Am Donnerstag stellte Baubürgermeister Thomas Dienberg ja neben dem Monitoringbericht Wohnen und dem Wohnungspolitischen Konzept auch den Mietspiegel 2020 vor. Und ein ganz zentrales Thema war dabei: Wie viel bezahlbaren Wohnraum hat Leipzig eigentlich noch? Und wie will Leipzig überhaupt wieder genug bezahlbaren Wohnraum schaffen? Ein Thema, das auch die Linksfraktion umtrieb, die gleich ein ganzes Fragenpaket dazu stellte.
Denn in den vergangenen Jahren ist ein Bestand von über 10.000 Sozialwohnungen einfach aus der Statistik verschwunden. Sie haben sich nicht in Luft aufgelöst. Aber da sie fast alle zur Jahrtausendwende entstanden sind und dann die Programme für sozialen Wohnungsbau in Sachsen einfach ausgesetzt wurden, lief ganz automatisch die Mietbindung für diese Wohnungen aus, auch dann, wenn die Vermieter trotzdem die alte Miete beibehielten.In der Pressekonferenz am Donnerstag wurde mehreres deutlich. Die Wohnungsmarktlage ist gerade in Bereichen der bezahlbaren Wohnungen für Singles und Familien eng. Und sie ist in Leipziger Stadtteilen unterschiedlich eng. Während innenstadtnah kaum noch solche Wohnungen zu finden sind, ist die Lage in Großwohnsiedlungen wie Schönefeld oder in Ortsteilen wie Sellerhausen-Stünz noch etwas entspannter.
Entsprechend wollte die Linksfraktion jetzt genauer wissen, wo es in Leipzig überhaupt noch Sozialwohnungen gibt: „Wie stellt sich für die einzelnen Stadtbezirke der Stadt Leipzig der Bestand an Sozialwohnungen in welcher Eigentumsform (LWB, genossenschaftlich, privater Sektor) dar?“
Von den zum Stichtag 10. Mai 2021 in Leipzig gezählten 592 Sozialwohnungen stammen nur noch 294 aus dem Modernisierungsprogramm der 1990er Jahre. 298 wurden erst wieder mit dem ab 2017 aufgelegten Förderprogramm des Freistaats Sachsen neu geschaffen, die Hälfte davon im Bestand der LWB.
Und am Donnerstag benannte Thomas Dienberg natürlich auch den von der Stadt errechneten Bedarf an jährlich zu bauenden Sozialwohnungen. 1.460 Wohnungen müssten es jedes Jahr sein. Das ist mit den 25 Millionen Euro Fördermitteln des Freistaats Sachsen nicht zu schaffen.
„In der Wohnungsbauförderkonzeption 2021 wird ein jährlicher Bedarf von 1.460 neu zu schaffenden mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen angegeben. Eine Aufteilung des Bedarfs auf die einzelnen Stadtbezirke ist nicht möglich“, betont das Dezernat Stadtentwicklung und Bau jetzt auch in der Antwort an die Linksfraktion.
Nur stadtteilgenau könne man das natürlich nicht sagen. In einigen Ortsteilen gibt es ja auch kaum noch freies Bauland, in anderen hat die Stadt keinen Zugriff, weil große Immobilienentwickler das Gelände aufgekauft haben. Und schwierig wird es auf jeden Fall, Menschen mit kleinen Einkommen auch in jenen Vierteln preiswert wohnen zu lassen, in denen längst ein hohes Mietniveau für Segregation sorgt.
Auch das sprach Dienberg an. Ein echtes Problem wird das nämlich gerade für Familien mit Kindern. Auch danach fragte die Linksfraktion und bekam zur Antwort: „Sinnvoll ist eine gute gesamtstädtische Verteilung der Sozialwohnungen. Die Fragestellung definiert den Begriff Familie nicht näher. Beispielhaft wird für Haushalte mit vier und mehr Personen deutlich, dass die Nachfrage nach mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum gestiegen ist.
So haben im Sozialamt, Sachgebiet Wohnraumversorgung in 2019 noch 148 Haushalte ab vier Personen um Unterstützung bei der Wohnungssuche (mit und ohne erteiltem Wohnberechtigungsschein) gebeten. Im Jahr 2020 waren es 258 Haushalte mit vier Personen und mehr und mit Stand 10.05.2021 sind es bereits für das Jahr 2021 195 Haushalte.“
Die Zahlen sprechen eigentlich eine sehr deutliche Sprache. Und sie ergänzen die Erkenntnisse zur seit einigen Jahren verstärkten Abwanderung von Familien mit Kindern ins Leipziger Umland, egal, ob sie dort nun ein Eigenheim im Grünen suchen oder nur bezahlbaren Wohnraum.
Und Dienberg selbst gestand zu, dass Leipzig in den nächsten Jahren nicht ansatzweise die bezahlbaren Wohnungen bekommen wird, die es beim weiter anhaltenden Bevölkerungswachstum brauchen wird.
Die Zahlen, die mit den Fördergeldern des Freistaats erreicht werden können, nehmen sich neben dem errechneten Bedarf sehr bescheiden aus: So sollen in diesem Jahr insgesamt 305 Sozialwohnungen fertiggestellt werden, 2022 dann 339, 2023 dann 656 und für 2024 sind 168 vertraglich gesichert.
In den 305 Wohnungen für 2021 sind auch die bis Mai schon fertiggestellten 127 enthalten. Man sieht recht deutlich, dass nicht mal ein Drittel der selbst von der Stadtverwaltung errechneten Sozialwohnungen gebaut werden. Was eben auch bedeutet, dass sich das Wohnungsproblem gerade für junge Familien mit geringen Haushaltseinkommen weiter verschärfen und nicht entspannen wird.
Und gerade für Familien sind derzeit besonders wenige Sozialwohnungen in Planung, ganze 101 bis 2024, wie das Baudezernat mitteilt. Die aktuelle Nachfrage im Sozialamt übersteigt das geplante Angebot also schon deutlich.
Da kommt auch eine Stadtverwaltung, die eigentlich die Familienfreundlichkeit im ganzen Stadtgebiet sichern will, zunehmend in die Klemme. Denn hier passt die Förderung in keiner Weise mehr zum wachsenden Bedarf. Und der wird weiter wachsen, weil die Arbeitsplätze für junge Leute nun einmal vorwiegend in den Großstädten entstehen.
Und es ist nun einmal klug, auch dort wohnen zu wollen, wo man ins Berufsleben eintritt. Aber genau aus dem Effekt ziehen Immobilienbesitzer die Wertsteigerung ihrer Immobilien. Das ist die Krux einer zum „Markt“ gemachten Daseinsfürsorge.
Und auch in der Antwort an die Linke stellt das Baudezernat fest, was Dienberg am Donnerstag in der Pressekonferenz sagte: Die bereitgestellten Fördergelder reichen hinten und vorne nicht.
„Die Wohnungsbauförderkonzeption 2021 prognostiziert den Bedarf an mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum auf ca. 1.460 Wohneinheiten pro Jahr. Für die Schaffung dieser Wohnungsanzahl würden auf der Grundlage der derzeitigen Konditionen rund 59 Mio. Euro soziale Wohnraumförderung des Landes pro Jahr benötigt.
Ausgehend von den Erfahrungen bei der Umsetzung der Wohnungsbauförderung in den abgeschlossenen Programmjahren, Verhandlungen mit interessierten Bauherren, der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt und im Baugewerbe sowie der Verfügbarkeit von Grundstücken und leerstehenden Gebäuden in Leipzig erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch, dass diese Anzahl an geförderten Wohneinheiten in den kommenden Jahren geschaffen werden kann. Zudem übersteigt diese Anzahl an Wohneinheiten die bislang vom Freistaat Sachsen bereitgestellten Fördersummen deutlich.“
Was ist überhaupt möglich?
„Für das Programmjahr 2021 stehen der Stadt Leipzig 25 Mio. Euro zur Verfügung. Damit können ca. 600 Wohnungen geschaffen werden. Für das Programmjahr 2022 wurden ebenfalls 25 Mio. Euro avisiert.“
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