Eigentlich war es ziemlich unter der Gürtellinie, was der Oberbürgermeister 2018 in einer Stellungnahme zu einem Antrag der SPD-Fraktion schreiben ließ mit der Forderung: „Sachgrundlose Befristungen in kommunalen Unternehmen und Eigenbetrieben beenden“. Einen Antrag, den der Stadtrat dann übrigens mit einigen Konkretisierungen mit 38 : 22 Stimmen beschloss. Seitdem müsste es eigentlich regelmäßige Berichte des OBM zu sachgrundlosen Befristungen in den Kommunalbetrieben geben.
Im Verwaltungsausschuss sollte seitdem regelmäßig über den Stand der Dinge informiert werden. Aber das scheint aus der Sicht von Stadtrat Thomas Köhler immer noch nicht zu passieren.Aber gut standen die Dinge 2018 überhaupt nicht, auch wenn die Verwaltung selbst nach eigener Auskunft „weitestgehend auf sachgrundlose Befristungen“ verzichtet.
Warum eine sechsmonatige Probezeit in Leipziger Kommunalbetrieben nicht ausreichen sollte, begründete das OBM-Büro 2018 so: „Sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeiter sollen beidseitig ausreichend Gelegenheit haben, fachliche Qualifikationen und Arbeitsweisen sowie Unternehmensphilosophien, Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufe kennenzulernen. Hier kann eine Evaluierung nach sechs Monaten zu Fehleinschätzungen und somit zu Folgekosten durch Neubesetzungen von Stellen führen.“
Was sind das für Unternehmen, die nach sechs Monaten die Fähigkeiten ihrer neuen Mitarbeiter/-innen nicht einschätzen können?
Und noch heftiger waren die Auskünfte ausgerechnet zum Krankenhauspflegepersonal: „Darüber hinaus können auch branchenbedingte Anforderungen die Ursache für sachgrundlose Befristungen sein. So verweisen einige Unternehmen und Eigenbetriebe, die im Sozial- und Gesundheitswesen agieren, auf Abhängigkeiten von den mit den Kostenträgern verhandelten Belegungszahlen, Personalschlüsseln und Kostenübernahmezusagen. Diese Abhängigkeiten erschweren eine langfristige personelle Planung.“
„Die verhandelten Personalschlüssel müssen nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen eingehalten werden, sodass bei geringerem Personalbedarf eine Personalreduzierung erfolgen muss, die ohne das Instrument der sachgrundlosen Befristungen nur durch betriebsbedingte Kündigungen mit aufwendigen Verfahren zur Sozialauswahl sowie mit Risiken durch Klagemöglichkeiten umsetzbar sind. – Ohne sachgrundlose Befristungen könnten zum Teil Auszubildenden und dual Studierenden der Berufseinstieg nicht mehr ermöglicht werden, da nicht immer zum Ausbildungsende unbefristete Stellen frei sind.“
Ein kleiner Einblick in die Mechanismen, wie unser Gesundheitssystem systematisch von Rendite- und Effizienzdenken kaputtgemacht wird und das Pflegepersonal regelrecht unter Dauerstress gesetzt.
Aber das Thema hat sich augenscheinlich auch drei Jahre später nicht erledigt. Denn die Fraktion Freibeuter sieht sich jetzt veranlasst, Oberbürgermeister Burkhard Jung aufzufordern, „endlich für faire Arbeitsverträge bei der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben zu sorgen“.
Mit dem jetzt eingereichten Antrag wird der Oberbürgermeister beauftragt, dem Stadtrat im IV. Quartal 2021 Maßnahmen vorzulegen, mit denen die Mitarbeiter/-innen, die sachgrundlos befristet angestellt sind, ohne Einschränkung der Aufgaben der entsprechenden Betriebe, Abteilungen oder Projekte, entfristet werden können.
Eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen ist gemäß Teilzeit- und Befristungsgesetz zulässig. „Die Stadt Leipzig als Arbeitgeber steht im Wettbewerb um Fachkräfte und engagierte Mitarbeiter. Bei aller Rechtmäßigkeit kann es nicht der Anspruch einer Kommune und ihrer Eigenbetriebe sein, Arbeitsverträge sachgrundlos zu befristen“, kommentiert das Thomas Köhler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freibeuter im Leipziger Stadtrat und Stadtrat der Piraten.
Gegen sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverhältnissen in Stadtverwaltung und Eigenbetrieben hatte sich der Stadtrat bereits 2018 ausgesprochen. Aber wenn es ums Sparen geht, denken auch Kommunen wohl eher nicht an die Sparkasse.
„Ein Blick in das städtische Stellenportal zeigt, der Oberbürgermeister kommt seither offenbar dem Auftrag von sachgrundlosen Befristungen abzusehen, nicht nach. Wir lassen ihm das nicht länger durchgehen und bringen den Stein nochmals ins Rollen“, sagt Köhler.
In welchem Umfang Arbeitsverträge von Mitarbeiter/-innen der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe der Stadt Leipzig tatsächlich noch sachgrundlos befristet abgeschlossen werden und wie oft diese Befristungen verlängert werden können, soll der Oberbürgermeister dem Stadtrat im III. Quartal 2021 darüber hinaus berichten.
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Es gibt 2 Kommentare
Die Verwaltung in Leipzig scheint ja prinzipiell ein Problem mit der Entscheidungsbefugnis des Stadtrates zu haben.
Schlimmster Kapitalismus in der Verantwortung eines sozialdemokratischen OBM. Paßt in das aktuelle Bild, das die SPD zurzeit abgibt.
Gut, dass die Freibeuter am Thema dranbleiben. Viel Erfolg dabei!