/-innen vor der Entscheidung aus. Demgegenüber stünden hier jedoch die Gestaltungsmöglichkeiten und das Gewicht, was das Areal in Leipzig nun erhalten könnte.
Wie auch Kumbernuß warb er anschließend für eine umgehende Zwischennutzung des Geländes nach dem Kauf für Musikveranstaltungen und Clubs – gern auch als Interim für jene, die wie die Distillery noch länger auf die Fertigstellung des „Gleisdreiecks“ warten müssen.
Frank Tornau (CDU) machte dann, ganz Opposition im Stadtrat, noch einmal richtig „Hätte, hätte …“ und verwies auf das Jahr 2018, wo die CDU auf Konzept und Kaufverhandlungen zum „Kohlrabizirkus“ gedrungen hatte: beispielsweise um auf dem Gelände auch eine Schwimmhalle zu errichten. Dies sei am 18. April 2018 mit 32 Gegenstimmen abgelehnt worden, dennoch habe die Stadt Leipzig ja nun doch wegen des Geländes verhandelt.
Und so dürfe es nicht verwundern, dass die CDU als „Wartende“ auf die anderen weniger glücklich sei, als die „zu spät Gekommenen“ – auch wegen des Kaufpreises. Auch dafür, dass der Stadtrat mit großer Mehrheit den 2018er CDU-Antrag zur Vorlage eines Konzeptes durch den OB beschlossen habe, sei die bisherige Konzeption „sehr dünn“.
Nach dem Ausflug in die Vergangenheit war damit nach Linken, Grünen und anschließend auch der SPD die Zustimmung der CDU zum Kauf sicher, auch die verbliebenen Fraktionen bis auf eine schluckten den Kaufpreis mutig herunter.
Nun liegt es bei den Entwicklern der LEVG und der weiteren neugierigen Begleitung der Stadträt/-innen kommender Jahre, ob die freitragenden Kuppeln auf dem Gelände der Tierkliniken wieder mehr Gäste beherbergen werden. Und sich Mieter finden, die an einer gelungenen Mischnutzung des Areals Interesse haben. Nach vielen Jahren im privaten Besitz ist das Ensemble nun mit der Stadt Leipzig zumindest wieder bei dem gelandet, der es einst gebaut hat.
Die Debatte vom 21. Juli 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher