Na ja, so ein bisschen verstehen konnte man ja den Petenten, der bei der Stadt die Petition „zur Ablehnung der Forderung der Grünen nach 48 (!) neuen Stellen für Klimaschutz und Klimaschutzanpassung / Verlegung des Fachbereichs Klima- und Umweltschutz vom Dezernat für Ordnung, Sport und Umwelt ins Dezernat für Wirtschaft, Energie, Umwelt und Arbeit“ eingereicht hatte. Aber dass er gleich das neu geschaffene Klimareferat attackiert, ging auch dem Petitionsausschuss zu weit.
Immerhin ist das mühsam erkämpft, denn eine Stabsstelle, die den Klimaschutz in der Leipziger Verwaltung behandelt, gab es bislang nicht. Deren Einrichtung beschloss der Stadtrat erst 2020, nachdem auch im Prozess um den Klimanotstand deutlich geworden war, dass es in der Verwaltung keine Koordination der Klimaschutzpolitik gegeben hatte, was eine der Gründe dafür war, dass Leipzig seine selbst gesteckten Ziele zur Senkung der klimaschädlichen Emissionen für 2020 völlig verfehlte.Warum der Petent so geharnischt reagiert, sieht man im Anhang seiner Petition, wo er einen dieser genialen LVZ-Artikel beigefügt hat, der in diesem Fall am 18. Dezember 2019 erschien und behauptete: „Nach den neuesten Zahlen lag der Kohlendioxidausstoß in Leipzig im Jahr 2016 bei 5,96 Tonnen pro Einwohner – das war mehr als 2008.“
Was man getrost unter Fakenews ablegen kann, auch wenn Leipzig seine Klimaschutzziele trotzdem verfehlt. Aber 2008 ist das denkbar ungünstigste Bezugsjahr. Rein optisch fielen die CO2-Emissionen der Leipziger tatsächlich pro Kopf von 6,14 Tonnen im Jahr 2005 auf 5,53 Tonnen im Jahr 2008. Was natürlich weniger aussieht als die 5,72 Tonnen im Jahr 2017, die Zahl, die dann auch im Sofortmaßnahmenprogramm auftauchte.
Aber wer die ganze Zeit dabei war und über die Klimaschutzpolitik der Verwaltung berichtet hat, weiß auch, dass 2011 die Bemessungsgrundlage geändert wurde. Aus gutem Grund.
„Bislang wurden die Verkehrsflüsse nur innerhalb des Stadtgebietes, unabhängig vom Verursacher (d. h. auch Durchreisende wurden einbezogen) bilanziert. Die Begrenzung des Verkehrs an der Stadtgrenze birgt jedoch Gefahren. Das Verhalten der Bürger sowie die Auswirkungen der Wirtschaft und der Infrastruktur einer Stadt machen in den meisten Fällen nicht an politischen Grenzen halt. Mit der neuen Berechnungsmethodik sollen die durch Leipziger Bürger verursachten Emissionen möglichst vollständig erfasst werden. Die Energie- und CO2-Bilanz der Stadt Leipzig wird ab dem Bilanzjahr 2011 verursacherabhängig nach der Methodik des Klima-Bündnis e. V. berechnet“, kann man zum Beispiel im Umsetzungsbericht der Europäischen Klimaschutzkommune 2011–2013 nachlesen.
Seit 2011 wird also das Pro-Kopf-Aufkommen an Emissionen realitätsnäher dargestellt und ist damit auch den Berechnungen von rund 1.000 anderen deutschen Städten vergleichbar. 2011 wies die Leipziger Bilanz nach der Berechnungsmethode dann wieder 6,61 Tonnen CO2 je Kopf aus. Und die schlichte Wahrheit ist: Dieser Wert sank bis 2017 weiter – auf die erwähnten 5,72 Tonnen.
Das reicht natürlich trotzdem nicht. Aber es zeigt, dass die Leipziger/-innen tatsächlich ihre Emissionen gesenkt haben. Nicht alle. Denn natürlich steckt auch ein Verteilungseffekt in der Zahl: Die Emissionen pro Kopf sinken eben auch, wenn die Bevölkerung stark zunimmt. Dann geht die ganze Grundlast auf mehr Köpfe. Dazu kommt natürlich auch, dass wirklich viele junge Leipziger auch lieber aufs Auto verzichten. Mehr Radfahrer und ÖPNV-Nutzer senken den Durchschnitt natürlich auch.
Aber es stimmt: Das Rathaus selbst ist die ganze Zeit nicht durch eine beherzte Strategie aufgefallen, Leipzigs CO2-Emissionen wirklich spürbar zu senken. All diese Initiativen gingen vom Stadtrat aus. Neben dem Beschluss zum Kohleausstieg der Stadtwerke auch die Forderung nach einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie und eben der Installierung eines Klimareferats.
Die ganze Schuld am Bremsen dem Umweltdezernat zuzuschreiben, ist zumindest blauäugig. Und das Wirtschaftsdezernat für den mutigeren Player im Klimaschutz zu halten, wohl ebenso.
Tatsächlich soll das neue Referat, das ab dem 1. Juli endlich auch eine kompetente Leiterin bekommt, in der ganzen Verwaltung die Klimaschutzbemühungen koordinieren.
Und es ist ein Arbeitsergebnis des Stadtrates. Auch das übersieht der Petent völlig. Um 48 neue Stellen geht es ebenfalls nicht. Entsprechend deutlich formuliert nun der Petitionsausschuss des Stadtrates die Ablehnung dieser Petition. Denn immerhin fordert der Petent „die organisatorische Umstrukturierung des Leipziger Energie- und Klimaschutzprozesses.“
Eben das, was der Stadtrat der Verwaltung gerade mühsam abgerungen hat. Übrigens mit 48 zu 6 Stimmen. Da hat sich nicht nur eine kleine grüne Minderheit durchgesetzt. Hier ist klar geworden, dass die Stadtratsmehrheit wirklich begriffen hat, dass die Stadt deutlich besser organisiert die Klimaschutzziele umsetzen muss.
„Das ,Kernteam Klimaschutz‘ setzt sich gem. Beschluss zur VI-A-07961-DA-01 aus den Mitarbeitern des Referates ,Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz‘ (RNK) sowie sechs weiteren Klimaschutzstellen in den operativen Fachämtern zusammen (Hauptamt, Stadtplanungsamt, Amt für Gebäudemanagement, Verkehrs- und Tiefbauamt, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Amt für Wirtschaftsförderung)“, zählt der Petitionsausschuss auf, was jetzt wirklich an personellen Veränderungen umgesetzt wurde.
„Das im Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport angesiedelte RNK nimmt hierbei vorrangig die amtsübergreifenden Klimaschutzaktivitäten der Stadtverwaltung wahr, wirkt als Geschäftsstelle des Kernteams und der Steuerungsgruppe sowie als interner Ansprech- und Servicepartner für die Stadtverwaltung und Eigenbetriebe.
Die formale Einrichtung des RNK ist bereits im Sommer 2020 erfolgt und wird bis spätestens Ende 2021 auf sechs Personalstellen erweitert. Auch die Besetzungsverfahren der Klimaschutzstellen in den operativen Fachämtern schreiten voran, sodass diese bis voraussichtlich Mitte 2021 ihre Arbeit aufnehmen können.
Mit dieser neuen Organisationsstruktur werden die Themen der Nachhaltigen Entwicklung sowie des Klimaschutzes konzeptionell und operativ in die Arbeitsstrukturen der Leipziger Stadtverwaltung integriert und effizient gesteuert. Einen nachvollziehbaren Grund für die geforderte Umstrukturierung des Klimaschutzprozesses lässt die Petition nicht erkennen und wird daher abgelehnt.“
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